Als Ausgleich zum Beruf, um den Kopf frei zu bekommen oder für die geistige Fitness: 262 der 1700 Schüler der Kreismusikschule „Carl Orff“ haben das „Schulalter“ längst hinter sich und sind erwachsen. „Das sind über 15 Prozent, Tendenz steigend“, berichtet Hartwig Kessler, der Leiter der Musikschule. „Die Lieblingsfächer sind Gesang, beispielsweise im Chor, dann die Flöten und die Blechblasinstrumente.“
Zu den Blechbläsern gehört Andreas Marin, der in der Saxofongruppe von Aldo Pinetzki das Baritonsaxofon spielt. „Wenn man das tiefe A spielt, ist das körperlich wie eine Fahrt auf der Harley“, sagt der Sportlehrer lachend. Seit zehn Jahren nimmt er Unterricht. „Gerade am Anfang lernt man schnell und viel, wenn man dranbleibt. Und die Notenkunde kommt automatisch, da braucht man keine Angst vor haben. Und ich bin völlig unmusikalisch.“ Natürlich weiß er auch, was andere Frauen und Männer sagen: Es ist nicht einfach, als Erwachsener mit dem Instrumentalunterricht anzufangen. „Aber das ist ja das Schöne im Ensemble, wenn ich mal aussteige, spielen die anderen weiter und ich kann wieder reinfinden“, erzählt Marin.
Ein Höchstalter für den Start mit einem Instrument gibt nicht, stellt Kessler fest. Aldo Pinetzki ergänzt: „Wer ein Instrument lernen will, schafft das auch. Üben ist reine Willenssache!“ Derzeit gäbe es Überlegungen, das Instrumentenkarussell auch für Erwachsene anzubieten. „Wenn die Nachfrage besteht“, so Hartwig Kessler. Kinder können über das Karussell verschiedene Instrumente ausprobieren, bevor sie sich für „ihr“ Instrument.
An die 80 Jahre alt sind die ältesten Musikschüler im Landkreis. „Wenn man als Erwachsener anfängt, ein Instrument zu lernen, verbinden die Synapsen im Gehirn sich wieder mehr“, weiß Kessler. Und erzählt von den Schülern, die sich beispielsweise ihren Kindheitstraum erfüllen oder den Unterricht aus den Kinder- und Jugendtagen wieder auffrischen und fortsetzen. So wie Ursula Wendorf (67) aus Wismar. Seit 25 Jahren ist sie die Klavierschülerin von Ulrike Ebert, weil damals der Sohn ein Klavier bekommen hatte. Als Kind hatte sie Unterricht, dann fehlte die Möglichkeit. Als Erwachsene schuf sie die Möglichkeit selbst. Sogar, als sie als Apothekerin in Ludwigslust arbeiten musste, kam sie jede Woche zum Unterricht. „Das Klavierspiel ist mir wichtig, ich habe das Bedürfnis nach Musik“, begründet sie und erzählt vom damaligen Ausgleich zum Beruf.
Aber nicht nur ihre musische Seite können Erwachsene in der Musikschule ausleben. Im Kunstkurs genauso wie in der Sparte Erwachsenentanz gibt es derzeit freie Plätze für Kurzentschlossene. Heike Förster (55) aus Clausdorf in der Gemeinde Satow ist seit mehr als sieben Jahren im Kunstkurs von Andreas Barth. Sie lacht: „Ich wollte eigentlich zum Gitarrenunterricht, aber da war alles voll. Und im Kunstkurs war Platz. Ich dachte, ich mach das. Das war eine gute Entscheidung“ Anderthalb Stunden pro Woche zeichnet oder malt sie in der Gruppe – ein wohltuender Ausgleich. „Ich bin dann in einer ganz anderen Welt“, sagt sie und schwärmt von der angenehmen Ruhe am Donnerstagabend in der Musikschule.
Interessenten für den Kunst- oder Tanzkurs oder für Instrumentalunterricht können sich in der Wismarer Arbeitsstelle der Kreismusikschule (Telefon 03841/211881) oder am Hauptsitz in Grevesmühlen (Telefon 03881/ 719688) melden.
Nicole Hollatz