Wismar. . Das ist viel Verantwortung für den 58-Jährigen. Wenn er anfängt zu erzählen, wird klar, der Laden ist sein Leben, sein Lebensmittelpunkt. So wie er erzählen sie alle von „ihrem“ Laden. Mit leuchtenden Augen und voller Dankbarkeit für die Aufgabe, für die Möglichkeiten. Für den Weg.
Klaus, Irene und Sandra — drei Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen und Diagnosen. Menschen aus der Tagesstätte des Vereins „Das Boot“ Wismar e. V. Im Verein zur Förderung seelischer Gesundheit und Integration gibt es unterschiedliche Angebote für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen. Das „Klamöttchen“ ist eins davon.
Bis 1988 arbeitete Klaus. Dann kam der zweite, der große Nervenanfall. An Arbeit war nicht mehr zu denken. Ein Jahr lang war er zu Hause, bis er vom damals jungen Verein „Das Boot“ hörte. „Ich saß in der Ecke und wusste nichts mit mir anzufangen“, erzählt er. Irene Rosenthal nickt. Das kann sie nachvollziehen. Die 57-Jährige fiel nach der Scheidung in ein tiefes Loch, genannt Depression. Das „Boot“ half und hilft dort raus. Immer wieder. Sie lächelt: „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einem Laden stehe und Sachen verkaufe.“ Aber sie macht es — genau wie Klaus — seit über zehn Jahren. Im letzten Jahr hatte das „Klamöttchen“ seinen zehnten Geburtstag, damals noch in der Baustraße. Zehn Jahre, in denen Irene Rosenthal und Klaus Dimke mit dem Laden gewachsen sind.
Anfang Februar ist der Gebrauchtwarenladen in die Lübsche Straße 92 umgezogen. „Viel mehr Platz“, schwärmt Sandra Wichert (25) über die neuen Räume. Die dritte gute Seele im „Klamöttchen“. Eine vierte Kollegin ist gerade krank. „Eigentlich ist das hier nicht mein Ding“, erzählt Sandra. Sie hat eine diagnostizierte Rechenschwäche. „Mir fällt das schwer mit dem Geld, das Rechnen“, erzählt die junge Frau. Sie hat mit ihren 25 Jahren schon viel Negatives erlebt. Viel mehr, als sie erzählen möchte. Im Laden ist sie selbstbewusst: „Und wenn ich hier alles zehnmal nachrechnen und zählen muss, bis es stimmt, dann ist das halt so! Dadurch lerne ich das.“
Irene und Klaus machen ihr Mut: „Zu Anfang hattest du Probleme, aber jetzt bist du doch gut eingearbeitet!“ Seit über drei Jahren gehört sie zum Ladenteam. Sandra nickt: „Das ist für mich eine Chance, langsam wieder ins Berufsleben zurückzufinden.“ Langsam — sich Schritt für Schritt aus dem Loch trauen. Irene erzählt, dass sie es erst lernen musste, auf Menschen zuzugehen. „Früher war ich verschlossener“, sagt auch Klaus Dimke.
Ein Laden mit all seinen Aufgaben und der Verantwortung als Therapieangebot für Kranke. „In einen Laden geht man, in eine Tagesstätte für psychisch Kranke weniger“, so Stefan Koch als Leiter der Tagesstätte und damit auch Ansprechpartner für den Laden. „Wir haben Umgang mit Menschen, die nicht krank sind, und auch die müssen es lernen, mit uns umzugehen“, erklärt Klaus selbstbewusst. Eine Aufgabe als Medizin ohne Nebenwirkungen.
Was nicht für den Verkauf geeignet ist, geht als Kleiderspende an das Deutsche Rote Kreuz.
Montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr hat der Laden in der Lübschen Straße 92 geöffnet. Nicht nur sozial Schwache können dort einkaufen. Eine Hose oder ein Pulli kosten zum Beispiel zwei Euro, ein Rock drei und ein Wintermantel sechs Euro.
Nicole Hollatz