Seit dem Wochenende ist der Begriff neu besetzt: Jetzt geht es plötzlich um das wirtschaftliche Überleben der kleinsten Volkswirtschaft in der EU-Familie — und mit einem Mal geht es auch ganz gezielt um die Geldbeutel der Bürger überall auf dem Kontinent. Das Gespenst der Angst geht um.
Dabei war es eigentlich ein unspektakuläres Stück, das die Eurogruppe da auf die Bühne bringen wollte. Auf dem Spielplan stand wieder einmal ein Hilfspaket, diesmal für die gebeutelten Zyprioten, die ohne Finanzspritze aus Brüssel pleite wären. Doch mit dem Schachzug, im Handstreich all jene, die auf zypriotischen Konten ein kleines oder großes Vermögen liegen haben, einfach zwangsweise an der Rettung der Staatsfinanzen zu beteiligen, wurde aus dem schlichten Drama eine packende Tragödie.
Dass das Parlament in Nikosia gestern erneut eine Entscheidung scheute und die Eurogruppe eilends am Abend erneut beriet, mag zeigen, wie hoch die Wogen wirklich schwappen. Ersteres fürchtet sich vor einem Votum, das ja nur falsch ausfallen kann. Letztere muss schleunigst das Feuer, das sie selbst gelegt hat, eindämmen, bevor ein Flächenbrand entsteht.
Gut möglich, dass es dafür sogar schon zu spät ist. Man hat versucht, mit juristischen Taschenspielertricks geltendes Recht zu umgehen. Und damit hat man Vertrauen verspielt, nicht nur bei den Zyprioten. Was wäre denn, wenn plötzlich überall in Europa Sparkonten ausgeräumt würden? Wenn die Menschen den Beteuerungen der Politik, ihre Spareinlagen wären sicher, keinen Glauben mehr schenkten?
Wenn sich der Verdacht, Zypern sei erst der Anfang, in den Köpfen festsetzte? Spätestens da wünschte man sich, dass der Vorhang fällt.
Doch so wie es aussieht, haben Krisen einen langen Atem. Das gilt für die neue Zypern-Krise ebenso wie für die alte, und es gilt auch für die Euro-Krise. Die hat anscheinend gerade wieder Fahrt aufgenommen. Seite 4
OZ