Schwerin/Berlin. Gesungen wird und auch getanzt. Schließlich ist das hier ein Film aus Bollywood – wenn auch mit deutschen Koproduzenten. Und doch ist alles ein bisschen anders in „7 Göttinnen“. Die Lieder klingen melancholisch und werden auch schon mal von einer versonnen klimpernden Gitarrenspielerin vorgetragen, die eine der Protagonistinnen ist. Dann wieder erklingt wilder Rap auf der Tonspur. Und der Bewegungsdrang der Tänzerinnen entfaltet sich auch schon mal unter der Gartendusche.
„7 Göttinnen“: Regie: Pan Nalin; Darsteller: Sarah-Jane Dias, Amrit Maghera; Genre: Tragikomödie; Filmstart: 16. Juni; 103 Minuten; FSK 12
Auch die Bilder wirken vertraut, aber eben nicht so ganz: Vor Kitschkulisse im Gegenlicht bei Sonnenuntergang tollen junge Frauen am Strand von Goa herum. Plötzlich wird die Werbeästhetik aufgebrochen. Das passiert vor allem dann, wenn Männer ins Spiel kommen. Sie übernehmen in „7 Göttinnen“ eine unrühmliche, später auch gewalttätige Nebenrolle. Im Zentrum stehen sieben junge Frauen, die eigentlich nur Spaß miteinander haben wollen und (jedenfalls zunächst) keineswegs männerfeindlich gestimmt sind. Ein Bollywood-Film also, der die Frauenperspektive einnimmt: Das ist ziemlich ungewöhnlich. Weibliche Figuren fungieren hier oftmals lediglich als Begleitung des männlichen Helden.
Regisseur Pan Nalin erzählt eine andere Geschichte. Freida (Sarah-Jane Dias) hat ihre Freundinnen eingeladen. Sie will heiraten. So trudeln die Besucherinnen aus allen Teilen des Landes ein. Bei einem Jeep-Ausflug in Goa kommt es zum Zwischenfall: Eine Horde Männer bedrängt die Frauen. Der Film, der als turbulente Freundinnenkomödie begann, nimmt bedrohliche Züge an.
Man muss es wohl so formulieren: Der Regisseur hat Bollywood ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Er filmt mit den ästhetischen Mitteln der indischen Kinoindustrie, widersetzt sich aber dem gängigen Erzählmuster und verfolgt eigene Ziele. Hier wird – manchmal auf recht holzschnittartige Weise – die gegenwärtige Rolle der Frau in Indien verhandelt.
Sie haben genug davon, dass Männer ihren Träumen im Wege stehen, sie übernehmen den aktiven Part – irgendwann mit reichlich Wut und Hass im Bauch. Diese harte Wendung ist für den Kinozuschauer ein Schock und will sich nur schwer mit dem zuvor Gesehenen verbinden – aber gerade dieses Spannungsverhältnis macht den Film zu einem Erlebnis. Von (Massen-)Vergewaltigungen in Indien war in jüngster Zeit auch in den westlichen Medien immer wieder die Rede, hier nähert sich ein Regisseur diesem schmerzhaften Thema ohne jede Scheu – wenn das Verbrechen selbst auch außen vor bleibt.
Angeleitet werden die Frauen gewissermaßen durch die vielarmige Göttin Kali, die in Freidas Haus mit feiner Ironie verehrt wird. Kali ist alles andere als friedfertig. Auf Abbildungen trägt sie eine Kette aus Schädeln um ihren Hals. Auf Festivals in Toronto oder Rom hat „7 Göttinnen“ – der Originaltitel: „Angry Indian Goddesses“ – für Furore gesorgt, genauso aber auch im eigenen Land Aufsehen erregt. Nach den Worten des Regisseurs wird eine Frau in Indien, die sich für ihre Sache starkmacht, inzwischen als „Angry Indian Goddess“ bezeichnet. Bleibt nur eins: Schade, dass es keine Frau war, die diesen wütenden Frauenfilm gedreht hat.
Stefan Stosch