Der Nordische Klang scheint sich auch im Jubiläums-Jahrgang großer Beliebtheit zu erfreuen. Was ist das Besondere an diesem Festival?
Prof. Joachim Schiedermair: Ja, der Nordische Klang läuft wieder sehr gut. Wir bieten Hochqualitäts-Musik und erleben immer wieder, dass Bands oder Musiker, kurz nachdem wir sie eingeladen haben, Preise bekommen. Daran merken wir, dass unser künstlerischer Leiter Frithjof Strauß ein gutes Ohr hat.
Wann sind Sie selbst zum ersten Mal mit dem Nordischen Klang in Berührung gekommen?
Schiedermair: Ich habe in Erlangen und München studiert, war in Dänemark, Norwegen und Schweden. An allen skandinavistischen Instituten ist der Nordische Klang bekannt. Überall weiß man:
Greifswald ist auch der Nordische Klang. Ich kannte das Festival also schon lange, habe dann 2009 meinen ersten Nordischen Klang mitgemacht, bevor ich 2010 die Verantwortung bekam. Unser Festival hat einen guten Ruf hier in der Region. Und wir haben einen guten Ruf unter den Künstlern Skandinaviens. Sie werden hier gut betreut, das machen unsere Studierenden, die die jeweilige Sprache sprechen, sie zeigen den Künstlern Greifswald.
Welche Höhepunkte hat denn das Jubiläumsfestival?
Schiedermair: Die Danish Radio Big Band war Weltklasse. Dann hatten wir das schwedische Streicherensemble Musica Vitae mit dem Tubaisten Øystein Baadsvik, der sonst in der Carnegie Hall ein- und ausgeht. Bei uns traf das Arctic Sinfonietta Ensemble aus dem norwegischen Tromsø auf die russische Percussion-Gruppe 44 Drums aus Archangelsk, eine grandiose Kombination. Und heute Abend gibt es wahrscheinlich den größten Kassenerfolg. Die Band Wintergatan bietet schwedischen Pop. Die sind gerade auf Youtube berühmt mit „Marble Machine“, einer musikalischen Murmel-Maschine, die seit Mitte März über 18 Millionen Mal angeklickt wurde.
Sie bieten bis zum 15. Mai ein sehr komprimiertes Angebot. Wie setzen Sie Schwerpunkte?
Schiedermair: Zwei Drittel unserer Veranstaltungen sind ausverkauft, ein Drittel ist sehr gut besucht, also wir haben volle Häuser. Was unsere Schwerpunkte betrifft, bemühen wir uns um eine Balance vieler verschiedener Stilrichtungen. Wir schauen gern nach genreübergreifenden Projekten, die bieten sehr schöne Entdeckungen. Wir wollen Erlebnismusik bieten und Glücksmomente vermitteln.
Sie sind seit 2010 Vereinsvorsitzender und folgten damals dem Festivalgründer Walter Baumgarten. Welche Veränderungen ergaben sich seither?
Schiedermair: Es sind Akzentverschiebungen. Walter Baumgartner hat das Festival professionell und groß gemacht, und wir sind seiner Politik da treu geblieben. Es gibt jetzt einen größeren Pop- und Folk-Anteil. Dazu haben wir den wissenschaftlichen Aspekt ein bisschen gestärkt.
Gab es persönliche Highlights aus den letzten Jahren?
Schiedermair: Ja, wir hatten im letzten Jahr eine norwegische Formation, Gammalgrass. Eigentlich eine Folkbesetzung, Bass, Geige und Akkordeon, manchmal Banjo. Die spielen aber nicht Folk, sondern die spielen alles, die gesamte Musikgeschichte hoch und runter, mit einer unglaublichen Energie. Diese Musikfreude hat sich 100-prozentig auf das Publikum übertragen. Da war alles drin, das ganze Festival in einem einzigen Konzert.
Als Skandinavist verfolgen Sie von Berufs wegen die Kulturen Nordeuropas? Gibt es interessante Trends?
Schiedermair: Es gibt eine Entwicklung, dass der Ostseeraum erstarkt und ein Selbstbewusstsein entwickelt. Wenn wir in den Süden schauen, zum Mittelmeer, da stellen wir uns unter dem Begriff „mediterran“ etwas vor, eine bestimmte Lebensweise, die uns sympathisch ist. Und langsam merken wir, dass die Ostsee etwas Ähnliches ausbildet: als Ostseeraum, der auch ein bestimmtes Flair transportiert. Deshalb suchen wir auch nach Kulturverbindungen im Ostseeraum und versuchen, das abzubilden.
Von Interview von Dietrich Pätzold