Rostock. Wer mit 63 Jahren Hartz IV erhält, aber schon in den Ruhestand gehen könnte, dem droht die Zwangsverrentung. Der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Enzo Weber hält das für den falschen Weg und schlägt stattdessen Ausgleichszahlungen der Rentenversicherung an den Bund vor. Ältere Arbeitslose könnten so weiterhin Hartz-IV beziehen und drohende Rentenabschläge verhindern. „Vor allem aber bleibt für Betroffene damit weiterhin die Tür zum Arbeitsmarkt offen“, sagt der Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Jörg Böhm, Vorsitzender des Arbeitslosenverbandes MV, ist weder von der derzeitigen Praxis noch vom Alternativkonzept überzeugt: „Die Rente muss armutsfest sein“, sagt Böhm. Mit Ausgleichszahlungen werde das System nur weiter belastet. „Wir brauchen eine echte Solidar-Gemeinschaft: Alle sollten in den Rententopf einzahlen, auch Beamte und alle Selbstständigen.“
Politisch sind in MV die Folgen der Zwangsverrentung umstritten. „Menschen von der Arbeitslosen- in die Rentenstatistik zu verschieben, ist keine Lösung, um die hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen in den Griff zu bekommen“, meint Silke Gajek von der Fraktion Bündnis 90/Grüne. Zudem sei es fraglich, warum der Rententräger die Missstände des Arbeitsmarktes ausbaden und die Arbeitslosigkeit finanzieren soll.
Jörg Heydorn, sozialpolitischer Sprecher der SPD, spricht sich für flexiblere Übergänge in die Rente aus: „Wer länger arbeiten will, sollte das dürfen.“ Wer nicht länger arbeiten könne, solle eine Rente bekommen, die zum guten Leben reicht. Dafür brauche es auch die Solidarrente und eine solide Erwerbsminderungsrente.
Kerstin Schröder