Karlshagen. Nicht nur die vom jüngsten Sturmhochwasser an der Ostseeküste angerichteten Schäden haben die Initiative gegen Deichrückbau im Usedomer Inselnorden aus der selbst auferlegten Defensive geweckt. Auch die Erfahrungen bei Wiedervernässungen in der Region, so beim Polder Kamp bei Anklam oder an der B 110 zwischen der Zecheriner Brücke und Pinnow, beunruhigen die Vereinsmitglieder, die sich am Freitag in der Schulaula in Karlshagen trafen.
Die Initiative (107 Mitglieder) erneuerte ihre Forderung an die Landesregierung, die Rückbauoption am Peenestromdeich aus den Hochwasserschutzplänen für den Inselnorden zu streichen. Wie berichtet, stehen Amtsverwaltung und Bürgermeister des Inselnordens hinter der Forderung. „Der Peenestromdeich muss unbedingt bleiben“, sagte der an diesem Abend in seinem Amt bestätigte Vorsitzende der Initiative, Dr. Rainer Höll.
Hintergrund: Die Rückbauoption gehörte zum Kompensationsprogramm „Cämmerer See“, das offiziell 2014 wegen fehlender Nachfrage beendet wurde. Die 2015 vorgestellten Hochwasserschutz-Planungen enthalten allerdings für den Fall neuen Bedarfs an Kompensationsmaßnahmen eine Wiederbelebungsoption. Höll bezeichnete das als „grob fahrlässig“ und „Schwachsinn“, weil damit eine Schwächung des Hochwasserschutzes und unberechenbare Gefahr für den Inselnorden verbunden sei: „Der Deich muss unbedingt bleiben.“ Andere pflichteten ihm bei und zogen Vergleiche zu deutschen Inseln, auf denen vernünftigerweise jeder Euro in den Deichbau und den Schutz vor Hochwasser investiert werde. Günther Roggow sagte: „In unserer Landesregierung sitzen anscheinend Schildbürger. Was bei uns hält, soll kaputt gemacht werden, und was kaputt ist, wie die Schöpfwerke, kann nicht repariert werden.“
In zwei Landtagsabgeordneten hat die Initiative Unterstützerinnen. Beate Schlupp (CDU/1. Vizepräsidentin des Landtages und Leiterin des Arbeitskreises Landwirtschaft und Umwelt der Fraktion) und Mignon Schwenke (Linke/2. Vizepräsidentin des Landtages und Sprecherin der Fraktion für Umwelt, Energie und Verkehr) schilderten ihre Bemühungen, den Usedomern zu helfen. „Ich bin nicht damit einverstanden, wie hier gegen den Bürgerwillen agiert wird“, sagte Beate Schlupp in Karlshagen. Sie versprach, zu versuchen, dass die Regierung von den Plänen ablasse. „Auch wenn zurzeit wohl keine Absicht besteht, den Deich anzufassen, kann ich der Initiative nur raten, weiterzumachen“, sagte ihre Kollegin Mignon Schwenke, die das Thema am kommenden Donnerstag erneut bei Minister Till Backhaus (SPD) ansprechen will. Allerdings war es für die Insulaner ernüchternd zu erfahren, wie wenig Einfluss die Abgeordneten haben. Deren Schilderungen von Kontakten zu zuständigen Ministeriumsmitarbeitern ließen sie im Lichte unliebsamer Bittsteller erscheinen.
Der eingeladene parlamentarische Staatssekretär für Vorpommern, Patrick Dahlemann (SPD), hatte sich am Freitag aus Krankheitsgründen entschuldigen lassen. Um ans Ziel zu kommen, zieht die Initiative in Betracht, das Angebot von Ralph Weber (AfD) anzunehmen, sich für das Anliegen stark zu machen. Weber hatte gegenüber Höll Bedauern geäußert, nicht geladen worden zu sein.
Als einzige Lösung für den Hochwasserschutz im Inselnorden sieht die Initiative den Erhalt des Peenestromdeiches und den Bau des zwischen Peenemünde und Ostsee geplanten Deiches sowie deren ständige Höhenanpassungen an aktuelle Wasserverhältnisse an. Das sei neben Belangen des Trinkwasserschutzes und Altlastengefahren mit dem Denkmalschutz und der internationalen Bedeutung Peenemündes vereinbar, so Höll.
Angelika Gutsche