Greifswald. Die Allgemeinmedizin ist die vierte und jüngste Säule des Instituts für Community Medicine. 2011 wurde sie in Greifswald etabliert. Leiter Jean-François Chenot sieht einen der Schwerpunkte darin, Studenten für die medizinische Versorgung auf dem Land zu sensibilisieren. „Wenn wir die Gesundheit der Bevölkerung verbessern wollen, brauchen wir mehr Hausärzte“, ist Chenot überzeugt. Denn die erfolgreiche Behandlung der großen Mehrheit der Patienten findet außerhalb der Krankenhäuser statt. „80 bis 90 Prozent“ der Probleme, so schätzt er, würden von Allgemeinmedizinern gelöst.
Damit seine Haltung unter Medizinstudenten mehr Akzeptanz findet, müsse er noch „viele Herzen und Hirne gewinnen“, meint der Abteilungsleiter scherzhaft. Und weil Hausärzte sich nicht in ein Spezialgebiet zurückziehen würden, sondern sich mit Krankheiten aller Art auskennen müssten, adelt er deren Job als „Königsdisziplin“. Doch Chenot und seine Kollegen kümmern sich nicht nur um den Nachwuchs. Auch Fortbildungen für niedergelassene Kollegen sind im Programm.
Die Mitarbeiter sind an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt. Auf der Internetseite werden allein zwölf aktuelle und vier abgeschlossene aufgeführt. Dabei geht es sowohl um die „Stärkung der gesundheitsbezogenen Kompetenzen von Kindern“ als auch um die vorsorgende Diagnostik bei Leistungssportlern.
Die Gesundheitsstudie erforscht Volkskrankheiten und ist in Form und Ausmaß weltweit einzigartig.
Henry Völzke hat in diesem Bereich den Hut auf. Die Resultate seines Teams sind unter anderem wissenschaftliche Argumente für die Gesundheitspolitiker der Republik, um sich gegen den Einfluss von Lobbyisten auf die Gesetzgebung zu behaupten. Die aktuell größte Herausforderung: „Das Problem der stark Übergewichtigen mit all den Folgeproblemen rollt mit immer heftigerer Wucht auf die Gesellschaft zu“, mahnt der Projektleiter. Zur Zeit wird die SHIP-Studie auch auf ausgewanderte Vorpommern in Brasilien ausgeweitet.
Ob ältere Patienten oder entwicklungsgefährdete Kinder — wenn es um neue Versorgungsstrukturen im deutschen Gesundheitssystem geht, ist das Wissen der Greifswalder Gesundheitsforscher gefragt. Ihre Forschungsdaten spielen für die Planung der Versorgung in MV eine bedeutende Rolle. Pro Jahr konnte das Institut durchschnittlich rund 2,2 Millionen Euro an Drittmitteln einwerben, mehr als 600 Artikel erschienen in internationalen Fachzeitschriften. Die Einrichtung sei für das Gesundheits- und Sozialministerium ein unverzichtbarer Partner geworden, sagte Staatssekretär Nikolaus Voss (SPD) anlässlich der Jubiläumsfeier gestern in Greifswald. Die Einrichtung gliedert sich in vier Abteilungen mit verschiedenen Schwerpunkten. Die OZ stellt sie im Einzelnen kurz vor.
Hoffmann gibt einen Einblick in seinen Fachbereich: „Unsere Forschung konzentriert sich auf die gesamte Bevölkerung und wie man sie besser versorgen kann.“ Bei der Diagnose eines Probanden würden nicht nur die Symptome einer etwaigen Erkrankung eine Rolle spielen, auch Einflüsse von Beruf und Umgebung berücksichtigen Hoffmann und seine Kollegen.
In seiner Abteilung soll künftig auch das Zentrale Klinische Krebsregister angesiedelt werden, in dem Krankheitsfälle, Therapien und deren Auswirkungen erfasst werden. Von der Datensammlung erhoffen sich die Forscher, langfristig die Qualität der Krebsbehandlung verbessern zu können.
kl