Nach vielen Jahren werden in Greifswald erstmals wieder Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein vermietet. Solche Wohnungen sind für Personen mit einem geringen Einkommen reserviert. Doch wie hoch der Bedarf an diesen Sozialwohnungen tatsächlich ist, ist unbekannt. Das kritisiert nun die Arbeitsgruppe Bezahlbarer Wohnraum unter der Leitung von Erik von Malottki (SPD).
„Wir empfehlen der Stadt, eine statistische Übersicht über den sozialen Wohnungsbau zu erstellen. Scheinbar hat das niemand richtig im Blick“, sagt von Malottki. Als „Debakel“ bezeichnet Jörg König (Forum 17.4) das fehlende Monitoring. Andreas Koch, Leiter der Wohnungswirtschaft bei der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald (WVG), treibt das ebenfalls um. „Wir müssen wissen, wie viele Wohnscheinberechtigte es gibt, damit wir nicht am Bedarf vorbeibauen.“
Eine offizielle Statistik über den sozialen Wohnungsbau gebe es nicht, informiert Thorsten Becker, Mitarbeiter des Rechtsamtes. Seiner Aussage nach hat die Stadt mehrere Förderanträge bewilligt.
Demnach sind rund 100 Sozialwohnungen geplant. „Ob diese Bauherren die Förderung auch tatsächlich bekommen und die Wohnungen gebaut werden – das kann die Stadt jedoch nicht sagen“, ergänzt Andrea Reimann, Sprecherin der städtischen Pressestelle. Einen solchen Antrag muss jeder Bauherr stellen, der für sein Projekt Fördermittel zum Sozialen Wohnungsbau von der Landesregierung haben will. Diese werden unter der Bedingung gewährt, dass für 20 Jahre eine maximale Kaltmiete von 5,50 Euro verlangt wird. 2018 stehen dafür in MV 20,6 Millionen Euro bereit, sechs Millionen mehr als im Vorjahr. Der Stadt wurden 2017 3,2 Millionen Euro Förderung bewilligt.
Nach Informationen der Stadt werden also maximal 100 Sozialwohnungen gebaut. Darunter befinden sich die 24 Wohnungen in der Einsteinstraße, die Privatinvestoren bauen und Ende August bezugsfertig sein sollen (die OZ berichtete). Ebenfalls in Schönwalde I baut die WVG 49 Sozialwohnungen, die noch in diesem Jahr bezugsfertig sein sollen. Sie befinden sich in der Gaußstraße. In der Gützkower Landstraße entstehen hinter der Shell-Tankstelle ebenfalls weitere Sozialwohnungen.
Großes Interesse an dem tatsächlichen Bedarf an Sozialwohnungen haben die beiden großen Wohnungsbaugesellschaften WVG und WGG (Wohnungsbaugenossenschaft Greifswald). Beide denken über den Bau weiterer Sozialwohnungen im neuen Wohngebiet an der Hafenstraße nach. Es müsse dringend geklärt werden, ob der Markt für Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein gesättigt sei.
Das Amt für Bürgerservice und Brandschutz hat in Greifswald in diesem Jahr bisher 30 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt, teilt Andrea Reimann mit. Den Schein bekommt für ein Jahr, wer unter einer Einkommensgrenze liegt. Bei einem Ein-Personen-Haushalt sind das beispielsweise 12000 Euro.
Streit über Mietpreisbremse
Für bezahlbare Mieten soll auch die Mietpreisbremse sorgen. Erik von Malottki hält sie für „dringend notwendig.“ Sie solle den Wohnungsmarkt entspannen und einen „unregulierten Markt mit galoppierenden Mieten“ eindämmen. Von Malottki macht sich seit langem für die Mietpreisbremse stark, die in Greifswald ab dem 1. September gesetzlich gelten soll. Die Mietpreisbremse begrenzt die Höhe bei Neuvermietungen auf zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und gilt für fünf Jahre. Obwohl sich die AG Bezahlbarer Wohnraum mehrheitlich für die Mietpreisbremse ausspricht, gibt es bis heute Skeptiker. Klaas Schäfer, kaufmännischer Vorstand der WGG, ist vom Instrument „nicht überzeugt“. Greifswald habe keinen angespannten Wohnungsmarkt. WGG und WVG würden bereits bezahlbaren Wohnraum anbieten, sagt Schäfer. Die Durchschnittsmiete bei der WGG beträgt 4,89 Euro, bei der WVG 5,12 Euro.
Insgesamt haben die beiden Unternehmen 16000 Wohnungen in ihren Beständen und damit knapp die Hälfte der 33800 Wohnungen in der Hansestadt.
Christopher Gottschalk