Spandowerhagen. Freesendorf, jener kleine Ort mit nur wenigen Häusern unweit des Seebades Lubmin direkt am Greifswalder Bodden, existiert schon seit vielen Jahren nicht mehr. Mit Beginn der Arbeiten zum Bau des einstigen Kernkraftwerkes Ende der 1960er Jahre hörte das Dorf letztendlich auf zu existieren. Eine, die sich noch ganz genau an den Ort ihrer frühesten Kindheit erinnern kann, ist Inge Schumacher (75), die heute mit Ehemann Karl Heinz in Spandowerhagen lebt. „Ich wurde 1940 geboren und lebte noch bis kurz nach Kriegsende im Mai 1945 in meinem Elternhaus, das in Freesendorf ganz dicht am Wasser stand“, blickt die Rentnerin zurück.
Dann seien russische Soldaten gekommen und hätten ihr Elternhaus in Beschlag genommen. „Unsere Familie wurde noch einige Zeit auf dem Dachboden geduldet“, berichtet sie. Wenig später musste sie das Haus ganz verlassen. Zu dieser Zeit waren nur noch zwei Häuser in Freesendorf bewohnt. Nach ihren Worten war das damals wie eine Enteignung. Die Familie zog nach Spandowerhagen, wo sie anfangs von netten Leuten aufgenommen wurde.
Als Inge Schumacher später heiratete, arbeitete sie als Hauswirtschafterin und half ihrem Mann bei der Fischerei. Heute lebt sie mit ihrem Mann Karl-Heinz im eigenen Haus. Gleich nebenan wohnt Tochter Marion. Zur Familie gehören auch noch ein erwachsener Sohn, vier Enkel und drei Urenkel.
Inges Elternhaus existiert längst nicht mehr. Viele Jahre, nachdem es plattgemacht wurde, fand Karl- Heinz Schumacher an dieser Stelle die Überreste einer Wurzel vom Wacholderbaum, auch umgangssprachlich als Knirk bezeichnet. Diese Heimatwurzel hat er mitgenommen. Sie erinnern seine Inge heute daran, wo einst ihre Wurzeln lagen.
Im Herbst vergangenen Jahres erhielt der Ort Spandowerhagen neue Straßennamen (die OZ berichtete). Und die haben einen direkten Bezug zur Vergangenheit einiger Dorfbewohner. „Früher haben wir in der Dorfstraße gewohnt, jetzt ist es die Freesendorfer Straße. Die neuen Straßennamen sind ein toller Einfall seitens der Gemeinde, so bleiben die eigene Kindheit und Identität bewahrt“, erzählt Inge Schumacher. Sie freut sich auch, dass es nunmehr auch eine Warsiner Straße gibt. Warsin war damals ein Ort nahe Spandowerhagen, der ebenfalls verlassen werden musste und heute nicht mehr existiert.
Peter Machule