Bad Doberans Bauamtsleiter Norbert Sass geht in Ruhestand

Norbert Sass steht vor dem Wirtschaftsgebäude in Bad Doberan und lässt den Blick über das Klostergelände mit saniertem Marstall, Hengstenstall und Amtshaus schweifen. „Wir sind damit zwar nicht Weltkulturerbe geworden“, sagt der 63-Jährige. „Aber die Anlage hat zumindest nationale und auch internationale Bedeutung.“ Dass sich das gesamte Areal rund um das Münster so positiv verändert hat – daran hat Sass einen entscheidenden Anteil. Als Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Umwelt hat der gebürtige Doberaner das Gesicht der Münsterstadt in den vergangenen 22 Jahren geprägt wie kaum ein Zweiter. Heute verabschiedet sich der studierte Bauingenieur in den Ruhestand. „Eine lange Zeit“, sagt Norbert Sass und erinnert sich an die Anfangsjahre seiner beruflichen Laufbahn. Nach Stationen beim Kröpeliner Baubetrieb ZBO „Einigkeit“ sowie beim früheren Landkreis Bad Doberan in den 1980ern verschlug es ihn 1990 in die Doberaner Stadtverwaltung. „Ich wurde vom damaligen Bürgermeister angesprochen, ob ich bei der Neugestaltung der Stadt mithelfen könnte – da mussten wir vieles akribisch aufarbeiten.“ Acht Jahre später kam mit Hartmut Polzin ein neuer Bürgermeister ins Amt – „ab diesem Zeitpunkt wurden klare, zukunftsorientierte Strukturen aufgebaut“, sagt Sass. „Nachdem wir uns etwas besser kennengelernt hatten, bat mich Polzin um eine Bewerbung für die Leitung des Amtes für Stadtentwicklung und Umwelt – und der Hauptausschuss hat diese Bewerbung einstimmig befürwortet.“ Auseinandersetzung mit dem Wohngebiet Kammerhof: Als eines der wichtigsten Vorhaben dieser Tage bezeichnet Sass die Auseinandersetzung mit dem damaligen Wohngebiet Kammerhof. „Hier waren Schulden von 20 Millionen D-Mark angehäuft worden – Planung und Erschließung gingen total an den Bedarfen vorbei.“ So musste im Laufe der Jahre der Bebauungsplan Nummer elf von einem Geschosswohngebiet zu einem Eigenheimgebiet mit Geschosswohnungen angepasst werden: „Das wurde angegangen und umgesetzt.“ Diese Maßnahmen hatten auch unmittelbare Auswirkungen auf den benachbarten Bebauungsplan Nummer zwölf. „Hier waren eigentlich 1400 Betten, ein Zentralgebäude mit Hotel und Schwimmbad geplant“, erklärt Sass. „Gut, dass wir uns letztlich auch in diesem Fall für eine Wohnbebauung entschieden haben.“ Mit dem parallelen Bau der sogenannten Randstraße habe man für eine Nord-Umgehung der Altstadt gesorgt: „Wenn das nicht gelungen wäre, würde sich der Verkehr auf der B 105 immer noch von der Buchenbergkreuzung über die Innenstadt bis zur Dammchaussee Richtung Heiligendamm schieben – heute kaum mehr vorstellbar.“ Noch heute spürbare Erfolge aus den Anfangsjahren: Die bestehende Randstraße sei auch Voraussetzung dafür gewesen, dass man die Klosterstraße für den Durchgangsverkehr sperren konnte, macht Sass deutlich: „Damit wurde das Klosterareal zum Sondergebiet Kultur und Tourismus – das waren alles Erfolge der Anfangsjahre.“ In diese Reihe gehört für den scheidenden Amtsleiter auch die Umgehungsstraße in Heiligendamm: „Das haben Bürgermeister und Stadtverwaltung trotz massiver Widerstände und Anzeigen wegen angeblichen Subventionsbetruges durchgesetzt – da musste man schon mutig sein.“ Apropos Heiligendamm: „Nach einer Mediation im Jahr 2015, an der ich maßgeblich beteiligt war, konnten wesentliche Probleme zwischen Stadt und Investor beseitigt werden“, betont Norbert Sass. „Danach ging es hier entscheidend voran – die Villen der Perlenkette werden nach und nach saniert, der Investor hat sich dazu bekannt, den Innenbereich zu entwickeln und die historische Substanz zu erhalten und erst danach den Außenbereich anzugehen.“ Als „riesen Erfolg“ für die Stadt Bad Doberan sieht Sass auch die geplante Erweiterung des Gewerbegebietes Eikboom. „Das ist noch mal ein Schub für die Wirtschaft – wir haben jetzt schon 25 Anfragen zu den neu geschaffenen Flächen.“ Dazu werde es ein weiteres Wohngebiet für 70 Einfamilienhäuser sowie mehrere mehrgeschossige Gebäude geben. Meilensteine: Schulkomplex, Sportplatz, Parkpalette: Weitere Meilensteine während seiner 22-jährigen Amtszeit: die Sanierung des Schulkomplexes in der Innenstadt, ein neuer Sportplatz, der Bau einer Parkpalette – zudem wurde der gesamte Innenstadtbereich aus dem Landesstraßennetz herausgenommen. „Auch die historische Dammchaussee ist inzwischen Gemeindestraße“, sagt Sass. „Dadurch kann man als Stadt viel besser gestalten.“ Das sei künftig auch mit Hilfe des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes möglich, macht der scheidende Amts-Chef deutlich: „Wir leben von unserer Historie und Kultur – es ist wichtig, dass uns unsere Gäste positiv wahrnehmen und auch wiederkommen.“ Und genau das mache ihn auch stolz, gibt Norbert Sass zu: „Ich habe 1990 eine Altstadt vorgefunden, die wie eine unscheinbare graue Maus gewirkt hat – durch das beharrliche Einwerben von Fördermitteln in Höhe von insgesamt 45 Millionen Euro freuen wir uns jetzt über ein buntes, lebendiges Zentrum.“ All diese Erfolge seien nur mit guter, zielführender Teamarbeit zu erreichen gewesen, stellt Sass klar: „Wir haben uns immer als Berater der Bürger verstanden – ich bin meinen Mitarbeitern sehr, sehr dankbar.“ Daneben sei es ihm mit Blick auf die unterschiedlichen Bürgermeister und Stadtvertretungen in der Regel gelungen, „konstruktiv und fachlich fundiert zusammenzuarbeiten – die meisten Dinge konnten umgesetzt werden, ich habe keine Luftschlösser gebaut“. Herzensprojekt Wirtschaftsgebäude wird jetzt umgesetzt: Den Marstall im Rücken, fällt Norbert Sass’ Blick auf das Wirtschaftsgebäude: „Im Grunde ist dieser Punkt als einziger noch übrig – die Umgestaltung des Klostergeländes ist sonst im Wesentlichen abgeschlossen.“ Aber auch hier soll es jetzt vorangehen: „Für 7,5 Millionen Euro wird in einem ersten Bauabschnitt der Bestand grundsaniert, dazu bekommt das Gebäude ein neues Dach.“ Für die künftige Nutzung gebe es ein funktionierendes und belastbares Konzept: „Es wird Veranstaltungen geben, gastronomische Betriebe und die Bibliothek ziehen ein, das Mühlenrad dreht sich wieder – und öffentliche Toiletten sind auch geplant.“ Lesen Sie auch: Ruine im Kloster Bad Doberan: Das passiert mit dem Wirtschaftsgebäude Suche nach Bauamtsleiter in Bad Doberan: Kritik am Bürgermeister Mit Blick auf seine Nachfolge wünsche er sich, dass es ab 1. Januar zumindest eine Entscheidung gibt, wer das Amt für Stadtentwicklung und Umwelt zunächst kommissarisch leitet, betont Norbert Sass: „Es ist unmöglich, diesen Posten ohne Leiter oder Stellvertreter zu belassen.“ In zwei Anläufen sei es bislang nicht gelungen, einen geeigneten Nachfolge-Kandidaten zu finden: „Die Person sollte in jedem Fall gute Kenntnisse im Bereich der Bauleitplanung besitzen – ansonsten kann man diese Aufgabe nur schwer bewältigen.“ Bad Doberan sei ein Mittelzentrum mit 13 000 Einwohnern: „Wir haben gegenüber den Bürgern auch eine Verantwortung.“ Abspannen – zur Ruhe kommen: Und wie geht es jetzt für ihn weiter? „Erstmal ein wenig abspannen, zur Ruhe kommen, die Spannung aus dem Körper rauslassen“, hat sich der verheiratete zweifache Familienvater vorgenommen. „Ich habe ein schönes Haus, meine Eltern leben mit uns unter einem Dach – die haben auch einen Anspruch auf Zuwendung.“ Grundsätzlich fühle er sich noch „stark genug, um nicht nur im Sessel zu sitzen und die Landschaft zu betrachten“, stellt der 63-Jährige klar. Vielmehr wolle er noch stärker seinem Hobby widmen – der handgemachten Musik. „Wenn es wieder möglich ist, plane ich auch Live-Auftritte bei der Kulturnacht oder auch im Moorbad“, blickt Norbert Sass voraus. „Und ich möchte so gern wieder reisen – vor allem zu Konzerten im In- und Ausland.“ Von Lennart Plottke