Beruf vereint Musik, Kunst, Handwerk

Das Problem mit der Frage „Was will ich mal werden?“ hatte Christine Steidler nie. Bereits im Alter von sieben Jahren begann sie damit, Geige zu spielen. Etwa sechs Jahre später musste sie mit ihrem Instrument dann das erste Mal in eine Werkstatt. „Meine Geige hat damals so ein komisches Geräusch gemacht“, erinnert sich die 38-Jährige. Der Geigenbauer bat sie darum, ein bisschen zu spielen, damit er sich anhören kann, was nicht stimmt – und war sofort begeistert. „Mensch Mädchen, du spielst so schön, du solltest Geigenbauerin werden“, sagte er damals. Und so kam es dann auch. Nach dem Abitur 1998 ging Christine Steidler nach Klingenthal ins Vogtland an die Instrumentenbauschule. Drei Jahre später hatte sie den Gesellenbrief in der Tasche, studierte vier Jahre an der Fachhochschule Markneukirchen und absolvierte ihre Meisterprüfung. „Ich habe schon immer gerne gemalt“, sagt Christine Steidler, „und bei dem Beruf kann man alles so schön verquicken, da kommen Musik, Kunst und Handwerk zusammen.“ Nach der Ausbildung zog sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern nach Kühlungsborn und arbeitete dort drei Jahre. Die Werkstatt in Bad Doberan betreibt sie nun seit acht Jahren und repariert die Geigen ihrer Kunden. Wie viele das sind, kann die Geigenbaumeisterin gar nicht genau sagen. Fest steht nur: Sie kommen von weit her angereist nach Bad Doberan, sogar von den ostfriesischen Inseln. „Bei den Reparaturen geht es meist um Verschleißteile, die Geige nutzt ab, der Steg wird krumm oder die Leimstellen gehen auf“, erklärt Christine Steidler. Das Reparieren sei eine große Herausforderung. „Wenn ich ein Problem in der Geige beheben will, greife ich gleichzeitig in das Gleichgewicht des Instruments ein“, sagt sie. Das vorherige Gespräch mit dem Kunden ist daher das Wichtigste. „Der Klang ist ja zum großen Teil subjektiv, die Kunden sagen mir daher genau, was anders klingen soll“, sagt die Geigenbaumeisterin. Einige Parameter seien aber auch objektiv und physikalisch gut messbar, wie etwa der Bass. In der Regel können die Schäden gut behoben werden. Das sei auch das oberste Ziel. „Dass man die Decke der Geige ersetzt, ist sehr selten“. Diese mache den Charme des Instruments aus, sagt die zweifache Mutter. „Das wäre so, als würde man beim Menschen den Kopf austauschen“. Selbst einen Totalschaden könne man wieder hinbekommen, betont die 38-Jährige. „Gerade repariere ich eine Geige, die heruntergefallen ist und mich in ihren Einzelteilen erreichte“, sagt sie. Man müsse allerdings überlegen, ob das Ganze dann noch wirtschaftlich sei. „Aber der ideelle Wert spielt für viele Kunden bei der Überlegung natürlich auch eine Rolle“, sagt Christine Steidler. Auch neue Geigen aus Bad Doberan gibt es, allerdings deutlich seltener. Das Holz dafür, Fichte und Bergahorn, bekommt die Instrumentenbauerin von einem speziellen Tonholzhändler, denn die Anforderungen an das Material sind hoch. „Im Holz dürfen keine Unregelmäßigkeiten vorhanden sein“, sagt die Kühlungsbornerin, „die Jahresringe dürfen nur einen Abstand von maximal ein Millimeter zueinander haben“. Auch ihre beiden Kinder sind musikalisch. Die Tochter spielt Klavier, der Sohn fängt gerade mit Cello an. „In meine Fußstapfen müssen die beiden aber nicht treten“, sagt Christine Steidler, „die sollen das machen, wozu sie Lust zu haben“. Dana Frohbös

Bad Doberan/Kühlungsborn - Beruf vereint Musik, Kunst, Handwerk