Corona-Auswirkung im Landkreis Rostock: Sportvereine verlieren Mitglieder

Der Diplom-Betriebswirtschaftler Eric Kerkow ist seit Juli vergangenen Jahres hauptamtlicher Geschäftsführer des Kreissportbundes vom Landkreis Rostock, der in Bad Doberan sein Büro hat und zu dem 211 Vereine mit insgesamt rund 25 000 Mitgliedern gehören. Trotz schwerwiegender Folgen eines Finanzskandals von 2018 und der Corona-Pandemie gibt es hier Grund zum Optimismus. OZ sprach darüber mit dem sportlichen Wahlrostocker. Sport frei! Kennen Sie den Gruß? Natürlich, ich bin 28 und habe noch gute Erinnerungen an den Schulsport – im Sport hält man zusammen. Was treiben Sie da derzeit so? Seit Jahren bin ich im Boxen aktiv – jetzt in einem Rostocker Muay-Thai-Verein. Früher spielte ich viel Fußball, doch nach drei Kreuzbandrissen und Meniskusproblemen musste ich ihn komplett an den Nagel hängen. Über den Fußball kamen Sie aber letztlich auch zum Kreissportbund? Das stimmt – und ich bin immer noch ehrenamtlich aktiv im Landesfußballverband, zum Beispiel als zentraler Ansetzer im Spielausschuss. Das heißt, ich koordiniere die Spiele im gesamten Land. Bei meinem Heimatverein SV 1950 Gransebieth, wo ich noch stellvertretender Vorsitzender bin, haben wir gerade eine Frauenfußballmannschaft gegründet. Wir bewegen dort viel. Sport ist mein Leben und durch die vielen guten Kontakte bin ich dann beim KSB gelandet und bin froh, dass ich hier noch mehr Verantwortung übernehmen kann. Finanzskandal sorgt immer noch für Probleme: Dazu gehört ja nun auch die Aufarbeitung der Folgen eines Finanzskandals, der vor zwei Jahren den KSB wegen einer „Veruntreuung von Geldern“ fast in den Ruin getrieben hat. Die Auswirkungen sind noch immer vollumfänglich. Können Sie dafür Beispiele nennen? Das größte Problem ist die finanzielle Belastung – wir haben kaum Eigenmittel. Deswegen sind wir auch darauf bedacht, dass wir zum Beispiel Partner finden, die dann die Drittmittel für die vielen Projekte stellen, die wir planen. Ein weiteres Problem ist natürlich die Image-Belastung, sowohl bei der Politik im Kreistag als auch bei den Vereinen. Welche neuen Sicherungen gibt es denn, damit jegliches Geld dort hinkommt, wo es hingehört? Wir haben die Schatzmeister, die Kassenprüfer verdoppelt – wir weisen jeden Zahlungseingang noch mal nach – wir sind da jetzt sehr intensiv in der Betreuung der Zahlen. Da war auch viel kriminelle Energie dabei, so was wird es nicht mehr geben. Das Verfahren ist auf der Zielgeraden. Mehr kann ich jetzt aber nicht sagen. Lesen Sie auch Wenig Störche in Mecklenburg: Viele Küken haben nicht überlebt Bargeshagen: Das plant Investor Jonas Holtz mit dem "Joho Resort" Pferdesport-Geschäftsführerin fürchtet um Existenzen in MV Trotz Corona konnten schon Erfolge errungen werden: Welche Änderungen hat Ihr Team, zu dem die erfahrene Ute Friesecke und neu eingestellte Julia Casper gehören, seit Juli 2020 denn noch auf den Weg gebracht? Unser großes Thema ist dabei die Dienstleistung. Denn wir sind die Dienstleister für die Vereine, ihre Interessenvertretung als Dachverband des gemeinnützig betriebenen Sports im Landkreis Rostock mit 25 000 Mitgliedern – also auch eine große politische Kraft, die in der Vergangenheit bisweilen zu kurz gekommen ist. Wir wollen die Vereinsberatung intensivieren, die Kommunikation verbessern und Partnerschaften auch mit Sponsoren und ausländischen Sportvereinigungen, insbesondere aus Skandinavien, entwickeln. Trotz Corona haben wir da schon Erfolge erzielen können. Werden Sie bitte ein bisschen konkreter. Wir beraten momentan viel online. Anfang Februar wird es die nächste Videokonferenz in Zusammenarbeit mit dem LSB zum Thema „Corona-Vereinshilfen in MV“ geben. Auch unser Auftritt in den sozialen Medien ist komplett neu. Wir waren zudem umfangreich bei den Vereinen unterwegs und besprachen erste Projekte, riefen eine Sportstättenförderung ins Leben. Ich bin darauf bedacht, dass die Vereine uns wieder auf dem Schirm haben. Kurz vor Weihnachten konnten wir an alle Vorsitzenden der 211 Vereine Ehrenamtskarten verteilen. Für Februar ist eine Schulung zur Ausbildung lizensierter Trainer geplant. Gemeinsam mit Julia Casper, die Vereinsberaterin für die Sportjugend ist, haben wir neue Beratungsstrukturen geschaffen: Wir müssen viel in die Vereine, in die ländlichen Regionen! Was passiert dort aktuell durch die Corona-Einschränkungen? Es gibt erste Informationen, dass Vereine unter Mitgliederschwund zu leiden haben, weil die Mitgliedergebühren nicht mehr zahlbar sind. Wir haben zwar die Corona-Vereinshilfen, doch die greifen erst, wenn ein Verein nicht mehr liquide ist. Erst müssen alle Gelder aufgebraucht werden, aber die Mitglieder sind dann schon weg. Hat da der Betriebswirtschaftler in Ihnen eine Idee? Ich möchte für eine einfache finanzielle Vereinssportförderung werben, wo vor allem das Ehrenamt entlastet wird. Insbesondere die Förderung in unserem Kreis ist sehr bürokratisch und überfordert Ehrenamtler. Wir müssen generell in der Gesellschaft mal drauf schauen, wie wichtig das Ehrenamt ist. Ohne das Ehrenamt verlieren wir den ländlichen Raum! Deshalb werbe ich bei der Politik dafür, darüber nachzudenken, wie wir die vielen mit und ohne Lizenz tätigen Übungsleiter und Trainer besser ausbilden und fördern können – und da denke ich auch an Rentenpunkte, Steuererleichterungen, vielleicht auch ein Grundeinkommen. Wir haben im Kreis allein 533 lizensierte Trainerinnen und Trainer. Laut Deutschem Sportbund beträgt die monatliche Arbeitsbelastung eines Ehrenamtlers 16,2 Stunden. Rechnet man die 194,4 Stunden jährlich mit einem Durchschnittsstundenlohn von 17, 66 Euro (wie 2019 in MV) hoch, dann reden wir über eine direkte Wertschöpfung von 1,8 Millionen Euro allein bei uns im Landkreis – ohne indirekte Effekte, wie die Senkung der Kriminalität oder der Bildungsgewinn. Aber Ehrenamt heißt ja eigentlich schon immer unentgeltlich. Wir brauchen aber gute Rahmenbedingungen für das Ehrenamt im Sport. Ich rede davon, dass wir Trainerausbildung bezuschussen, eine gewisse Entschädigung bieten, auch für die Fahrtkosten. Gemeinsam mit der Politik im Kreis arbeiten wir gerade an einer Förderrichtlinie für den Breitensport. Ist für Ihre Arbeit die Entfernung Bad Doberan - Güstrow ein Problem? Momentan noch – aber wenn Corona vorbei ist, wollen wir alle vierzehn Tage donnerstags beim Güstrower SC 09 einen Beratungsstützpunkt anbieten. Die Verträge sind längst geschlossen. Von Thomas Hoppe