Fisch der 1000 Würfe

Die Ostsee-Angler in Mecklenburg warten auf den Frühling. Denn derzeit beträgt die Wassertemperatur zwei Grad, das ist zu kalt für die Meerforelle. Ab sechs Grad werden die Raubfische richtig aktiv – dann stehen die Angler wieder in ihren Wathosen entlang der Küste. Meerforellen können schon mal Größen bis zu einem Meter oder länger erreichen. Aber auch wenn wie erst vor kurzem am Strand von Börgerende ein Exemplar von 75 Zentimetern gefangen wird, macht es den Angler stolz. „Die Meerforellen sind jetzt von ihren Laichplätzen in den Bächen und Flüssen im Landesinneren zurück und sind nach dieser Fastenkur sehr hungrig. Dadurch erhöhen sich für uns Angler die Fangchancen auch in Ufernähe“, erklärt Wolfgang Schoknecht vom Meeresanglerverband. Der 66-Jährige, der schon als Vierjähriger sein Interesse fürs Angeln entdeckte, empfiehlt als Lockmittel einen Blinker, der im Wasser farblich gut auffällt: „Ich nehme meistens einen kupferfarbenen Blinker oder einen mit den Farben Rot und Schwarz.“ Das Blinkern auf Meerforelle funktioniere zu dieser Jahreszeit auch vom Strand aus noch ganz gut, findet Schoknecht und ergänzt: „Bis in den Mai hinein sollte das an den meisten Stellen noch möglich sein. Danach aber macht es keinen Sinn mehr.“ Der Grund: Mit zunehmener Sonneneinstrahlung und steigenden Temperaturen wachsen die Algen und am Meeresboden breiten sich Algennester aus. „Darin bleibt der Blinker dann immer öfter hängen und die Fangerfolge bleiben aus“, erläutert Wolfgang Schoknecht. Einen speziellen Standort, wo zurzeit die meisten Meerforellen gefangen werden könnten, gebe es nicht, meint der Wittenbecker. Der gesamte Küstenabschnitt von der Stolteraa bei Warnemünde bis nach Rerik eigne sich zum Meeresangeln. Dazu gehörten auch die Seebrücken in den Ostseebädern Kühlungsborn und Rerik sowie in Heiligendamm. „Diese Plätze sind vor allem bei jenen Anglern beliebt, die nicht mehr so mobil sind und das mitunter beschwerliche Laufen am Strand scheuen.“ Aber wer von einer Seebrücke aus angeln möchte, so Schoknecht, müsse auch mit Publikum rechnen. Das mag nicht jeder Angler. Auch gelte es zu beachten, dass die Zeiten, auf denen von den Seebrücken aus geangelt werden darf, von den Kommunen eingeschränkt worden sind. Ab 1. Mai ist das Angeln tagsüber auf den meisten Seebrücken nicht gestattet. Neben der Meerforelle können Petrijünger in Mecklenburg zurzeit aber noch andere Fische aus dem Wasser holen. „Plattfische werden fast immer gefangen“, sagt Wolfgang Schoknecht und verweist noch auf eine andere Fischart: „Der mit dem Dorsch verwandte Wittling wird oft unterschätzt. Dabei ist sein Flesich sehr schmackhaft“. Allerdings rät der Angelexperte dazu, den Fang gut zu kühlen oder schnell zu verwerten, da das Fleisch sonst schnell verdirbt. Wie die Ostsee-Experten des Grevesmühlener Vereins Ortsgruppe IV berichten, ist einer der besten Plätze, um Meerforellen zu fangen, die Wohlenberger Wiek. Die langgezogene Bucht, die sich von der weißen Wiek in Boltenhagen bis zum Campingplatz Liebeslaube erstreckt, bietet mehr als fünf Kilometer Angelrevier. Zur Meerforellen-Saison stehen hier Dutzende Angler – und für alle ist genügend Platz. Weitere gute Plätze sind die Bereiche um Steinbeck (westlich von Boltenhagen) sowie das gesamte Gebiet vor der Steilküste Nordwestmecklenburgs. „Die Meerforelle ist der Fisch der 1000 Würfe“, weiß Wolfgang Klein, stellvertretender Vorsitzender des Bootsanglersportvereins Wismar-Wendorf. Um sie zu fangen, müssen Glück und die richtigen Umstände zusammenkommen. Klein harrt regelmäßig stundenlang aus, um einen dieser Ostseelachse zu fangen. In diesem Jahr ist der Petrijünger bereits elfmal mit der Rute losgezogen. Zehnmal hatte er keinen Biss. Erst beim letzten Mal hat es geklappt: Eine 50 Zentimeter große Meerforelle zappelte an Kleins Angel. „In diesem Jahr sieht es sehr schlecht aus“, bedauert der Wismarer. Das Wasser sei zu kalt für mehr Meerforellen-Fänge. Bei den derzeit zwei Grad Celsius, die die Ostsee habe, würden die Fische nicht in Küstennähe schwimmen. „Das tun sie erst, wenn das Wasser etwas wärmer ist und sie Futter finden wie Krebse und kleine Fische“, erklärt Klein. Um Meerforellen zu fangen, steigt man ihnen bis zum Bauch ins Meer entgegen. Auch die Wismarer Angler tun das unter anderem in der Wohlenberger Wiek. „Links neben dem Anleger“, verrät Klein. Aber auch bei Beckerwitz oder in der Nähe von Rerik werfe er oft die Rute nach den Fischen aus. „Als Köder benutze ich Fliege, Blinker und Küstenwobbler“, erzählt er. „Hotspots verraten wir eigentlich nicht so gern“, sagt der Rostocker Angler Horst Stark. Ein paar Tipps gibt er dennoch: „Als Hotspots würde ich Stolteraa, Rosenort Graal-Müritz und Börgerende bezeichnen.“ Hier gebe es bestimmte Wassergräben und -rinnen. „Durch Wind und Strömungen wird Nahrung aufgewirbelt und dann kommen auch die Fische.“ Es entstehe ein Kreislauf: Plankton wirbelt auf, Friedfische suchen hier nach Nahrung und dann werden auch Raubfische, wie Meerforellen, Dorsche und Plattfische angelockt. „Die Meerforelle kann an der gesamten Mecklenburger Küste aufkommen. Wir haben sehr gute Bestände“, erzählt der Experte. Die Saison würde sich bis in den Mai hineinziehen. „Aber selbst im Sommer kann man auch noch einige in Warnemünde im Fahrwasser angeln.“ Was die Meerforelle betrifft, fasziniert Horst Stark an diesem Fisch besonders der sportliche Kampf mit dem Tier. „Die sind schon ein bisschen anders als Dorsche und Plattfische – da ist die geballte Muskulatur drin.“ Sie seien schon eine besondere Herausforderung. Kerstin Schröder, Johanna Hegermann, Rolf Barkhorn

Bad Doberan - Fisch der 1000 Würfe