Girlanden zu Gold: Hinter den Kulissen von „Rumpelstilzchen“

Stroh zu Gold spinnen. Rumpelstilzchen kann das. Aber auch Steffen Münse weiß, wie es geht. Er ist Requisiteur am Volkstheater Rostock und hat das Weihnachtsmärchen ausgestattet. Dutzende Male staunte das Publikum darüber, wie dem boshaften Zwerg diese ultimative Form der Rohstoffveredlung gelang. Nun wird das Geheimnis gelüftet. Steffen Münse führt in die kleine Werkstatt der Requisiteure. Hier wird klar, nicht das Spinnrad erzeugte den Effekt, sondern der Hocker, auf dem Rumpelstilzchen saß. Keine gewöhnliche Sitzgelegenheit. Um die Müllerstochter von seinen Künsten zu überzeugen, verbrauchte Rumpelstilzchen vier Meter Goldgirlande, die er aus einer Seitenöffnung des Hockers zog, wo sie zusammengelegt war. Bei den weiteren Malen zog er zunächst ein acht Meter, dann ein zwölf Meter langes Stück heraus. Der Requisiteur klappt die Sitzfläche des Hockers hoch. Darunter sind die Girlanden, auf zwei verschiedene Spulen gewickelt, zu sehen. „Um den Effekt auf der Bühne zu verstärken, stand ich im Hintergrund und habe mit Hilfe eines Gebläses einen Goldregen erzeugt“, sagt Münse. Er öffnet einen Kunststoffbeutel, in dem hauchdünne Schnipsel goldglänzender Kunststofffolie stecken. Die Schnipsel seien derart dünn, dass sie auf der Bühne haften bleiben — und nach der Vorstellung mit Laubsauger entfernt würden. Die Girlanden dagegen werden danach in einem Wäschekorb gesammelt und kommen wieder in den Hocker zurück. Münse nimmt einen Goldschnipsel zwischen Daumen und Zeigefinger. „Wiegt praktisch nichts“, sagt er. Das mochte die Schauspieler beruhigen, auf deren Köpfe das Gold fiel. Für den Requisiteur war das eine Herausforderung. Er musste das Gebläse gezielt so einsetzen, dass der Goldregen nicht zu den heißen Scheinwerfern aufwirbelte und dort für Brandgefahr sorgte. Die Effekte, die er auf die Bühne bringt, sollen spektakulär und kostengünstig, dürfen aber nicht feuergefährlich sein. Auch in dieser Hinsicht war das Weihnachtsmärchen eine Herausforderung. Die Feuersäule, mit der sich Rumpelstilzchen „wegzaubert“, durfte eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Steffen Münse, ein ausgebildeter Pyrotechniker, weiß, wie das zu bewerkstelligen ist, und er musste es vor den Augen der Feuerwehr und Vertretern des Landesamtes für Gesundheit und Soziales unter Beweis stellen. Und das war lange vor der Adventszeit. „Zwischen sechs und acht Wochen beträgt der Vorlauf für ein neues Stück“, sagt er. Am Anfang einer Inszenierung stehen die Überlegungen von Regie und Ausstattung. Dass im Falle von „Rumpelstilzchen“ der Goldspinn-Effekt eine besondere Bedeutung hat, lässt sich leicht denken. „Über das Wie und Was wird in den Requisitenbesprechungen beraten. Hier sind meine Ideen gefragt“, so Münse. Doch es geht nicht nur um die Effekte. Alles andere, was zum Bühnenbild gehört und weniger spektakulär ist, müsse auch herbeigeschafft werden. Was der Fundus des Theaters nicht hergibt, wird unter anderem über ebay bestellt, ist zu erfahren. Gut eine Woche hatte der Rumpelstilzchen-Darsteller, Bernd Färber, Zeit, um sich als Goldspinner zu professionalisieren. Vielleicht saß im Publikum auch manch Erwachsener aus dem Rathaus, das knapp bei Kasse ist. Aber Stroh zu Gold spinnen, das geht nur im Märchen oder auf der Bühne. „Das ist nur ein Trick“, sagt Münse und macht die Klappe vom Rumpelstilzchen-Hocker zu. Hagebuttensaft als Blut 30 Euro kostet ein Liter Kunstblut etwa. Zu teuer. Am Rostocker Volkstheater wird daher eingedickter Hagebuttensaft eingesetzt. Und wenn auf der Bühne mit dem Messer gestochen wird, fließt das Blut oft aus Messern. Der meuchelnde Schauspieler betätigt am Griff eine Pumpe und aus der Klinge spritzt der rote Lebenssaft. Auch beim Essen wird gespart: Falls echtes Schlemmen keine unabdingbare dramaturgische Bedeutung hat, geht es bescheiden zu. Goldene Teller sind bestenfalls aus Messing, die Braten und Torten aus Kunststoff. Der Trick, einen Riesen riesig wirken zu lassen, besteht darin, einen ohnehin großen Darsteller mit sehr kleinen Kollegen spielen zu lassen. Deren Requisiten werden auch klein gehalten. Andreas Zecher

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