Hortplätze im Landkreis Rostock: Grüne kritisieren Vergabeverfahren

Die Vergabe von Hortplätzen im Landkreis Rostock sollte individuell geprüft werden, je nach Familiensituation und Förderbedarf des Kindes. Das fordert Bündnis 90/Die Grünen. Nach Ansicht der Partei werde das im Landkreis so nicht gehandhabt. Sie fordern eine Einzelfallprüfung. Auch der Bürgerbeauftragte Matthias Crone beschäftigt sich aufgrund von Elternbeschwerden seit längerer Zeit mit der Vergabe der Hortplätze im Landkreis und sieht Handlungsbedarf. Er hat sich an das Innenministerium als oberste Rechtsaufsichtsbehörde gewandt. Der Landkreis wehrt sich. Einzelfallprüfungen fänden statt. „Aktuell bewilligt die Kreisverwaltung nur Hortplätze, wenn die Eltern eine Erwerbstätigkeit von mindestens 20 Stunden wöchentlich für einen Ganztagsplatz beziehungsweise bis zu 20 Stunden für einen Teilzeitplatz nachweisen“, erläutert Christine Wunschik, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Landkreis Rostock. Dem widerspreche jedoch geltendes Recht. Feste Arbeitszeitregelungen sehen weder Bundes- noch Landesgesetze vor. Fahrzeiten zum Arbeitsplatz würden nicht berücksichtigt: „Der Landkreis berücksichtigt auch nicht, dass Eltern auch Fahrzeiten zum Arbeitsplatz und nach Hause haben beziehungsweise vielleicht im Schichtdienst arbeiten. Daraus ergeben sich ganz andere Zeiten und auch andere Betreuungsbedarfe für Kinder“, sagt Christine Wunschik. Sie verweist auf Matthias Crone, der sich an die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen gewandt hatte, um auf ein Problem mit der Umsetzung des Kindertagesstättenförderungsgesetzes (KiföG) durch die Kreisverwaltung aufmerksam zu machen. Aus seinem Schreiben gehe hervor, dass sich Eltern bereits seit 2016 immer wieder an ihn wenden, weil das Jugendamt die Hortbetreuung für Grundschulkinder nicht genehmige. Das bestätigt Ina Latendorf, Referentin des Bürgerbeauftragten: „Die Berichte und die Initiativen von unserer Seite gehen auf mehrfache Beschwerden verschiedener betroffener Eltern aus dem Landkreis zurück, die kritisieren, dass pauschal abgelehnt werde und eine individuelle Prüfung der Bedarfe nicht erfolge.“ Der Landkreis sei sowohl schriftlich als auch mündlich darauf hingewiesen worden, dass laut Gesetz vom individuellen Bedarf der Hortförderung bei einer Entscheidung ausgegangen werden muss. „Leider – so die vorliegenden Rückmeldungen – ist in der Verwaltungspraxis nichts geändert worden.“ Im Kindertagesförderungsgesetz ist unter Paragraf 6, Absatz 4 geregelt: „Die Hortförderung soll ein bedarfsgerechtes Angebot gewährleisten. Dabei ist den Bedürfnissen insbesondere erwerbstätiger, erwerbssuchender, in Ausbildung befindlicher oder sozial benachteiligter Eltern Rechnung zu tragen.“ Ein Anspruch auf einen Hortplatz ist im Kifög nicht festgeschrieben. Absatz 2, Paragraf 6: „Unter Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Mecklenburg-Vorpommern haben ab vollendetem erstem Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder bis zum vollendeten dritten Lebensjahr in der Kindertagespflege.“ Der Landkreis Rostock regelt in einer Satzung die Umsetzung des Kifög. In Paragraf 9, Absatz 1 heißt es: Ein Anspruch auf eine bedarfsgerechte Förderung in einer Kindertageseinrichtung besteht über den Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 KiföG M-V hinaus 1. für einen Ganztagsplatz in der Krippe, im Kindergarten oder im Hort, sofern sich die Personensorgeberechtigten mindestens 20 Stunden wöchentlich in Erwerbstätigkeit oder in Ausbildung befinden und 2. für einen Teilzeitplatz im Hort, sofern sich die Personensorgeberechtigten bis zu 20 Stunden wöchentlich in Erwerbstätigkeit oder in Ausbildung befinden, erwerbssuchend oder sozial benachteiligt sind. Absatz 4 regelt zudem: Das Jugendamt des Landkreises Rostock kann Ausnahmen insbesondere bewilligen für Kinder, deren Personensorgeberechtigte Leistungen der Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII erhalten, für Kinder mit nichtdeutscher Herkunftssprache, für Kinder, deren Eltern aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkung die Betreuung nicht gewährleisten können, für Kinder, die einen integrativen Kindergartenplatz in Anspruch nehmen. In seinem Bericht vom April 2020 hatte Matthias Crone das Thema erneut angesprochen. „Durchgängig seit 2015 beschweren sich Eltern aus dem Landkreis Rostock wegen der Ablehnung einer Förderung im Hort. Die Betroffenen waren arbeitslos, in Elternzeit oder in Teilzeit, wünschten sich aber dennoch für ihre Kinder eine Förderung im Hort. In diesen Fällen lehnte das Jugendamt unter Berufung auf die Satzung die Förderung pauschal als nicht bedarfsgerecht ab.“ Aber: Der Bedarf an Hortförderung könne sich sowohl aus dem Förderbedürfnis der Kinder als auch aus dem Bedarf der Sorgeberechtigten ergeben. Der Bürgerbeauftragte verweist in dieser Hinsicht auf das KiföG und Sozialgesetzbuch VIII. Landkreis: Anträge werden individuell geprüft und beschieden: Dass ein Austausch zur Hortbetreuung mit dem Bürgerbeauftragten stattgefunden hat, bestätigt Landkreissprecher Michael Fengler. Anträge würden auf Grundlage des KiföG, des SGB VIII und der KiföG-Satzung des Landkreises individuell geprüft und beschieden. „Zuletzt wurde dahingehend die Satzung im Jahr 2019 überarbeitet. Mit der Hinzufügung des Wortes ‚insbesondere‘ in Paragraf 9, Absatz 4 wurden größere Entscheidungsspielräume geschaffen, um den Bedürfnissen von Familien und Kindern besser entsprechen zu können“, erläutert Fengler. „Auch im Landkreis Rostock haben sozial benachteiligte Kinder Anspruch auf einen Hortplatz, gegebenenfalls in Teilzeit. Fahrzeiten der Eltern werden im Einzelfall betrachtet. Beschwerden gibt es meist in den Fällen, in denen Eltern in Elternzeit oder erwerbsunfähig sind und von der geltenden Rechtslage nicht erfasst werden. In der Regel findet dann eine Einzelfallprüfung statt.“ Auffassung bei Anspruch auf Hortplatz unterschiedlich: Einen Konflikt zwischen Bürgerbeauftragten und Landkreis gibt es bei der Rechtsauffassung zur Ausgestaltung des Betreuungsanspruchs im Hort. Diese unterscheide sich erheblich. „Die Auffassung des Bürgerbeauftragten wird hier so verstanden, dass sie einem Rechtsanspruch auf Hortbetreuung gleichkäme. Das ist nach Auffassung des Landkreises Rostock rechtlich nicht gegeben. Wir würden einen Rechtsanspruch auf Hortbetreuung jedoch ausdrücklich begrüßen. Wir haben den Bürgerbeauftragten in Gesprächen wiederholt darum gebeten, dahingehend in Schwerin ebenfalls Einfluss zu nehmen.“ An anderer Stelle habe der Landkreis Rostock auf Anregung des Bürgerbeauftragten die Verwaltungspraxis im Jugendamt bereits geändert. Nach Hinweisen aus dem Innenministerium sei die rückwirkende Bedarfsbestätigung für eine Kinderbetreuung in Kita oder Tagespflege ermöglicht worden. Die Grünen-Fraktion hat angekündigt, im Jugendhilfe- und Sozialausschuss eine Satzungsänderung zu beantragen. Lesen Sie auch Kita Abtshagen: Eltern fordern einen neuen Träger MV: Schüler haben durch Corona Schwierigkeiten bei Praktika Darum bekommt die Retschower Kita einen neuen Träger Von Anja Levien