Seniorentanz hält fit im Kopf

Es ist Donnerstag um 9.30 Uhr: Gut gelaunte Damen eilen in die Sporthalle Ost in Kühlungsborn — der Seniorentanz steht an. Auf den Hallenboden legen sie Zweige und Kastanien. „Wir dekorieren immer und bilden damit einen Mittelpunkt“, erklärt Tanzleiterin Roswitha Mehl. Meistens wird ein Tanzkreis gebildet und der braucht — in den Augen der Damen — eine schöne Mitte. Die Tanzleiterin trägt ein flottes legeres Outfit in Schwarz. Auf dem Rücken ist das Wort Seniorentanz zu lesen, darunter ein Bild eines Tanzpaares. Roswitha Mehl macht die Schritte vor — in einer Hand hält sie die Fernbedienung für die Musik. Die kommt vom Computer: Antiquiert sind nur die Vorstellungen der Außenstehenden, wie Seniorentanz auszusehen hat. Beim „ST Erlebnistanz“ — so lautet die genaue Bezeichnung — wird Modernes, Schlager, Volksmusikalisches und Klassik getanzt. Ungewöhnlich sind Roswitha Mehls Vorgaben: Sternfassung, wiegen, twirlen, Kiekbuschfassung und Partnerwechsel. Viele verschiedene Tanzschritte — da wird neben dem Körper auch der Kopf trainiert — es wird quasi gegen das Vergessen angetanzt. Denn: Die Schritte wollen gelernt und einstudiert sein. „Ich habe immer gesagt, niemals gehe ich zum Seniorentanz. Aber nun bereitet er mir so viel Freude“, sagt Karin Stoy. „Ich bin erst seit Mai dabei, habe die Gruppe auf dem Schippermützenfest 2014 erlebt und wusste, das will ich auch machen“, meint Elke Witt — der jüngste Zugang der Tanzgruppe. Roswitha Mehl wird von den Teilnehmerinnen als „Naturtalent“ und „Vorbildfrau“ bezeichnet. „Mit Beginn der Rente wollte ich mich mehr engagieren“, sagt sie selbst. „Nach der ersten Tanzstunde war ich sozusagen infiziert.“ Sie betont: „Wir finden hier super Bedingungen vor. Der SV Empor Kühlungsborn unterstützt uns mit der Halle und ganz doll auch der Hausmeister und die Stadt.“ In der Halle, die von den drei Tanzgruppen Kühlungsborns mit bis zu 29 Teilnehmern bis ins Alter von 89 Jahren jeweils dienstags, mittwochs und donnerstags in Anspruch genommen wird, ging es in den vergangenen Wochen besonders heiß her. Die Senioren probten für einen besonderen Auftritt: „Wir feiern 20 Jahren Seniorentanz in MV an diesem Sonnabend in der Rostocker Stadthalle“, sagt Roswitha Mehl. 1000 Tänzer — davon rund 50 aus Kühlungsborn — werden erwartet. Roswitha Mehl übernahm vor zehn Jahren und nach umfangreicher Ausbildung, die sie selbst bezahlte, die Leitung in Kühlungsborn. Jetzt freut sich die 73-Jährige, dass es mit Waltraud Sädtler bald eine zweite Tanzleiterin im Ostseebad gibt. „Sie ist wie ein Engel, den der Himmel schickte. Wir brauchen Leiterinnen“, sagt Roswitha Mehl. Waltraud Sädtler, die insgesamt drei Lehrgänge besuchen muss, betont: „Tanzen ist mein Leben, das war schon immer so.“ Nur zwei Männer gibt es in der Donnerstags-Gruppe. „Bewegung ist für uns sehr wichtig. Tanzen bringt auch Spaß und stärkt die Gesundheit“, erzählt Joachim Lünser, der mit seiner Frau Renate seit sieben Jahren dabei ist. Heinz Sembritzki hält mit 81 Jahren immer noch locker mit: „Es tut mir einfach gut. Frau Mehl macht das auch hervorragend.“ Zwei Stunden tanzen sich die Damen und Herren durch die Welt der Musik. Am Ende scheint niemand erschöpft, vielmehr wirken alle fröhlich und glücklich. 1600 Senioren-Tänzer in Mecklenburg-Vorpommern 1600 Senioren-Tänzer gibt es im Landesverband Mecklenburg Vorpommern. 100 Senioren-Tanzgruppen sind in Mecklenburg-Vorpommern organisiert. 3 Arbeitskreise gehören zum Landesverband. Dazu kommt ein spezieller Arbeitskreis „Tanzen im Sitzen“. 60 Tanzleiterinnen engagieren sich im Land und 174 Senioren-Tanz-Mitglieder aus MV gehören dem Bundesverband Seniorentanz an. Sabine Hügelland

Kühlungsborn - Seniorentanz hält fit im Kopf