Millionen-Geschäft mit Naturschutz?

Die Hansestadt will die Natur schützen – und damit gleichzeitig richtig Geld verdienen: Umweltsenator Holger Matthäus (Grüne) möchte das sogenannte „Öko-Konto“ Rostocks kräftig ausbauen. Aus Flächen der Stadt, die bisher als Wiesen oder Äcker an Landwirte verpachtet sind, sollen in den kommenden Jahren im großen Stil geschützte Gebiete entstehen – als Ausgleichsmaßnahmen für große Bauprojekte in der Stadt. „Diese Gebiete wollen wir primär für eigene Vorhaben nutzen, aber wir könnten sie auch privaten Bauherren anbieten und Geld verdienen“, so Matthäus. Wer abholzt, muss zahlen: Das Prinzip der Öko-Konten erinnert ein wenig an den Ablass- Handel im Mittelalter: Damals konnten sich „böse Menschen“ gegen Spenden an die Kirche von ihren Sünden freikaufen. Bei den Öko-Konten funktioniert das ganz ähnlich: Wenn für große Bauvorhaben Bäume gefällt oder ganze Landschaften geopfert werden müssen, schreiben sowohl das Bau- als auch das Naturschutzgesetz Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahmen vor. „Doch oft haben Bauherren oder Investoren keine Möglichkeit, solche Maßnahmen umzusetzen. Sie müssen sich dann von der Pflicht freikaufen“, sagt der Umweltsenator. Und genau dafür sind die Öko-Konten da: „Ein Dritter stellt Flächen bereit, die geschützt und im Sinne des Naturschutzes renaturiert werden. Dafür bekommt er eine bestimmte Anzahl an Öko-Punkten. Und diese wiederum kann er an Investoren verkaufen.“ Stadt hat bereits ein eigenes Konto Drei vom Land anerkannte Öko- Konten gibt es in Rostock bereits: Im Bereich Lichtenhagen hat zum Beispiel das Rathaus selbst in den vergangenen Jahren Flächen – insgesamt fast 24 Hektar – aufgekauft. „Zwischen Elmenhorster Weg und Lichtenhäger Weg verläuft der Dragungsgraben. Dieser alte Bach wird auf Kosten der Stadt renaturiert“, sagt Matthäus. Das Gebiet darf dann dauerhaft nicht mehr bebaut oder verändert werden. Auf dieses Konto hat nur die Stadt selbst Zugriff: „Wir gehen an dieser Stelle finanziell in Vorleistung für Projekte in der Zukunft. Wir brauchen die Öko-Punkte für eigene Vorhaben – wenn wir für neue Baugebiete zum Beispiel Ausgleichsmaßnahmen umsetzen müssen“, so der Senator. Dieses Konto sei allerdings nur für einige Ausgleichsmaßnahmen zulässig: „Für den Bau des Schaudepots an der Kunsthalle beispielsweise mussten auch Bäume gefällt werden, fast 1500 Quadratmeter Park-Fläche wurden versiegelt. Für diese Maßnahme mussten wir jedoch auf ein fremdes Öko-Konto zurückgreifen.“ Für den Bau des Depots wird nun eine Fläche in Neubukow genutzt. Nur eines der drei Öko-Konten in der Hansestadt ist zudem frei verfügbar für Investoren: „Rostock Port gibt Geld für den Landschaftsschutz rund um den Laakkanal und im Diedrichshäger Moor aus. Diese Öko-Punkte benötigt der Hafen für seine Bauvorhaben. Nur bei Nienhagen gibt es freie Flächen für Private“, so Matthäus. Umweltschutz als Einnahmequelle? Um den wachsenden Bedarf auch von privaten Investoren zu decken, will Matthäus nun neue Öko-Konten schaffen: „Der Hansestadt gehören fast 1000 Hektar an Wiesen und weitere 1800 Hektar Ackerland, die verpachtet sind. Wir wollen uns diese Flächen jetzt genauer ansehen.“ Das Amt will prüfen, welche Areale konkret geeignet sind, um dort Renaturierungs- und Schutzmaßnahmen umzusetzen – und welche vom Land für Öko- Konten anerkannt werden könnten. Das Beispiel „Schaudepot“ habe gezeigt, dass auch die Stadt Bedarf habe: „Wir haben genug eigene Flächen, wollen uns nicht bei Dritten einkaufen.“ Im Gegenteil: „Wir wollen unsere Konten auch für Private zur Verfügung stellen. Der Investor muss uns dafür aber bezahlen.“ Der Stadt winkt ein Millionen-Geschäft: Denn landesweit sind Öko-Punkte knapp: 116 freie Konten gibt es landesweit, mit zusammen weniger als 2000 Hektar. 153 anerkannte Öko-Konten gibt es insgesamt in MV – allerdings nur drei davon auf dem Gebiet der Hansestadt Rostock. 24 Hektar umfasst das stadteigene Öko-Konto im Bereich Lichtenhagen. Dort werden alte Bachläufe renaturiert und dauerhaft geschützt. 1 Öko-Konto in der Stadt ist frei für Investoren verfügbar. Es handelt sich um eine Fläche der Landgesellschaft MV bei Nienhagen. Im Landkreis gibt es 38 freie Konten. Andreas Meyer

Rostock - Millionen-Geschäft mit Naturschutz?