Mit dem Landleben auf Du und Du

Von der einstigen Domäne gibt es nicht mehr viel zu sehen – Rabenhorst mit seinen 210 Einwohnern ist ein gemütliches und hübsches Dorf geworden. Junge Leute zieht es dorthin, nur wenige Alteingesessene gibt es noch. Zu ihnen gehören Christine und Peter Nimtz. „Ich wohne mit meiner Frau in meinem Elternhaus“, sagt der 71-Jährige. „Mit der Bodenreform erhielten auch wir Land, sodass es 25 Kleinbauern gab – heute gibt es keinen mehr“, sagt Nimtz. Man sei durch das arbeitsintensive Grundstück allerdings auch Knecht – dennoch möchte es der Rabenhorster nicht missen. „Wir bauten auch Lebensmittel an und lebten damals nach dem Motto ,Dies für Das’. Lebensmittel tauschten wir gegen Baumaterialien und anderes ein. Was eben gebraucht wurde.“ Jeden Dienstag stellt die OSTSEE-ZEITUNG Bad Doberan in der Serie ein Dorf aus der Region vor. Wir erzählen Geschichten über Menschen, die dort leben, über Veränderungen, über die Sorgen der Einwohner oder wie es zur Gründung kam. Heute: Rabenhorst. Im ehemaligen Fohlenstall der Domäne zogen vier der Kleinbauern ein und hielten dort auch Tiere, wie das so üblich war. Später wurde der Stall für anderes genutzt, bis er nur noch leerstand. „Mit etwa 50 mal 60 Metern war das ein sehr großer Komplex“, erklärt Peter Nimtz. Zur Domäne gehörte auch ein Gutshaus, das nach der Wende abgerissen wurde, wie auch der Stall. Fotos vom Fohlenstall-Abriss haben die beiden noch im Haus hängen: „Unser Teil blieb stehen, er war privat und gehörte nicht zur Domäne.“ Denn sein jetziges Wohnhaus war einst ein Nebengebäude des Stalls. Dort lebt Peter Nimtz mit seiner Christine, die er 1970 ehelichte und mit der er heute noch sehr glücklich ist. Sie, eine gelernte Kinderpflegerin aus dem nahen Bargeshagen, er Agrotechniker. Das Paar hat zwei Kinder und zwei Enkel. Christine Nimtz arbeitete im Säuglingsheim in Bad Doberan. Später war die heute 68-Jährige in der Kinderkrippe der Gemeinde tätig, nach der Wende in der Altenpflege in Rostock. Wie viele, die einen großen Garten hatten, verkauften die Nimtz’ überschüssige Ernte in Rostock: „Bis ein Uhr nachts band meine Frau Blumen. Um vier standen wir auf und fuhren zum Ulmenmarkt, um sie zu verkaufen.“ Käufer gab es reichlich, sie warteten schon auf die begehrte Ware. Peter Nimtz arbeitete anfangs noch als Traktorist im Dorf, bis er Soldat wurde. Mitte der 1970er wechselte er in die Färsenzucht Rethwisch, weil er dort gebraucht wurde. „Die Verwaltung der LPG in Doberan mit Trockenwerk, Schälküche und anderem nannten die meisten nur Kreml“, sagt er und schmunzelt. Nach der Wende fand Nimtz im Kuhstall beim Bauern Meyer in Rethwisch Arbeit und blieb dort bis zur Rente: „750 Geburten hatten wir im Frühling, 250 im Herbst. Das zu überwachen war mein Job.“ Rabenhorst liegt zwischen Feldern und Wiesen. Vielen war das zu abgelegen, und so zogen in den 1970er und 1980er Jahren einige Jüngere weg – denn die meisten Einwohner besaßen kein Auto. Nur wenige Pkw gab es, und man kannte sich. „Wenn dann ein bestimmtes Auto kam, wussten wir: Ach, jetzt ist es halb vier, er hat Feierabend“, erinnert sich Peter Nimtz. „Das Kopfsteinpflaster unserer Dorfstraße war wegen der schweren Landmaschinen rund gefahren. So musste jeder Pkw schräg fahren, um nicht aufzuliegen.“ Das Leben in Rabenhorst hat sich seit Ende der DDR stark verändert. „Viele neue Leute zogen her. Mit den wenigsten hat man Kontakt“, sagt Peter Nimtz. „Das Dorfleben ist leider ausgestorben – mit unseren Nachbarn verstehen wir uns aber gut. Das ist ein Glück.“ Nichts tun kann er nicht, sagt Peter Nimtz: „Wir haben uns eine Holzheizung angeschafft, so muss ich Holz hacken.“ Seine Tiere wie Hühner, Gänse, Enten und Kaninchen brauchen Zuwendung – sie haben viel Auslauf und sogar einen Teich. Und am Jahresende freut sich schon mal der eine oder andere Nachbar über einen Braten. Fragen zum Abo? ☎ 0381/38303015 Ticketservice: ☎ 0381/38303017 Fax: 0381/38303018 Redaktions-Telefon: 0 381 / 365 410, Fax: 038203 / 55316 E-Mail: bad-doberan@ostsee-zeitung.de Sie erreichen unsere Redaktion: Montag bis Freitag: 10 bis 18Uhr, Sonntag: 14 bis 18 Uhr Leiterin der Lokalredaktion: Anja Levien ☎ 038 203 / 55 300 Redakteure: Thomas Hoppe (-304), Dr. Lutz Werner (-302), Lennart Plottke (-303) Verlagsleiter der Bad Doberaner Zeitung: Mathias Pries ☎ 0381 / 365 850 Verlagshaus Bad Doberan Ostsee-Zeitung GmbH & Co. KG, Alexandrinenplatz 1a, 18209 Bad Doberan Öffnungszeiten des Service-Centers 18209 Bad Doberan, Am Markt 2 Montag bis Freitag: 10 bis 17 Uhr E-Mail: verlagshaus.bad-doberan@ostsee-zeitung.de Anzeigenannahme: 0381/38303016 MV Media: 0381/365250 Montag bis Freitag: 7 bis 20 Uhr, Sonnabend: 7 bis 13 Uhr So cool war einst das Dorf: Ein Trike, ein Actionbike mit drei Rädern, besaß Karl-Heinz Jürß. Der 71-Jährige gründete Mitte der 1990er Jahre einen Bikerclub in Rabenhorst, der zehn Jahre bestand. „Viele der ehemaligen knapp 20 Mitglieder leben nicht mehr im Ort“, sagt Jürß. Die alte Bikerstube gibt es aber noch. Dort hängen Fotos, die von der guten Zeit und den Maschinen erzählen. Der gemütlich eingerichtete Raum wird jetzt nur noch für kleine Feierlichkeiten genutzt. „Straßenfeste, Dorffeste – alles vorbei. Die neuen Anwohner suchen meist keinen Kontakt“, bedauert Karl-Heinz Jürß. Der gebürtige Bartenshäger zog damals der Liebe wegen nach Rügen. 1971 kamen er und seine Frau erst nach Stülow, dann nach Rabenhorst. „Meine Großeltern wohnten in Vorder Bollhagen“, sagt Karin Jürß. „Und sein Cousin hat meine Tante geheiratet.“ Karin und Karl-Heinz Jürß haben zwei Kinder und vier Enkel. Ihre Schwiegertochter Bettina Jürß gründete im Dorf einen Party & Cateringservice, der Schwiegersohn Torsten Hoff den Rabenhorster Bauservice. Nach der Wende entstand die Kfz-Werkstatt von Karin Jürß, die aus gesundheitlichen Gründen vor mehr als einem Jahr aufgegeben werden musste. „Aber Tüv kann noch hier gemacht werden“, lässt sie wissen.sah Wenn es Frühling wird in Rabenhorst, haben Heike und Hans-Jürgen Winetzka viel zu tun. Die beiden sammeln Kröten ein und setzen sie in einen nahe gelegenen Teich. Der Krötenzaun wird demnächst von Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde aufgestellt. „Wir bauen ihn etwa fünf Wochen später wieder ab und lagern ihn ein“, sagt Heike Winetzka. Die Wanderung der Tiere beginnt, sobald das Thermometer fünf Grad überschreitet. „Und wenn es dann noch ein wenig regnet, sind sie nicht mehr zu bremsen.“ Seit 2012 kümmert sich das Ehepaar um Erdkröten, Kammmolche, Gras- und Teichfrösche. Mehr als 800 von ihnen retten sie jedes Jahr das Leben. „Leider finden wir auch viele tote Tiere, weil Autofahrer in der Tempo-30-Zone zu schnell sind und keine Rücksicht nehmen“, sagt Heike Winetzka, die seit 33 Jahren im Umweltschutz tätig ist. Sie arbeitet beim Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt und ist dort zuständig für die Sanierung von Söllen. „Ich bin sensibilisiert für das Thema Naturschutz“, sagt sie. 2005 zog das Paar von Rostock nach Rabenhorst, weil ihnen der Ort und die Lage so gut gefielen. Sie füttern ganzjährig die Vögel und haben dadurch eine Art „Fernsehapparat“ im Garten. Von drinnen lässt sich das Geflatter in der kalten Jahreszeit gut beobachten, außerdem bietet ihr Garten einen paradiesischen Weitblick über Felder und Wiesen. „Als wir herzogen, sah ich viele tote Kröten auf der Straße. Deshalb suchte ich das Gespräch mit Herpetologen“, so Heike Winetzka. „Sie boten uns an, einen Zaun zu setzen, mit der Bedingung, dass wir uns darum kümmern.“ Die Rabenhorsterin führt seitdem Protokoll über jedes gerettete und tote Tier. „Inzwischen unterstützen uns auch einige Anwohner“, freut sich Hans-Jürgen Winetzka. „Mich zog es immer in die Natur“, sagt der 70-Jährige. Der Ingenieur für Betriebs-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik arbeitete unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter, nach der Wende vor allem als Handelsvertreter. Doch seine schönste Zeit, wie er sagt, war die als Bezirkssekretär für Umwelt und Natur in der Bezirksleitung Rostock des Kulturbundes der DDR. Seinen Schatz – 17 Hefte „Natur und Umwelt-Beiträge aus dem Bezirk Rostock“ aus den Jahren 1979 bis 1990 – wird Hans-Jürgen Winetzka demnächst der Universitätsbibliothek Rostock übergeben: „So bleibt das Wissen erhalten und ist auch für andere zugänglich.“ Wenn die Hochzeit der Amphibien beginnt, geht das Paar mehrmals am Tag zum Zaun und arbeitet dort bis zu drei Stunden, um alle Tiere wohlbehalten zu ihrem Laichplatz zu bringen. Das ist anstrengend. „Aber wir machen das ja aus Überzeugung und sind dankbar, dass wir im Dorf Unterstützung haben“, sagt Heike Winetzka.sah 1273 am 4. Oktober fand Rabenhorst erstmals urkundliche Erwähnung. 1286 erfolgte die erste urkundliche Erwähnung Bargeshagens. 1872 am 1. Juli wurde Bargeshagen mit der Domäne Rabenhorst durch die Regulierung des Landes eine Gemeinde. Ein Jahr später auch Admannshagen nebst Hof und Dorf Steinbeck. Rabenhorst ist hauptsächlich durch die Rodung niedrigen Gestrüpps entstanden, das man im Mittelalter als Horst bezeichnete. 1962 schlossen sich die Gemeinden Admannshagen und Bargeshagen zusammen. 15,68 Quadratkilometer ist die Gemeinde heute groß – zu ihr gehören die Ortsteile Admannshagen, Bargeshagen, Rabenhorst und Steinbeck. 210 Einwohner leben aktuell in Rabenhorst. „Unser Dorf hat sich so toll entwickelt“, sagt Torsten Reske. „Ich will hier nie wieder weg.“ Den Vater von Drillingen, die gerade ihren 18. Geburtstag feierten, kennen viele aus der Region als Wehrleiter der Freiwilligen Feuerwehr Admannshagen-Bargeshagen. Seit sieben Jahren hat er das Amt inne, zuvor war er jahrelang Jugendwart. Groß geworden ist Reske unweit von Rabenhorst in Bargeshagen. Seine Frau „lockte“ er aus Sachsen-Anhalt an die Küste. Das Paar baute sich ein Haus, in dem sie seit 1998 leben. Reske ist gelernter Zimmermann und arbeitet als kaufmännischer Angestellter in einer Zimmerei. Seine Antje hat eine Gesundheitspraxis in Bargeshagen. Sie ist seit 2011 selbstständige Physiotherapeutin, Kinesiologin, Fußpflegerin und Ernährungsberaterin. 22 Jahre sind die beiden glücklich verheiratet – zusammen noch sieben Jahre länger. „Wir lieben die Ruhe im Ort“, sagt Antje Reske. „Und die Ostsee – Rabenhorst liegt ja nicht weit weg.“ sah Sabine Hügelland

Rabenhorst - Mit dem Landleben auf Du und Du