„Mensch war nicht des Menschen Bruder“

Kröpeliner Vereine haben gerade vor dem Rathaus der Stadt gemeinsam mit dem Pastor und dem amtierenden Bürgermeister einen Gedenkstein an die Kröpeliner Opfer des einstigen Hexenwahns enthüllt (OZ berichtet noch). Jetzt kümmern sie sich um die szenische Umsetzung der Geschichte dazu und die Zuschauerversorgung. So bedienen hiesige Karnevalisten an Ausschank und Grill, Mühlenvereinsmitglieder gehen Backstage ihren Auftritt im Drama „Die Hexe von Kröpelin“ durch. Der legendäre Büttenredner von Kröpelin, Klaus Schulz, lässt es sich nicht nehmen, hier etwas frotzelnd nachzuhaken: „Könnt Ihr alle Eure Texte?“ Der Bürgermeister im Theaterstück von Elisabeth Cordshagen, in diesem Jahr gespielt von Horst Wendt, sammelt derweil die Unterschriften aller Mitwirkenden. Der Vorgänger in der Bürgermeisterrolle war Franz Stellmach gewesen. Er soll noch vier Wochen vor seinem Tod (am 13. Mai), dem Regisseur der 2015er Aufführung, Pastor Olaf Pleban, aus der Klinik zugerufen haben: „Ich schaffe das. Ich spiele den Bürgermeister!“ So lebensfroh und tatkräftig kannten viele Kröpeliner den Franz Stellmach und so behalten sie ihn in Erinnerung. Bei manchem schwingt das auch an diesem Abend mit. Horst Wendt ist mit seiner Unterschriftenliste bei den Kinderdarstellern Johanna, Victoria, Annalena-Maria und Tobias angelangt. Letzterer bekam von Schwesti schnell noch ein Paar neue Sandaletten mitgebracht: „Er kann doch nicht mit Neon-Schuhen beim Historiendrama mitspielen“, erklärt seine Mutti Susanne. Auch sie hat etwas dabei: Das Buch „Die Hexe von Kröpelin und andere Episoden über Hexerei und Aberglaube“ aus dem Ostseeboten-Verlag. Ihre Freundin möchte es lesen, ihre Tochter Victoria soll es auch bekommen — Heimatgeschichte interessiert viele. Mehr als 500 Leute sind wohl auch deshalb gekommen und haben es sich zwischen Rathausrückwand und Kirchenmauern bequem gemacht. Passend zur Szenerie stürzen zwei Turmfalken schreiend vom Himmel herab. Der Kröpeliner Christian Framm weiß dazu, dass die beiden bereits Vogelringe tragen. Die Greifvögel würden sich mit den Dohlen streiten, die im Kirchturm Quartier bezogen haben, nachdem sie schon vor Jahren die Falken hier vertrieben hätten, ergänzt der amtierende Bürgermeister Rüdiger Kropp. Von diesen Vögeln hat Erich Keuchel wohl noch keine Bilder, ansonsten ist der ehemalige Klempner durch sein Hobby stadtbekannt. „Ich fotografiere mit meiner kleinen Nikon und drei anderen Apparaten alles hier, selbst schöne Blüten. Ich laufe seit siebzehn Jahren, seitdem ich Rentner bin, jeden Tag meine Tour — morgens und nachmittags“, sagt der Mann, der am gestrigen Donnerstag seinen 77. Geburtstag feiern konnte. Er geht zu dem Platz, den er sich schon am Nachmittag ausgeguckt haben will: „Zwischen den Pfeilern der Kirche da, stelle ich mich hin und kann so einen schönen Videofilm vom Hexendrama drehen. Der ist aber nur für privat“, erklärt Erich Keuchel und erinnert sich an die Premiere des Hexen-Spektakels vom Juli 1999: „Da hatten meine Enkelkinder auf dem Markt noch mitgespielt. Bloß es war auch einen Bierkiosk aufgestellt worden, wo es immer lauter wurde...“ An diesem Mittwochabend herrscht dagegen Ruhe während der Vorstellung. Thomas Batke und Andreas Wendt haben mit Bauzäunen und Trauersamt eine ansehnliche Bühne hinters Rathaus gebaut, mit Mobilar für das Gericht und den Stadtschreiber (Guido Winkler), nebst Käfig für die angeklagte Koeneke Latsch (Ilka Richter). Sie wird bewacht von den Landsknechten Sieglinde Stübs und Thomas Wendt nachdem sie vor allem von Bertrams Weib (Verena Nieschalk), Margarete Helmstorf (Gundula Schwarck), der Plückhahnschen (Rosemarie Lübs) und Witwe Eitzing (Irmtraud Becker) als Hexe angeschwärzt worden war. Immer wieder gibt es Szenenapplaus. Besondere Spannung herrscht jedoch, als Bürgermeister, Stadtvogt (Hans Schütze) und Pastor Ehren Höfisch (Peter Schmidt) vor ihrem Todesurteil die Zeugen anhören, den Angstmann (Jürgen Steinbrecher) auf Koeneke Latsch loslassen, die auch von ihrem Mann Jochen (Heiko Käker) nicht gerettet wird. Alle blicken an diesem Abend in eine Zeit zurück, als der Mensch nicht des Menschen Bruder war, wie die Nachtwächter (gespielt von Werner Auls, Lothar Theissen, Eberhard Wieck und Ralf Zitterbart) eindringlich verkünden: „Nannte Aas ihn gar und Luder. Säte Hass ,Missgunst und Neid; wahrlich eine böse Zeit.“ Gemeint waren 1666 — Koenekes Todesjahr — und Jahrhunderte davor. Regisseur Olaf Pleban dankt unter starkem Beifall und vielen zustimmenden Rufen des Publikums allen Darstellern, der Souffleuse Elke Peters, dem Ton-Chef Thomas Lehner und seiner Frau Rosita für die Arbeit mit den Kindern. Olaf Pleban sagt zu seiner Truppe: „Es war toll. Es könnte künftig auch andere Spielorte geben, als hinter unserem Rathaus. Es wäre also schön, wenn wir ein bisschen zusammenbleiben könnten.“ Thomas Hoppe

Kröpelin - „Mensch war nicht des Menschen Bruder“