Nienhagen: Größte Pyramide Mecklenburgs dreht sich im Garten

Neun musizierende Engel drehen sich seit November im Ostseebad Nienhagen. Sie sind Teil der 2,85 Meter großen Weihnachtspyramide von Kerstin und Gert Mehlhorn. Ursprünglich sollte diese im thüringischen Vogtland stehen, doch stattdessen fand sie jetzt ihren Platz im Ostseebad Nienhagen. Mit dem Gedanken, eine große Pyramide im Ehbrauk aufzustellen, erstaunt der gebürtige Sachse Gert Mehlhorn seine Nachbarn bei einem gemütlichen Beisammensein im Januar: „Bei Glühwein und Bratwurst schmiedeten wir Pläne für dieses Jahr. Auf der Suche nach originellen Vorhaben bin ich dann mit einer Idee herausgekommen, die ich schon lange im Kopf habe.“ Lang gehegter Wunsch geht in Erfüllung: Ungewöhnlich ist das schon, was der gebürtige Sachse und lange Zeit im thüringischen Vogtland Lebende den staunenden Nachbarn da vorstellt. Zumindest für unsere Breiten. „Meine Frau Kerstin, die aus Thüringen stammt, und ich hatten schon lange den Wunsch, uns eine große Weihnachtspyramide vors Haus zu stellen. Im Vogtland ist es nicht mehr dazu gekommen, weil wir vor zwei Jahren unseren Lebensmittelpunkt nach Nienhagen verlegten. Doch an diesem Gedanken haben wir festgehalten“, sagt Mehlhorn, dem die Ostseeküste nicht fremd ist. Bei der Deutschen Seereederei erlernte er hier Ende der 1970er Jahre den Beruf eines Vollmatrosen. Später sattelte er um, wurde Tischler und erwarb danach den Abschluss als Diplomingenieur für Möbel- und Bauelemente. Heute leitet er die eigene Ladenbaufirma GMProjekt. Das sind auch beste Voraussetzungen für den Bau einer schmucken Weihnachtspyramide. Engel und Bergleute typisch für Pyramide aus Erzgebirge: „Die Nachbarn waren begeistert von der Idee, obwohl sich mancher eine typisch erzgebirgische Pyramide in Nienhagen nur schwer vorstellen konnte“, sagt Kerstin Mehlhorn lächelnd. Das hält den einen oder anderen von ihnen jedoch nicht davon ab, dem Pyramidenschöpfer seine Hilfe zuzusagen. „Auf jeden Fall waren alle gespannt darauf, was aus dem Projekt werden würde“, meint Gert Mehlhorn. Dadurch angespornt, macht er sich ab März an die Arbeit. Dabei spielt ihm die Corona-Pandemie in die Karten: „Ich hatte plötzlich mehr Zeit, als gedacht.“ Erstes Ergebnis intensiven Nachdenkens: Das Bauwerk soll nicht, wie im Erzgebirge üblich, von Bergleuten und Engeln geschmückt werden. „Da der Bergbau hierzulande kaum Tradition besitzt, habe ich mich entschieden, auf Bergleute zu verzichten.“ Die Engel dagegen – schließlich überall ein Symbol für die Weihnacht – sollten sich unbedingt auf seiner Pyramide wiederfinden. Seine Entwürfe bringt Mehlhorn aufs Papier, anschließend nehmen sie dreidimensional am Computer Gestalt an: „Ich habe eine 2,85 Meter hohe Pyramide mit neun musizierenden Engeln entwickelt, von denen fünf auf einer Treppe nach unten schreiten. Auf dem Sockel steht ein Dirigent mit drei der himmlischen Wesen, die vom Notenblatt ,Stille Nacht, heilige Nacht‘ singen.“ Die Unterlagen für die Rohteile schickt Gert Mehlhorn an die Tischlerei Winkler im thüringischen Silberfeld bei Zeulenroda. Als die Einzelstücke fertig sind, finden sie zunächst Platz in einer Roggentiner Halle, die zur Ladenbaufirma von Tochter Antje Mehlhorn gehört. Dort angepasst und vormontiert, sind die Konturen der aus Lindenholz gefertigten Pyramide nun deutlich erkennbar. Ein Elektromotor soll das Schmuckstück um die eigene Achse bewegen. Der Konstrukteur vergibt deshalb den Auftrag für die gesamte Antriebseinheit an Andre‘ Oschatz in Pöllwitz in der Nähe von Zeulenroda. Instrumententeile aus Kupferblech: Die Nabe für die gut zwei Meter großen Metallflügel, Teile der vier Kerzen und nicht zuletzt die neun Engel, dreht Gert Mehlhorn selbst. Besondere Liebe lässt er den Himmelsboten angedeihen: „Da jeder der 56 Zentimeter großen Engel ein Instrument in der Hand hält, musste ich ihre Arme entsprechend individuell gestalten. Auch die Fertigung von Posaunen, Flöten, Triangel und Dirigentenstab war nicht so einfach.“ Aus Kupferblech formt er die Instrumententeile, die er zuvor über glühender Holzkohle biegsam macht. Nach der Fertigstellung der Engelfiguren gab ihnen Mehlhorn ein farbliches Kleid und ein liebliches Antlitz. Lesen Sie auch: Nienhagen: Strandversorgung an Promenade und Kita-Erweiterung geplant Im November ist die prächtige Pyramide fertig. Mit tatkräftiger Unterstützung ihres Nachbarn Dieter Rau konnte sie nun aufgestellt werden. Selbst ihr Schöpfer zeigt sich von ihrer Schönheit beeindruckt: „Es war schon ein besonderer Moment, als sie sich einen Tag vor dem 1. Advent zum ersten Mal drehte.“ Die Freude darüber hätten die Mehlhorns gerne mit vielen geteilt: „Wir wollten ja unsere Pyramide vor größerem Publikum und in feierlichem Rahmen anschieben. So nennt man es im Erzgebirge, wenn sie in Bewegung gesetzt wird. Doch in der jetzigen Situation mussten wir uns damit begnügen, dass es bei Zaungästen blieb.“ Doch im kommenden Jahr, da sind sie sich sicher, wird es anders. Dann soll die vermutlich zurzeit größte Pyramide Mecklenburgs erzgebirgischem Ursprungs im festlichen Rahmen angeschoben werden. Doch schon jetzt freut sich das Ehepaar, wenn Kinder und Erwachsene staunend und bewundernd vor ihrer im Kerzenlicht erstrahlenden Pyramide stehenbleiben. Von Werner Geske