Aufstand gegen Atommüll-Pläne

Was Volker Goebel auf seiner Internet- Seite präsentiert — auf den ersten Blick wirkt das alles fundiert: Fast zehn Jahre hat der Ingenieur, der in Basel und Schwerin lebt, an den Plänen für ein Atommüll-Endlager zwischen Kröpelin und Steffenshagen gearbeitet. Nun präsentiert er detaillierte Zeichnungen der Gesteinsschichten im Erdreich, erste Ansichten des möglichen Geothermie-Kraftwerks und zeigt, wo genau er 18000 Tonnen radioaktiven Abfalls versenken will. Bund und Land betonen zwar, dass sie keinerlei Absicht haben, diese Pläne auch umzusetzen. Doch in der Region wächst die Angst, dass Goebel „schlafende Hunde“ geweckt haben könnte. „Monatelang kämpfen wir an der Küste gegen Windräder im Meer — und nun kommt einer, der will sogar Atommüll bei uns entsorgen“, sagt Kröpelins Stadtpräsident Veikko Hackendahl (CDU) ungläubig und schockiert zugleich. Seine Sorge: Goebels Pläne mögen abenteuerlich klingen, doch an den Fakten komme die Politik nicht vorbei. Denn die Hunderte Meter dicken Steinsalz-Schichten unter der Region gibt es wirklich. Das bestätigt das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie in einem Schreiben an den Planer (liegt der OZ vor): Von „Salzkissen“ mit einer „Mächtigkeit“ von 1300 Metern bei Bad Doberan und sogar 1600 Metern bei Kröpelin schreiben die Fachleute — Wasser auf die Mühlen von Goebel, der die Kosten für den Bau des Endlagers auf bis zu 2,1 Milliarden Euro beziffert. Im Landratsamt in Güstrow sind die Planungen des Ingenieurs ebenfalls bekannt: „Wir sind damit aber nicht befasst“, sagt Vize-Landrat Wolfgang Kraatz (SPD). Als Bürger des Landkreises habe er seine ganz eigene Meinung zu den Plänen: „Ich finde das unmöglich.“ Ähnlich äußert sich der Landestourismusverband: „Wir kommentieren das nicht, halten aber gar nichts von den Ideen für ein Endlager“, so Vize-Geschäftsführer Tobias Woitendorf. „Das sind die Ideen eines Ingenieurs, die von der Politik bislang nicht gehört und bearbeitet werden. Noch müssen wir uns wohl keine Sorgen machen. Aber wir werden das sehr sorgfältig beobachten. Die Natur lassen wir uns nicht kaputt machen“, erklärt Georg Endmann (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Steffenshagen. Bis an deren Rand plant der Schweizer das Endlager. „Wir haben uns erfolgreich gegen die klimafreundlichen Offshore-Anlagen gewehrt, weil sie nicht zum Tourismus, unserem Hauptwirtschaftszweig, passen. Wenn diese Überlegungen weiter verfolgt werden, war das nur die Probe von Widerstand. Dann geht es richtig los“, so Anett Bierholz, die Geschäftsführerin des Verbandes Mecklenburgischer Ostseebäder (VMO). „Mir ist es kalt über den Rücken heruntergelaufen und ich habe Gänsehaut bekommen, als ich diese Nachricht gehört habe. Wir werben sehr erfolgreich mit unserer gepflegten Kultur- und der weitgehend intakten Naturlandschaft. Ein atomares Endlager an unserer Küste — das geht gar nicht“, sagt Thomas Peruzzo, Direktor des Grand Hotels Heiligendamm. „Ich war schon fassungslos, als die Pläne für die gigantischen Offshore-Windparks bekannt wurden. Zu der absurden Idee, bei uns ein atomares Endlager bauen zu wollen, fällt mir nichts mehr ein. Außer: Dann können wir hier alles abreißen, was wir in den vergangenen 25 Jahren aufgebaut haben“, erklärt Rainer Karl (parteilos), der Bürgermeister des Ostseebades Kühlungsborn. Ulrich Langer, Touristik-Chef in Kühlungsborn, war „zunächst fassungslos, sprachlos“, als er davon erfuhr. Allein schon die Idee, an der hiesigen Küste ein Endlager zu errichten, sei absurd. Langer fragt — trotz aller gegenteiligen Beteuerungen: „Hat unsere Politik da schon die Finger drin?“ Lutz Werner und Andreas Meyer

Steffenshagen/Kröpelin - Aufstand gegen Atommüll-Pläne