Rerik: Neue Quartiere für Fledermäuse eingerichtet

„Für sie ist jetzt Reisezeit“, erklärt Dr. Andreas Schwienhorst und meint zudem augenzwinkernd, dass sich diese flugfreudigen Wesen also herzlich wenig um die aktuellen Corona-Maßnahmen scheren würden. Im Moment wechselten sie eben aus ihren Winterunterkünften im Süden, in die Sommerquartiere im Norden und Nordosten. Und der Vorsitzende der Ortsgruppe Salzhaff-Rerik vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) berichtet weiter von einem Exemplar, das im Gegenzug nach dem Sommer 2017 nachweislich sogar aus der Uckermark in einen südfranzösischen Weinkeller übersiedelte. Die Rede ist von Abendseglern sowie von Zweifarb- und Rauhautfledermäusen, deren Reiseroute auch durch die Salzhaffregion führe, wie Untersuchungen von BUND-Mitglied Patrick Folkersma ergaben. Der Wahlmecklenburger bestätigt das der OZ. Er hatte in den vergangenen Jahren mit Ultraschallmessgeräten zu den Zugzeiten der Tiere großflächig Messungen angestellt. Anhand der Tonhöhe und der Art der Laute konnte er hier in der Region besonders die besagten Rauhautfledermäuse und Abendsegler nachweisen. Region am Salzhaff unwirtlich für Fledermäuse: „So attraktiv die Region am Salzhaff für naturliebende Urlauber ist, so unwirtlich ist die Gegend in den letzten Jahren für Fledermäuse geworden“, beklagt Patrick Folkersma allerdings. Durch die Eingriffe der Menschen in die Natur, wie etwa das massenhafte Fällen alter löchriger und gespaltener Bäume, das energieeffiziente Bauen sowie durch die Sanierung beziehungsweise den Abriss alter Gebäude, wären in großem Umfang Fledermausquartiere verloren gegangen. „Die Häuser werden gedämmt, die alten Kaltdächer verschwinden – alles wird hermetisch zugemacht, es entstehen keine Spalten mehr. Diese Tiere haben wir lieber nicht mehr im Haus. Somit werden ihr Verbleib, das Nahrungsangebot, aber auch ihre Wege zur Nahrung immer wieder gestört“, betont der ehrenamtliche Fledermausexperte, der von Beruf eigentlich Archäologe ist und sich mittlerweile mit der Kampfmittelräumung beschäftigt. Naturschützer bewohnt „fledermausfreundliches Haus“: Der gebürtige Niederländer kam bereits 1994 nach Deutschland, aber sein großes Interesse an den Fledermäusen, er nennt es es sogar etwas zögerlich „Liebe“, erwuchs erst um 2013 herum, als er und seine Frau Petra das Teßmannsdorfer Ferienhaus „Lierlütt“ an der Salzwiese als Zweitwohnsitz erwarben. Zwei Jahre später war das Gebäude vom Naturschutzbund Mittleres Mecklenburg als „Fledermausfreundliches Haus“ ausgezeichnet worden: „Im Sommer haben wir unterm Dach bis zu 250 Zwergfledermausweibchen, die hier ihre Jungen kriegen und großziehen. Darüber wollten wir mehr wissen und nun ja.“ Lesen Sie auch Zoo Stralsund bietet kleiner Fledermaus aus Peru eine neue Heimstatt Baugebiet „Sägewerk“ in Grevesmühlen: Deshalb geht es nicht voran Wismarer Friedhof: Naturschützer wollen Nistkästen aufhängen Auch der Teßmannsdorfer Dr. Schwienhorst verweist darauf, dass „die Tourismusschwerpunkte“ der Region vor Corona alljährlich Rekorde bei den Urlauberzahlen gefeiert hätten, gleichzeitig aber „immer mehr Übernachtsmöglichkeiten für Fledermäuse, die diese auf ihrem anstrengenden Zug über die Ostsee beziehungsweise nach Russland dringend benötigen“ verloren gegangen wären. Aus diesem Grund kümmere sich seine BUND-Ortsgruppe seit Jahren um den Bau von Fledermausquartieren, auch in ehemaligen Transformatorhäusern. Momentan würden die Aktiven in drei verschiedenen Küstenwaldbereichen 20 bis 30 Holzbetonkästen aus vorgefertigter und eigener Produktion anbringen, wie Patrick Folkersma ergänzt. Da nicht alle Tiere „Schnellmerker“ seien, würden dort für eine gewisse Zeit zudem spezielle Lockboxen angebracht, „die die Fledermäuse mittels Ultraschall in Richtung der neuen Quartiere lenken“, sagt dazu auch Ortsgruppenmitglied Florian Möller. Schleppen Fledermäuse Corona in die Region? Etwaige Bedenken, dass diese Tiere auch Wirte des gefürchteten Coronavirus sein könnten, räumt Peter Folkersma aus: „Die siebzehn von weltweit 1400 Fledermausarten, die in MV vorkommen, haben dieses Virus nicht an Bord. Man kennt die Familie genau, wo das Virus vorkommt – diese lebt hier nicht.“ Der Naturschützer findet es aber gut, wenn sich die Leute mit ihrer Umwelt beschäftigen und plant deshalb auch bereits für den 30. April einen Auftritt an der Wismarer Kinderuniversität zum Thema Fledermäuse. Warum dieses besondere Engagement? „Weil wir es derzeit mit einer großen Abnahme der Biodiversität zu tun haben, wie das so schön hießt. Es geht also die biologische Vielfalt in unserem Lebensraum deutlich zurück. Ganz klar, wenn wir Menschen es nicht lernen, mit den Tieren in friedlicher Koexistenz zu leben und sie zu respektieren, sind wir am Ende die Verlierer“, betont der 50-Jährige. (www.bund-salzhaff.de) Von Thomas Hoppe

Rerik: Neue Quartiere für Fledermäuse eingerichtet - Corona-Wirte?