Schausteller in der Region Bad Doberan bleiben trotz Corona optimistisch

Steve Upleger ist Schausteller in sechster Generation. „Einen schöneren Beruf kann ich mir nicht vorstellen“, sagt der 29-Jährige. Das sieht sein Vater Igor (53) genauso: „Wir sind Schausteller mit Leib und Seele.“ Doch weil das so ist, schmerzt die beiden Männer die gegenwärtige Situation besonders. „Es hat immer wieder mal schwere Zeiten für unsere Vorfahren gegeben, seit meine Ururgroßmutter Krüger 1912 zum ersten Mal ihr Kettenkarussell in Rostock drehen ließ. Der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie Inflation und Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren machten ihnen schwer zu schaffen. Doch meine Oma hat erzählt, dass man selbst im Krieg seine Buden noch aufbauen durfte. Dass wegen einer Pandemie praktisch alles zum Stillstand kommt, ist wohl einmalig“, meint Steve Upleger, Mitglied im Vorstand des Schaustellerverbandes MV. Stände in Bad Doberan aufgebaut: Normalerweise würden er und sein Vater auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt Glühwein, Crêpes oder Kartoffelpuffer verkaufen: „Wir haben unseren Platz traditionell neben der Märchenbühne auf dem Neuen Markt. Dort lässt sich guter Umsatz machen.“ Die Uplegers wären aber nicht die Uplegers, wenn sie nach der Absage des Rostocker Weihnachtsmarktes resigniert und die Hände in den Schoss gelegt hätten. „Um zu retten, was noch zu retten ist, haben wir nach Möglichkeiten gesucht, um unsere Stände doch noch aufbauen zu können“, sagt Steve Upleger. Bei Bad Doberans Bürgermeister Jochen Arenz und dem dortigen Ordnungsamt trafen sie dabei auf offene Ohren. Unbürokratisch räumten die Verantwortlichen ihnen die Möglichkeit ein, kurz vor dem 1. Advent ihre Stände am Alexandrinenplatz der Münsterstadt aufzubauen. „Seit Freitag stehen unser Schaustellerkollege Hartmut Roggelin und wir mit Mutzen, Quarkbällchen und Crêpes beziehungsweise mit Punsch, Schafskäse- und Knoblauchbrot vor Sparre“, freuen sich die Uplegers. Die verführerischen Düfte verbreiten dort einen gewissen Hauch von Weihnacht. Das Publikum ist dankbar dafür. Juliane Streese (45) gehört zu denen, die dieser Verführung nicht widerstehen können: „Ich finde es so schön, dass die weihnachtlich geschmückten Buden hier stehen. Das bedeutet mir in dieser schlimmen Zeit sehr viel.“ Und Siegfried Wegener (67) lässt sich einen Punsch schmecken und stellt fest: „Wenn wir schon auf die Weihnachtsmärkte verzichten müssen, so zeigt doch dieses Beispiel, dass bei gutem Willen immer etwas geht!“ Geld für Kredite und Reparaturen fehlt: Ähnliches hört auch Heike Krüger (55). Sie betreut einen Imbiss ihres Lebensgefährten Igor Upleger am Reddelicher Parkplatz. Bratwurst, Currywurst, Fisch oder Pommes gehen weg wie warme Semmeln. Besonders, nachdem das NDR-Nordmagazin Anfang dieser Woche auf diesen Verkaufsstand an der B105 aufmerksam machte, kommen noch mehr Gäste. „Ihnen geht es offenbar nicht nur darum, hier zu essen und zu trinken, sondern sie suchen auch die vorweihnachtliche Stimmung“, sagt die Dame vom Grill. Diese Atmosphäre verleihen ihrem Kiosk unter anderem duftendes Tannengrün und strahlende Lichterketten. Dass dies an dieser Stelle möglich ist, verdanken die Uplegers dem Entgegenkommen des Reddelicher Bürgermeisters. „Ulf Lübs hat großes Verständnis für die Lage der Schausteller. Deshalb hat er sich dafür eingesetzt, dass wir hier Speisen und Getränke anbieten können“, sagen die Uplegers und sind froh darüber. Ohne solche Gesten wäre die Situation der fahrenden Leute wohl noch dramatischer. Lesen Sie auch: Rostock: Neues Konzept für die Hanse Sail 2021 So wird Weihnachtsstimmung in die Innenstädte von MV gezaubert Rostocks Weihnachtsbaum aufgestellt: Wie weihnachtlich wird die „Kröpi“? Vor allem, weil den Reddelicher Schaustellern mit der sogenannten Bayernwippe auch ein Fahrgeschäft gehört. Dieses Karussell muss auf dem neuesten technischen Stand gehalten werden, damit der TÜV es zum Saisonbeginn im Frühjahr freigibt. „Um die hohen Anforderungen erfüllen zu können, müssen wir die Wippe und unsere Fahrzeuge während der Wintermonate auf Vordermann bringen. Das kostet viel Geld. Auch Kredite müssen bedient werden“, rechnet Igor Upleger vor. Geld, das normalerweise auf dem Weihnachtsmarkt erwirtschaftet wird. Daher sind die Möglichkeiten, die in Doberan und Reddelich eröffnet wurden, der rettende Strohhalm. Nach ihm greifen die Schausteller dankbar, denn bislang warten sie noch auf die von Bund und Land versprochenen Hilfen. Zu viel Bürokratie und letztlich zu wenig Geld, kritisieren die Schausteller die staatlicherseits avisierte Unterstützung . Aber eines steht für sie trotz aller Misslichkeiten fest: „Wir sind Berufsoptimisten und geben nicht auf!“ Von Werner Geske