Schornstein in Neubukow gesprengt: Erbauer erinnert sich

Als der Schornstein fiel, kamen ihm die Tränen: Für Adolf Schmidt (81) war die Sprengung des letzten Überrestes der Alten Gärtnerei in Neubukow ein besonders emotionaler Moment. Denn er hatte ihn einst mit aufgebaut. „Im Mauerwerk stand die Jahreszahl“, erinnert sich der Ruheständler „1978“. Mit drei Mann hatten sie den Schornstein damals errichtet, sagt er, zwei Maurer und ein Handlanger. Es sei nicht einfach gewesen, die Steine zu beschaffen. „Die haben wir nur unter der Hand gekriegt, über Beziehungen“, sagt Adolf Schmidt. „Das war anders als heute.“ Die Steine stammten zum Teil aus abgebrochenen Scheunen. „Ich wollte erst gar nicht herkommen“, sagt Adolf Schmidt. Für ihn hänge an dem Schornstein mitten in Neubukow mehr dran als nur das Mauerwerk. „Doch dann hat meine Frau mich doch überredet. Da kamen mir schon die Kullerchen“, sagt er. Lesen Sie auch: Kröpelin: Schornstein des Heizhauses gesprengt (Video) 55-Meter-Schornstein auf altem Rostocker Fabrikgelände gesprengt Adolf Schmidt hat gerne auf dem Bau gearbeitet. „Das war schön, immer an der frischen Luft.“ Er habe alles Mögliche gemauert. Der Schornstein in Neubukow war nicht sein einziger, erzählt er. „Ich habe zum Beispiel auch noch in Hohen Luckow einen stehen“, sagt Adolf Schmidt. Fast 600 Schornsteine umgelegt: Karl-Heinz Bühring hingegen zählt die Schornsteine, die nicht mehr stehen. Der Sprengmeister hat in seiner beruflichen Laufbahn bisher 590 Schornsteine umgelegt – den an der alten Gärtnerei in Neubukow mit eingerechnet. „Ich habe immer gesagt, mit 666 höre ich auf“, sagt er. Karl-Heinz Bühring ist zufrieden mit dem Fall des Schornsteins. „Er ist da gelandet, wo er sollte.“ Um zu verhindern, dass der vom Regen aufgeweichte Boden dabei zu allen Seiten wegspritzt, war am Morgen vor der Sprengung extra noch Lkw-weise Sand angefahren worden. Erst im Oktober hatte der Sprengmeister den größeren Schornstein des Heizhauses in Kröpelin dem Erdboden gleichgemacht. „Es ist eher ungewöhnlich, dass wir zwei Sprengungen so kurz nacheinander haben“, sagt Bauleiter Martin Kralicek von der Firma Werges, der in beiden Fällen zuständig war. Das liege aber auch daran, dass es immer weniger Schornsteine gebe. „Auf frei stehendem Gelände kann man sie auch mit dem Bagger abreißen.“ Aber auf Grundstücken in der Nähe von Bebauung, so wie in Neubukow, sei eine Sprengung die bessere und kostengünstigere Alternative. Erlebnis im Corona-Lockdown: Und die unterhaltsamere. Das finden zumindest Alexandria Senger und ihre Tochter Isabel aus Neubukow. Sie sind zum Zuschauen gekommen und stehen unter Regenschirmen in sicherer Entfernung. „Für die Kinder ist es ein Erlebnis“, sagt Alexandria Senger. „Die kennen das ja sonst nur aus dem Fernsehen.“ Und gerade jetzt sei so eine Sprengung eine gute Abwechslung vom Corona-Alltag, zumal die Kinder ja nicht in die Schule gehen dürften. Außer Mutter und Tochter haben sich noch etwa zwanzig weitere Schaulustige versammelt, als der Schornstein umfällt. Danach dürfen auch die Anwohner wieder in ihre Wohnungen zurück. Im Höhenradius des Schornsteins – er war etwa 20 Meter hoch – mussten alle sicherheitshalber hinaus auf die Straße gehen. Außerdem mussten die Anwohner Fenster und Türen geschlossen halten. „Die Information der Bürger übernimmt der Sprengmeister“, sagt Martin Kralicek. Außerdem seien das Land, die Gemeinde und die Polizei in die Organisation der Sprengung mit einbezogen. „Das ist aufwendiger als ein Abbruch mit dem Bagger.“ Zumal der Schornstein an der B 105 stand, die während der Sprengung aus Sicherheitsgründen kurzzeitig gesperrt war. Eine Weile lang wird Adolf Schmidt noch erkennen können, wo „sein“ gesprengter Schornstein stand. Dann werden die Trümmer beseitigt sein. An der Stelle der alten Gärtnerei entsteht ein Neubau, in dem Arztpraxen untergebracht werden sollen. Von Cora Meyer

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