Boltenhagen: Absurde Gerüchte aus dem Wahlkampf

Als Raphael Wardecki das erste Mal mit seinem grünen Lastenfahrrad im Wahlkampf Anfang 2019 durch Boltenhagen fuhr, dauerte es nicht allzu lange, bis die ersten Gerüchte ihn einholten. Wer mit dem Fahrrad fahren müsse, der habe doch mit Sicherheit seinen Führerschein eingebüßt. Wahrscheinlich sei Alkohol im Spiel gewesen. Ganz bestimmt sogar. Und ein Bestattungsunternehmer aus dem Westen will Bürgermeister werden? Da müsse doch etwas dahinter stecken. Der junge und zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Mann aus Lübeck war plötzlich das Gesprächsthema im Ort. Das Gerücht um das Fahrrad klärte der 28-Jährige im OZ-Sommerinterview und auch in seinem Buch auf. Die Auflösung: Der Kreisverband der Partei Bündnis 90/Die Grünen hatte das Rad lange vor dem Wahlkampf gekauft, Raphael Wardecki nutzte das ungewöhnliche Gefährt, weil er in Boltenhagen mit den Menschen uns Gespräch kommen wollte, das Fahrrad holte er im März 2019 aus Tressow und fuhr damit bis nach Boltenhagen. Seinen Führerschein hat er nie abgegeben. Heute kann der 28-Jährige über die Geschichten schmunzeln, die ihm damals angedichtet worden waren. Als er sich vor anderthalb Jahren jedoch in das Abenteuer Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Boltenhagen stürzte, kam eine kalte Dusche nach der anderen, denn Wahlkampf im Ostseebad – da gelten besondere Regeln. Über Wahlkampf auch in seinem Buch geschrieben: Die Gerüchteküche ist eine davon. Hier sind noch fünf weitere Vorurteile, die Wardecki in seinen Buch „Plötzlich Bürgermeister“ beschreibt. Die Geschichte mit der Nixe: Gerücht 1: Sein Vater soll vor Jahren die Skulptur der umstrittenen Nixe erschaffen haben. Die Figur, die am Neujahrstag 2005 auf einem Stein in Redewisch auftauchte und für bundesweites Interesse sorgte, ist bis heute Gegenstand zahlreicher Legenden. Tatsache ist, dass eine Immobilienfirma aus Boltenhagen mit der Sache zu tun hat. Raphael Wardecki, so das Gerücht im Wahlkampf 2019, solle nun quasi als Gegenleistung für die Arbeit seines Vaters als Bürgermeister im Ort eingesetzt werden. Angeschoben worden war dieses Gerücht, weil irgendwann auf den Wahlplakaten des jungen Mannes kleine Nixen-Aufkleber auftauchten. Bis heute ist unklar, wer sie dort platziert hat. Die Auflösung: Eine Gießerei aus Rheinland-Pfalz hat nachweislich die zwei Skulpturen der Nixe, eine stand in Redewisch, eine weitere später in Travemünde hergestellt. Das hatte der Geschäftsführer der Firma im Rahmen einer Gerichtsverhandlung in Grevesmühlen ausgesagt. Keine Freundin – also muss er homosexuell sein: Gerücht 2: Der junge Mann, der aus Lübeck kommt und sich in Redewisch eine Wohnung nahm, mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt und gern bunte Hemden trägt, der müsse homosexuell sein. Eine Freundin war weit und breit nicht zu sehen. Also blieb nur der eine Schluss, der Kandidat sei schlichtweg schwul. Dieses Gerücht machte teilweise sogar in den sozialen Netzwerken die Runde. Die Auflösung: Als er nach Boltenhagen zog, lebte Raphael Wardecki tatsächlich allein. Im Wahlkampf lernte der 28-Jährige seine heutige Freundin kennen, die in der Freiwilligen Feuerwehr des Ostseebades aktiv ist. Seine Vorliebe für ausgefallene Hemden hat rein modische Gründe. Als Strohmann für Immobilienhaie im Einsatz: Gerücht 3: Raphael Wardecki ist nicht nur pleite, er soll als Strohmann für Immobiliengeschäfte in Boltenhagen eingesetzt werden, um profitable Bauvorhaben durchzudrücken. Unklar ist, wer dieses Gerücht in die Welt setzte, allerdings gab es auch anonyme Hinweise, die bei der OSTSEE-ZEITUNG landeten und diesen Inhalt hatten. Die Recherche ergab, dass nichts dran war. Die Auflösung: Es gab und es gibt keine Insolvenzen im Zusammenhang mit dem Bestattungsunternehmen des jungen Mannes. Eine Beziehung zu Immobilienfirmen, das betont Raphael Wardecki immer wieder, gebe es ebenfalls nicht. Mitglied in einer Sekte: Gerücht 4: Als die Zeugen Jehovas in Boltenhagen Flyer verteilen, steht sofort fest, wer diese Aktion veranlasst haben muss. Außerdem lassen die Formulierungen auf seinen Internetseiten ( www.harmoniebürgermester.de ) vermuten, dass dort verschlüsselte Botschaften vermittelt werden. Auch diese Vermutung landete unter anderem als Hinweise in der Redaktion der OZ in Grevesmühlen. Die Auflösung: Es war reiner Zufall, dass die Werbeaktion der Zeugen Jehovas inmitten des Wahlkampfes stattfand. Wardecki selbst ist getauft. Zusammen mit seinen Eltern ist er regelmäßig in der Kirche auf der Paulshöhe zu Gast. Kein Fleisch und keine Verbrennungsmotoren im Ort: Gerücht 5: Als Grünenpolitiker will Wardecki alle Verbrennungsmotoren in Boltenhagen abschaffen, demnächst werde es nur noch vegane Restaurants geben im Ort. Davon erfuhr der Bewerber unter anderem als er ein Fußballspiel des SC Boltenhagen besuchte. Die Auflösung: Wie der 28-Jährige in seinem Buch beschreibt, musste er sich mehrfach mit Vorteilen in Sachen grüne Politik auseinandersetzen. Aber weder gehe es darum, in Boltenhagen alle Autos abzuschaffen, noch sei er Veganer, betont er. Der heutige Bürgermeister rechnet in seinem Buch nicht mit seinen Kontrahenten im Wahlkampf ab, aber er berichtet offen über den teilweise heftigen Gegenwind, der ihm damals entgegenwehte – und es streckenweise auch heute noch tut. Wenn auch nicht mehr in dieser Häufigkeit. Lesen Sie auch Boltenhagen: Bürgermeister Raphael Wardecki schreibt Buch über seinen Erfolg Neue Drohnenstaffel in Nordwestmecklenburg Trümmerfeld in Zickhusen: Bahn erfasst Lkw auf den Gleisen Boltenhagen: Bürgermeister Raphael Wardecki schreibt Buch über seinen Erfolg Von Michael Prochnow