Brook: 20. Stele berichtet von Geschichten an der innerdeutschen Grenze

Das Projekt „Grenzenlos von Lübeck nach Boltenhagen“ hat einen neuen Informationspunkt. In Brook beim Strandzugang 14 wurde die inzwischen 20. Stele des Projekts aufgestellt, das entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze über deren Geschichte und über mit ihr verbundene Schicksale informiert. Erinnerungen an den Mauerfall: Ulrich Bosch, Betriebsleiter des Gutes Brook, auf dessen Land die Stele am ehemaligen Kolonnenweg aufgestellt wurde, begrüßte die Beteiligten mit seiner Erinnerung an den 9. November 1989: „Ich war 17 Jahre und lebte im württembergischen Tübingen. Ich war damals bei den Pfadfindern und mit einem Freund bin ich am 27. Dezember 1989 nach Berlin getrampt.“ Dort habe er die Menschen auf der Mauer erlebt. „Man konnte dann in die ostdeutschen Länder reisen und ich hatte als junger Landwirt von den großen Feldern in Mecklenburg-Vorpommern geträumt“, berichtet Bosch. 2003 wurde er dann im Gut Brook eingestellt. Informationen über Unrechtsregime: Aus ganz persönlichen Gründen zählt der Mauerfall 1989 für Dr. Dietrich von Maltzahn zu den schönsten Momenten in seinem Leben. Der Arzt, der aus Schwerin stammt, in Boltenhagen lebte und dort die Poliklinik leitete, hatte mehrere Fluchtversuche aus der DDR unternommen. 1975 wurde er deswegen verhaftet und saß im berüchtigten Gefängnis von Bautzen, bis er freigekauft in die BRD ausreisen konnte. Tote am Strand von Brook: Zu Brook hat er die grausige Erinnerung, dass der Strand dort eigentlich menschenleer war. Ausnahmen bildeten nur die Tage, an denen Wasserleichen in Brook angespült wurden. Dann musste der Arzt aus Boltenhagen mit Stasi, der Grenzbrigade, der Kriminalpolizei und einem Staatsanwalt anrücken, um einen Totenschein auszustellen. „Jedes mal brauchte ich Tage, um mich von dem Erlebten zu erholen“, berichtet er in einem Text auf der Stele. Stelen an 20 Orten: Dietrich von Maltzahn hat mehrere Bücher über seine Erfahrungen in der DDR und auch über seine Fluchtversuche geschrieben. Der heute in Lübeck lebende Mediziner ist froh, dass die Dassowerin Angela Radtke und ihre Mitstreiter das Projekt „Grenzenlos von Lübeck nach Boltenhagen“ 2014 ins Leben gerufen haben. An inzwischen 20 Orten entlang von Rad- und Wanderwegen bieten die Stelen jetzt viele Informationen und historische Bilder. Die frühere Grenze zwischen DDR und BRD entwickelt sich zwischen Lübeck und Boltenhagen zum Erlebnisraum. Auf Initiative der Dassowerin Angela Radtke werden seit 2015 Stelen entlang der ehemaligen Grenze aufgestellt, die die Geschichte am jeweiligen Standort beschreiben. Dabei wird auf den Tafeln erklärt, welche Gebäude oder ganze Siedlungen es nicht mehr gibt, welche Funktion ein Wachturm hatte oder wie die Menschen mit der Grenze leben konnten. Die erste Stele wurde am 24. Januar 2015 zwischen dem Dassower See und dem dortigen Speicher auf einem Parkplatz aufgestellt. Inzwischen gibt es 20 Stelen entlang der ehemaligen Grenze. Bücher von Dietrich von Maltzahn: Mein erstes Leben: oder: Sehnsucht nach Freiheit Querlage: Meine Erlebnisse als Arzt in Ost und West „Ich finde es gut, wenn sich die Leute mit der Geschichte beschäftigen“, sagt Dietrich von Maltzahn bei der Einweihung der Stele in Brook. Die Informationstafeln des Projektes sollen nicht nur Touristen informieren. „Das Gebiet um Dassow und der Klützer Winkel waren in großen Teilen Sperrgebiet“, erinnert Hans Espenschied, Vorsitzender des Heimatvereins Dassow, an die besonderen Schwierigkeiten für Bewohner der Region. „Zur Ostsee konnte man nur mit einem Passierschein und man musste durch den Schlagbaum in Richtung Wismar.“ Gesperrte Strände der DDR: Für die Bewohner der Ostseedörfer wie Brook brachte die Grenzbefestigung der DDR viele Veränderungen mit sich. Nachdem der Strand gesperrt wurde, lernten die Kinder im Dorfteich schwimmen. Der Strand wurde am Kolonnenweg mit einem massiven Zaun abgesperrt. Dessen Öffnung 1990 wurde als besonderes Ereignis auf einem Foto festgehalten. Heute zählt der Strand in Brook zu den beliebtesten Naturstränden im Klützer Winkel. Angela Radtke ist froh, dass das Projekt „Grenzenlos von Lübeck nach Boltenhagen“ so viel Anklang findet. „Die jeweiligen Gemeinden muss ich kaum noch überzeugen, wenn es um eine weitere Stele geht. Manchmal ist es etwas komplizierter, mit privaten Grundstücksbesitzern zu verhandeln“, sagt Angela Radtke. Sie hat die Hoffnung, dass noch in diesem Jahr weitere Stelen aufgestellt werden. Unter anderem in Selmsdorf soll das geschehen. Lesen Sie auch: DDR-Geschichte: Skins, Punks, Gruftis und Heavys im Visier der Stasi Lost Places in Grevesmühlen: So sieht es in der Industrieruine am Börzower Weg aus Boltenhagen: Weißer Fuchs im Ostseebad – jetzt ist er gefangen Von Malte Behnk