Direkt vor der Haustür: „Einsteigen bitte!“

Fernmündlich „Von der Auktion erfuhr ich aus der Zeitung“, erzählt der 42-Jährige. Daraufhin habe er sich das Gebäude mit seiner Frau angeschaut. Von außen nur. Beide befanden: „Ein schönes Haus.“ Ein schriftliches Angebot sei vonnöten gewesen und ein Nachweis der Zahlungsfähigkeit und dann war Tim Schäper am Telefon dabei, als das Lüdersdorfer Bahnhofsgebäude am 7. Dezember versteigert wurde. Von drei Interessenten weiß er. Das Mindestgebot für Gebäude und benachbartes Grundstück direkt an der Bahnlinie Lübeck-Bad Kleinen lag bei 4000 Euro. Er hat ein Vielfaches davon gegeben und nennt den Preis „bezahlbar“. In der Vorwoche nun hat der neue Immobilienbesitzer das von ihm als „wilhelminischer Zweckbau“ bezeichnete Gebäude auch zum ersten Mal von innen gesehen. Bescheinigt der geschäftsführende Gesellschafter vom Utechter Bau- und Immobilienservice dem Gebäude von außen eine gute Bausubstanz, sähe es drinnen zwar auf den ersten Blick ziemlich bizarr aus. Doch schnell hat er Lösungen parat. Ein oder zwei Wohnungen will er in dem unterkellerten Bau entstehen lassen und sie später vermieten. Knapp 180 Quadratmeter Grundfläche stehen zur Verfügung. Ob die Raumaufteilung verändert werden könne, müsse die Prüfung der Statik zeigen. Auf jeden Fall möchte Tim Schäper „großzügiges Wohnen“ möglich machen und er schwärmt schon jetzt von dem Ausblick, während er in dem von Fenstern dominierten Gebäudeteil an Schienenseite steht. Das Obergeschoss wolle er nicht ausbauen, zeige ein potenzieller Mieter allerdings Interesse, sei das etwas anderes. Ein Zug rauscht vorbei. „War das laut?“ Wer dort wohnen will, muss das mögen. Verkehrsgünstiger aber kann er es kaum bekommen. Tim Schäper schaut draußen am Haltepunkt auf den Fahrplan: In 16 Minuten kann der Pendler in Lübeck sein und dabei direkt vor der Haustür einsteigen. In die andere Richtung weist er einen weiteren Weg aus: In gut fünfeinhalb Stunden könne man es sogar bis ins polnische Stettin schaffen. Mit den Gedanken wieder zurück, erklärt der Bauherr, das Bahnhofsgebäude von außen wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen zu wollen und damit auch die am Ostgiebel zugemauerte Öffnung erneut herzustellen. Die alte Tür an der Laderampe fasziniert ihn genauso wie die Biberschwänze auf dem Dach . . . er wolle nichts kaputtsanieren, das alles soll erhalten bleiben. „Es macht mir Spaß, alte Bausubstanz zu bewahren“, betont er. Auch wenn er wisse, betriebswirtschaftlich gesehen, sei ein Neubau günstiger. Trotzdem: Jetzt wird die Nutzungsänderung beantragt und der Bauantrag gestellt. Noch in diesem Jahr will Tim Schäper loslegen. Er geht von einem Investitionsvolumen von 100 000 Euro aus. Damit dürfte nun auch die wirklich letzte Stunde für die Fahrkartenausgabe im Haus geschlagen haben. Der sorgsam mit der Hand geschriebene Zettel, der von der eigentlichen Schließung kündet, hängt noch immer da: „Achtung Reisende! Die Fahrkartenausgabe ist voraussichtlich ab dem 03.07.99 geschlossen. Fahrscheine können dann im Zug gelöst werden.“ Das Datum ist übrigens korrigiert worden, zuerst stand 4. Juli da. Alles, was mit Zügen zu tun hat, findet der Ehemann und zweifache Vater Tim Schäper schon seit jeher spannend und Interessant. „Mein Opa war Bahnhofsvorsteher in Magdeburg.“ Bahn und Bauen Das jetzt ersteigerte Bahngebäude war schon vor Jahren in einem Paket von rund 1000 Immobilien von der Bahn verkauft worden. Die Bahnverbindung Lübeck-Bad Kleinen wurde 1870 eröffnet. Weitere Aktivitäten des Investors: Eine alte Wassermühle zwischen Schattin und Utecht hat Tim Schäper saniert. Einen Reiterhof mit Ferienwohnungen will er auf dem ehemaligen Armeegelände in Schattin entstehen lassen. Das B-Plan-Verfahren ist eröffnet. Cornelia Roxin

Lüdersdorf - Direkt vor der Haustür: „Einsteigen bitte!“