Grevesmühlen: Unternehmer schildern ihre Lage in der Corona-Krise

Händler und Unternehmer leiden zunehmend unter den Einschränkungen durch die Corona-Krise. Deutlich wurde das im Rahmen einer Videokonferenz am Freitag, das Innenstadttreffen fand zum ersten Mal online statt. Etwa ein Drittel der Händler aus dem Stadtzentrum nahm daran teil, dazu kamen Vertreter aus dem Rathaus, der Wirtschaftsförderung sowie der VR-Bank. Eingeladen und organisiert hatte das Treffen die Stadt Grevesmühlen, um, wie Bürgermeister Lars Prahler es ausdrückte, herauszufinden, „wo denn der Schuh besonders drückt“. Um es vorwegzunehmen: an sehr vielen Stellen. Jessica Borchardt, die mit „ Someone like you “ einen Onlinehandel für Bekleidung von Grevesmühlen aus betreibt, bremst die Erwartungen an die digitalen Märkte. „Gerade für schicke Klamotten ist es schwierig, es gibt keine Partys und Veranstaltungen, die Leute sitzen in Jogginghosen zu Hause.“ Auch die Präsenzveranstaltungen, bei denen sie Kunden direkt in ihrer Galerie empfängt, finden nicht mehr statt. „30 Prozent Umsatzverlust müssen wir dadurch verkraften.“ Ein zusätzliches Problem sei die Unsitte, dass Kunden sich etliche Stücke zuschicken lassen und sie, ohne etwas zu kaufen, zurückschicken. Das kostet Zeit und Arbeit und bringt keinen Umsatz. 15 000 Euro Kosten für Fahrzeuge pro Monat: Thomas Krohn hat noch ganz andere Sorgen, der Busunternehmer muss nach eigenen Angaben allein für die Reisebusse 15 000 Euro pro Monat aufbringen, ohne dass die Fahrzeuge einen Cent Umsatz machen. „Die Fahrschulen bei uns sind seit Wochen tot, und während in Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg die Fahrschulen betreiben dürfen, geht uns langsam die Luft aus.“ Dabei sei die Nachfrage gerade nach Reisen sehr groß. „Die Leute sind heiß aufs Reisen, aber sie trauen sich nicht zu buchen.“ Die Stadt Grevesmühlen hat zugesichert, den Firmen in der Stadt ähnlich unter die Arme zu greifen, wie es im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 der Fall war. „Ich werde in der kommenden Woche mit dem Hauptausschuss sprechen, aber ich gehe davon aus, dass wir das hinbekommen“, so Bürgermeister Lars Prahler. Dazu gehören Stundungen von Steuerzahlungen ebenso sie die kostenfreie Nutzung von Flächen in der Innenstadt durch Händler und Gewerbetreibende. Wichtig sei, so Prahler, dass die Kommunikation nicht abreiße. „Wir können nur helfen, wenn wir auch wissen, wo der Schuh drückt.“ Diese Erfahrung hat auch Maik Reschke gemacht. Mit Bellmado betreibt er seit dem vergangenen Jahr in der August-Bebel-Straße eine Tourismusagentur, dort gibt es neben Reisen auch exklusive Geschenke. „Unser Onlineshop wird sehr gut angenommen, es sind täglich etliche Leute auf der Seite, aber sie geben kein Geld aus.“ Die Leute seien in der Krise vorsichtig geworden, das bekämen die Händler nun zu spüren. So geht es auch Goldschmied Dirk Zachey, der sein Geschäft öffnen darf, um Reparaturen an Uhren durchzuführen. „Die Einnahmen reichen gerade so aus, um die Miete zu zahlen, jedenfalls war das im Dezember so, als noch das Weihnachtsgeschäft dazukam, der Januar sieht düster aus.“ Weihnachtsgeschäft lief gut: Von einem gute Weihnachtsgeschäfts hat auch Gabriele Wulff in ihrem Geschenkeladen profitiert. Der Dezember sei trotz der umständlichen Kundenbetreuung durch die Auflage gut gelaufen. „Und dass der Januar nicht unbedingt der beste Monat ist, ist ja bekannt.“ Sie wirbt vor allem in den sozialen Medien für ihren Laden. „Das ist gut, um junge Kunden anzulocken, aber in meinem Bereich ist ein Onlinehandel einfach nicht machbar, dafür sind die Sachen zu zerbrechlich. Und alles zu fotografieren und ins Netz zu stellen – keine Chance.“ Martin Kopp, Geschäftsführer der Wirtschaftsfördergesellschaft des Landkreises, wies daraufhin, dass in den nächsten Tagen vonseiten des Bundes die nächsten Überbrückungshilfen in Aussicht gestellt würden. Zwischen 40 und 90 Prozent der Fixkosten könnten Unternehmen geltend machen. Voraussetzung sei, dass der Umsatzverlust im Vergleich zum Vorjahresmonat mindestens 30 Prozent betrage. Der Zeitraum für die Hilfen soll zwischen November 2020 und Juni 2021 liegen. Beantragt werden können die Hilfen nur von Dritten, also von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt. Auch beim Insolvenzrecht gebe es neue Regelungen beziehungsweise Lockerungen. „Wenn es Fragen gibt, dann rufen Sie uns an, schicken Sie uns eine Mail oder schauen Sie auf unsere Internetseite. Wir helfen, wo wir können.“ Die WFG ist zu erreichen unter Telefon 038 41 / 30 40 98 40, die Internetadresse lautet www.wfg.nwm.de. Brita Buttkewitz, die in der August-Bebel-Straße mit viel Liebe und Aufwand Janny’s Eis betreibt, gibt offen zu, dass das Onlinegeschäft nicht ihre große Leidenschaft sei. „Trotzdem haben wir online Werbung gemacht und es funktioniert auch, aber gerade die älteren Einwohner wollen ihr Eis nicht online oder übers Telefon bestellen, sondern in den Laden kommen.“ Die dürfe man nicht vergessen. Haustürgeschäfte im Bastelladen: Michael Nagel, der mit seiner Familie, einen Bastelladen betreibt, hat aus der Not eine Tugend gemacht, und mit Bauholz und Plexiglas eine mobile und coronakonforme Theke an der Eingangstür des Geschäfts errichtet. Kunden dürfen weiterhin nicht in den Laden, aber das „Haustürgeschäft“ funktioniere, sagt er. Christin Thurow mit ihrem Fahrradgeschäft kann sich über Mangel an Arbeit nicht beklagen. Zwar seien die Mitarbeiter aufgrund der aktuellen Lage in Kurzarbeit, aber waren 2020 beispielsweise die Fahrradhändler die Gewinner der Krise mit ihren steigenden Verkaufszahlen. „Jetzt ist es so, dass die Hersteller nicht liefern können, weil die Fabriken kaum produzieren.“ Außerdem seinen Verkaufsberatungen am Telefon oder an der Ladentür schwierig. Lesen Sie auch: Nordwestmecklenburg: So könnte das Jahr 2021 im Landkreis aussehen Selmsdorf: Unternehmer eröffnen Zweithaar-Studio Daniela Braun, deren Familie mit Bäckerei Freytag etliche Filialen in Grevesmühlen und der Region betreibt, verzeichnet ebenfalls einen schmerzhaften Umsatzrückgang. „Natürlich sind unsere Läden geöffnet und wir verkaufen das, was das Bäckerhandwerk ausmacht, aber unser Problem ist, dass wir die Gastrobereiche nicht öffnen dürfen.“ Gerade die neuen Filialen seien darauf ausgerichtet, mit Gästen, die in den Cafés sitzen, Geld zu verdienen. „Das tut schon richtig weh, dass das nicht mehr geht.“ Weil zum Innenstadttreffen auch immer ein Frühstück angeboten wird, hat die Stadtverwaltung dieses Mal Mario Wehr mit seinem Café Kaffeebrenner auf Achse geschickt. Er lieferte allen Teilnehmern pünktlich vor Beginn der Konferenz eine Frühstücksbox ins Homeoffice oder ins Büro. Von Michael Prochnow