Groß Schwansee: Natur kontra Tourismus

Ein großes grünes Banner hängt am Balkon vom Dorfladen mit Pension, den Jana und Roland Schmidt in Groß Schwansee betreiben. „Kein neues Ferienhausgebiet. Gegen den B-Plan 17“ und eine Internetadresse stehen darauf. Schmidts sind sich bewusst darüber, dass die notwendigen Planungen der Gemeindevertretung und der Verwaltung inzwischen abgeschlossen sind und das neue Ferienhausgebiet eigentlich nicht mehr zu verhindern ist. Dennoch haben sie die Seite • www.gross-schwansee.net eingerichtet. Darauf wollen sie über ihr Dorf inmitten der nordwestmecklenburgischen Natur an der Ostseeküste informieren. Das Idyll mit Seeadlern, Kegelrobben, Dachsen und Kranichen sehen sie gefährdet, wenn mit dem Bau einer neues Ferienhaussiedlung auf einer bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche begonnen wird. „Wir sind keine notorischen Querulanten“, stellt Roland Schmidt klar. „Für mich steht im Vordergrund, dass Natur und wertvolles Ackerland für ein paar Ferienhäuser geopfert werden“, begründet er seine Ablehnung. Würden in dem Neubaugebiet Häuser zum dauerhaften Wohnen entstehen, fände er das wesentlich sinnvoller für das Dorf, in dem etwa 200 Einwohner leben. Sie mögen es so ruhig, wie es in Groß Schwansee ist. Und offenbar kommen auch viele Urlauber gerade wegen dieser Ruhe in den Ortsteil der Gemeinde Kalkhorst. „Wir haben manchmal Gäste, die in den ersten Nächten nicht richtig schlafen können, weil sie die Ruhe von Zuhause nicht kennen“, sagt Roland Schmidt, der drei Zimmer vermietet. Sicher würde er mit seinem kleinen „Tante Emma Laden“ auch von weiteren Urlaubern profitieren. „Klar freue ich mich, wenn ich zwei Brötchen mehr am Tag verkaufe. Ich will aber noch mehr, dass sich die Gäste hier wohlfühlen“, sagt Roland Schmidt. Er bezweifelt, dass das noch möglich ist, wenn bis zu 80 neue Ferienhäuser im Dorf entstehen. „Entwicklung findet immer und überall statt“, sagt Jana Schmidt. Es dürfe aber nicht an den Einwohnern vorbei geplant werden. So gibt es eine Fläche zwischen der bestehenden Bebauung und dem neuen Ferienhausgebiet, die Groß Schwanseern gehört, die auch zum Teil direkt an dieser Fläche wohnen. Doch mit dem Neubaugebiet bleibt nur eine Insel dieser Ackerflächen übrig. „Sie können mit den heutigen großen Maschinen dann nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden“, sagt Roland Schmidt. „Diese Landbesitzer wurden meines Wissens nie gefragt, ob sie ihre Flächen vielleicht auch zu dem Baugebiet mit verkaufen wollen. Jetzt können sie sie nicht mehr an Landwirte verpachten, weil sie zu klein sind und als Garten können sie sie auch nicht nutzen, weil die Fläche zu groß ist“, fügt Jana Schmidt hinzu. Aus ihrer Sicht müsste bei Projekten wie der neuen Ferienhaussiedlung in Groß Schwansee auch ein deutlicher Gewinn für die Gemeinde heraus kommen. Daran zweifelt Jana Schmidt sehr. „Es rechnet einem niemand vor, was tatsächlich bei der Gemeinde bleibt und wodurch diese Ferienhäuser profitiert werden. Grundsteuer gab es auch für die landwirtschaftlichen Flächen, auch wenn die geringer war“, sagt sie. Den erwarteten zusätzlichen Einnahmen müssten ja auch zusätzliche Ausgaben wie die Unterhaltung der neuen Straßen, neue Straßenbeleuchtung und weiteres gegenüber gestellt werden. Jana Schmidt glaubt, dass am Ende kaum etwas für die Gemeinde Kalkhorst dabei herausspringt und stattdessen nur Unzufriedenheit bei den „Ureinwohnern“ entsteht, wie Roland Schmidt die alteingesessenen Groß Schwanseer nennt. Er und seine Frau Jana sind vor drei Jahren nach Groß Schwansee gezogen, weil sie etwas abgeschieden in der Natur leben wollten. Inzwischen müsse sich die Gemeinde die Frage gefallen lassen, ob Groß Schwansee ein kleines Boltenhagen werden oder ein Kleinod wie jetzt bleiben soll. „Wenn mehr Urlauber herkommen, wird es auch mehr Müll an den Wegen und am Strand geben. Bestimmt werden auch viele Bewohner der neuen Ferienhäuser mit dem Auto durchs Dorf zum Parkplatz am Strand fahren und Anwohner in Kalkhorst müssen sich auch auf größere Verkehrsströme einstellen“, sagt Roland Schmidt. Doch er und seine Frau wollen nicht bloß kritisieren. Sie haben auch andere Vorschläge für ihr Dorf, in dem sie vor drei Jahren schnell positiv aufgenommen wurden. „Gut wären 20 oder 25 bezahlbare Bauplätze zum Dauerwohnen, damit das Dorfleben erhalten bleibt“, sagt Roland Schmidt. „Wir haben uns auch schon die Frage gestellt, wie man es hinbekommen kann, dass Ältere länger in ihrem Zuhause im Dorf leben können. Vielleicht wäre es auch sinnvoll, wenn hier für die Gemeinschaft ein Blockheizkraftwerk gebaut würde. Oder man könnte die vielen Gartenabfälle, die auch rund um Groß Schwansee illegal an Hecken abgeladen werden, in einer eigenen Anlage kompostieren und vielleicht sogar Kompost verkaufen.“ Ideen haben Schmidts also viele. Und vielleicht können sie einige der künftigen Ferienhausbesitzer zumindest in diese Richtung beeinflussen. Dann könnte es unter Umständen mit dem Dorfleben mitten in der Natur auch so weiter gehen. Doch die Sorge, dass Baufirmen, die Landesgrunderwerbsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern (LGE) und Makler der Ferienhäuser die einzigen sein werden, die von dem Neubaugebiet profitieren, scheint größer zu sein. Entwicklung Im Mai 2013 schlossen die Gemeinde Kalkhorst und die Landesgrunderwerbsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern (LGE) einen städtebaulichen Vertrag unter anderem über die neue Ferienhaussiedlung in Groß Schwansee ab. Etwa 6,2 Millionen Euro, so war der Plan 2013, will die LGE in das Gebiet in Groß Schwansee investieren. Proteste gegen das Gebiet, das etwa ein Drittel der Fläche von Groß Schwansee hat, regten sich schon im gleichen Jahr. Malte Behnk

Groß Schwansee - Groß Schwansee: Natur kontra Tourismus