Kaum Corona-Fälle im Schönberger Land: Das sind mögliche Gründe

Bei der Verteilung der Corona-Fälle in Nordwestmecklenburg fällt eines auf: Im Schönberger Land sind weniger Menschen erkrankt als in anderen Gegenden. 18 Fälle bei 18 700 Einwohnern gibt es dort nach der neuesten Statistik des Gesundheitsamtes. In anderen Teilen von Nordwestmecklenburg sind es teils deutlich mehr, im Amt Dorf Mecklenburg-Bad Kleinen sogar 25 bei knapp 14 000 Einwohnern. Was sind die Ursachen? Eine mögliche Erklärung: Viele Menschen im Schönberger Land arbeiten im benachbarten Schleswig-Holstein und gehen dort einkaufen. Damit haben sie einen Großteil ihrer Kontakte zu anderen Menschen in einem Bundesland, in dem das Coronavirus viel weniger verbreitet ist als in Mecklenburg-Vorpommern. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Lübeck sinkt seit Ende Januar. Sie liegt jetzt bei 30 registrierten Infektionen je 100 000 Einwohner. Im Nordwesten von Mecklenburg sind es dreimal so viele. „Größte Ansteckungsgefahr besteht im privaten Bereich“: Die Dassower Bürgermeisterin Annett Pahl (SPD) setzt bei einem Ergebnis der Corona-Forschungen an: „Die größte Ansteckungsgefahr besteht im privaten Bereich.“ Es liege die Vermutung nahe, dass sich Menschen im Schönberger Land im privaten Bereich vergleichsweise konsequent an die Corona-Regeln halten. Ebenso konsequent handeln offenbar die Verantwortlichen in Kindertagesstätten und Schulen im Schönberger Land – ohne zu unterstellen, dass dies in anderen Teilen von Nordwestmecklenburg nicht so ist. „Wir halten uns zu 100 Prozent an die Hygienevorschriften“, erklärt Kati Eggert, Geschäftsführerin des Schönberger Vereins „Haus des Kindes“. Die Vorschriften würden genau eingehalten, die Gruppen getrennt – auch außerhalb der Gebäude. Kita-Leiterin lobt verantwortungsbewusste Eltern: Während andernorts mehrmals ganze Kitas wegen Corona schlossen, musste in Schönberg bisher nur eine einzige Kindergartengruppe mit ihren zwei Erzieherinnen in Quarantäne. Ihre Zeit der häuslichen Isolierung endet am 16. März. Kati Eggert lobt: „Die Eltern gehen sehr verantwortungsvoll mit dem ganzen Thema um.“ Sie arbeiten gut mit und zeigen Verständnis – auch wenn es angesagt ist, das Kind zu Hause zu lassen. Dafür gelte ihnen ein Dank, erklärt die Geschäftsführerin des Vereins, der in Schönberg zwei Kitas und einen Hort betreibt. Sie sagt: „Das Thema ist an uns noch gut vorbeigeschrammt.“ Bei Corona-Verdacht bleiben die Schüler zu Hause: Dass Eltern und Kinder beim Kampf gegen das Virus eine große Rolle spielen, sagt auch Henning Klöpfel, Leiter der Regionalen Schule mit Grundschule Lüdersdorf. Seine Erfahrung: Bei ersten Anzeichen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus bleiben die Schüler zu Hause. Die Schule informiert die Eltern und Kinder immer wieder über die aktuellen Regeln. Sie hat auf der Grundlage des „Hygieneplans Corona für die Schulen in Mecklenburg-Vorpommern“ ein vierseitiges Regelwerk für den Gesundheits- und Infektionsschutz in der Bildungsstätte erarbeitet und veröffentlicht. Sie informiert auch darüber, was bei einer Erkrankung zu tun ist, welche Ansprechpartner es gibt und wie diese telefonisch zu erreichen sind. Hennig Klöpfel vermutet, dass es gelungen sein könnte, Eltern und Kinder zu sensibilisieren, verantwortungsvoll mit dem Thema Corona umzugehen. Möglicherweise gebe es eine hohe Akzeptanz beim Einhalten des Hygieneplans, sagt der Leiter der Schule in der Gemeinde Lüdersdorf. Zahlreicher Berufspendler in Selmsdorf: In Selmsdorf hatte Bürgermeister Marcus Kreft (SPD) zeitweise Sorgen, dass sich das Coronavirus in der Gemeinde ausbreiten könnte. Der Grund: Im Januar war die Sieben-Tage-Inzidenz in Lübeck noch deutlich höher als im Schönberger Land. Nun freut sich Kreft, dass es anders gekommen ist. Es gebe viele Berufspendler in der Gemeinde. Sie können Tag für Tag nach Schleswig-Holstein fahren, um dort zu arbeiten, einzukaufen und ihre Freizeit zu verbringen. Kontrollen an der Landesgrenze gibt es derzeit in beiden Richtungen nicht. Lesen Sie auch Corona-Krise in MV: Dassow schickt Tagestouristen aus anderen Bundesländern weg Corona in NWM: Landrätin über die aktuelle Lage, Impfungen und Verzicht Schönberg: 178 Euro Strafe für Spaziergang - Behörde erklärt sich Marcus Kreft berichtet: „Es beklagen sich viele Lübecker, dass sie hier nicht spazieren dürfen.“ Tagestourismus ist in Mecklenburg-Vorpommern verboten. Ordnungsamt kontrolliert an Ostsee: Das Ordnungsamt des Schönberger Landes kontrolliert vor allem auf Parkplätzen nahe der Ostsee. Amtsleiterin Anja Surkamp sagt, es sei schwierig, zu sagen, ob der Tagestourismus in den vergangenen Wochen weniger wurde. „Es ist sehr wetterabhängig“, erläutert Anja Surkamp. An sonnigen Wochenenden fahren viele Ausflügler aus Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zur Ostseeküste nahe Rosenhagen und Barendorf. Das Ordnungsamt kontrolliert im Schönberger Land nicht nur dort, sondern ebenso in Einkaufsmärkten und Geschäften. Die Mitarbeiter sehen nach, ob die aktuellen Auflagen eingehalten werden. Lübecker beklagen sich über Spazierverbot: Seit Beginn der Pandemie verzichtet die Gemeinde Selmsdorf auf Feste und andere Veranstaltungen. Marcus Kreft führte auch Gespräche mit der Schulleitung und ordnete eher als viele andere Bürgermeister an, dass in den Sitzungen der Gemeindevertreter und ihrer Ausschüsse eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist. Mittlerweile gehen die Kommunalpolitiker in Selmsdorf noch einen Schritt weiter. Sie beraten in Videokonferenzen. Kreft ergänzt: „Wir machen auch Arbeitsgruppentreffen nur noch virtuell.“ Verbreiten kann sich so allenfalls ein Computervirus. Über den Autor Von Jürgen Lenz