Nach hitziger Debatte: Begrüßungsgeld bleibt

zahlt weiterhin 150 Euro Begrüßungsgeld für jedes Baby und 50 Euro Schultütengeld für jeden Abc-Schützen. Ein Antrag, diese Gelder zu streichen, Zuschüsse für Klassenfahrten zu reduzieren und die dadurch eingesparten Gelder für Arbeitsgemeinschaften der Schule zu verwenden, fand zwar sowohl im Sozialausschuss als auch im Haupt- und Finanzausschuss eine deutliche Mehrheit, nicht aber am Donnerstagabend in der Gemeindevertretung. Nach einer leidenschaftlichen Diskussion stimmten sechs Gemeindevertreter für den Antrag, sechs dagegen. Bürgermeister Marcus Kreft (SPD) erläuterte vor der Abstimmung: „Es geht darum, finanzielle Mittel umzulenken.“ Der Sozialetat solle insgesamt zumindest gleich bleiben. „Das ist kein Bereich, an den wir mit der Schere rangehen“, sagte Kreft. Die Steuern in Selmsdorf zu erhöhen sei ebenfalls kein Thema. Tatsache sei angesichts des Defizits im Haushalt und der dafür notwendigen Genehmigung durch die Kommunalaufsicht des Landkreises aber auch: „Wir können den freiwilligen Bereich nicht ständig ausweiten, damit wir auch dem Landkreis gegenüber argumentieren können.“ Es gehe darum, die Schule in Selmsdorf zu stärken. Kreft nannte dafür auch ein finanzielles Argument: Allein in diesem Jahr zahlt die Gemeinde rund 139000 Euro an Schullastenausgleich an Nachbarkommunen, in denen Selmsdorfer Schüler unterrichtet werden — einen erheblichen Teil davon an die Gemeinde Lüdersdorf, wohin etliche Schüler aus Selmsdorf nach der vierten Klasse wechseln. Udo Gutschke (Wählergemeinschaft „Bürger für Selmsdorf, BFS), sagte: „Das tut uns im Gemeindesäckel richtig weh.“ Selmsdorf müsse die Schule attraktiver machen. „Es ist ein Versuch, das über die Arbeitsgemeinschaften zu regeln.“ Gutschke erklärte: „Unsere Schule muss so attraktiv sein, dass unsere Schüler nach der vierten Klasse weiter hier in Selmsdorf zum Unterricht gehen.“ Das Geld gehe den Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde nicht verloren. „Wir schichten es nur um.“ In die selbe Richtung argumentierte Claudia Hendreich (SPD-Fraktion). Sie sagte, Begrüßungs- und Schultütengeld seien „schöne Sachen, die jeder gerne nimmt, die aber nicht immer nötig sind.“ Es gehe nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern umzustrukturieren. Die Angebote der zwölf Arbeitsgemeinschaften, die es jetzt in der Schule gibt, könnten Eltern nicht abdecken. Den Kindern und Jugendlichen würden die AGs an den Nachmittagen Spaß machen. Ebenso vehement wie Claudia Hendreich dafür plädierte, dem Antrag zuzustimmen, sprach sich Christian Albeck (SPD) dagegen aus. Er stimmte als einziges Mitglied seiner Fraktion mit Nein. Albeck betonte: „Mit dem Begrüßungsgeld und Schultütengeld werden junge Familien unterstützt — ohne Unterschiede zu machen. Das ist sozial gerecht.“ So sei es von Anfang an gedacht gewesen. Die Arbeitsgemeinschaften kämen dagegen nicht allen Schülern zugute, die in Selmsdorf wohnen. Er finde es unmöglich, dass Unterschiede gemacht würden: Wer die Schule in Selmsdorf besucht, darf die Schul-AGs nutzen, wer außerhalb der Gemeinde unterrichtet wird, nicht. Albeck sagte auch: „Gut wäre, wenn die Qualität der Schule so hoch ist, dass mehr Schüler ans Gymnasium gehe.“ Für sie ist im Gegensatz zu Regionalschulen kein Schullastenausgleich zu zahlen. Willi Mühlenberg (BFS) argumentierte, die Attraktivität der Schule in Selmsdorf werde durch die Arbeitsgemeinschaften nicht erhöht. Er sagte: „Ich habe von Eltern oft gehört, dass sie ihre Kinder nicht nach Lüdersdorf schicken würden, sondern in Selmsdorf behalten würden. Sie sind aber nicht zufrieden mit der Schule.“ Detlef Lüth (BFS) und Karl-Heinz Kniep (CDU) sprachen sich ebenfalls dafür aus, Begrüßungs- und Schultütengeld beizubehalten. Lüth sagte: „Es sind keine Unsummen, aber es ist eine Werbung für unsere Gemeinde und gut für die Bürger.“ Marcus Kreft sagt: „Ziel muss sein, dass die Arbeitsgemeinschaften trotzdem weiterlaufen können.“ Dafür seien jetzt andere Wege zu finden. Zurzeit gebe es keinen finanziellen Engpass. Nach einer Dienstbesprechung mit der Selmsdorfer Grundschulleiterin Mandy Voß sagte Kreft gestern: „Wir haben für das neue Schuljahr 36 Anmeldungen für die fünfte Klasse, sodass erstmals seit dem Schuljahr 2010/2011 wieder eine Zweizügigkeit gegeben ist.“ Die Schulleiterin und er würden sich darüber freuen. Kreft sagt: „Wir verbinden das Ergebnis mit dem laufenden Bemühen, die Schule durch Arbeitsgemeinschaften attraktiver zu machen.“ Keine Achtung vor Engagement Bürgersinn, Engagement, Eigeninitiative, Hilfsbereitschaft: Wörter, die Politiker gerne in Ansprachen verwenden. Selmsdorf hat Eltern und Lehrer, die sich engagieren, die Eigeninitiative entwickeln und hilfsbereit handeln. Und was wurde ihnen jetzt in einer Sitzung der Gemeindevertretung zuteil? Achtung war es am Ende nicht. Ob sie es als Nackenschläge empfinden, wenn kein Beschluss gefasst wird, der die Zukunft ihrer Arbeitsgemeinschaften in der Schule sichert oder nicht, das spielte letztlich keine Rolle. Wichtiger war vielen, das Begrüßungsgeld für Babys zu verteidigen — vor anderthalb Jahrzehnten in Selmsdorf eingeführt, im Januar 2006 „aus Sparsamkeitsgründen“ gestrichen, im Juli 2009 wieder eingeführt. Natürlich ist es für alle Beteiligten angenehm, wenn eine Kommune möglichst viele Wohltaten an möglichst alle Einwohner verteilt. Aber selbst in Selmsdorf ist es nicht mehr möglich, über alle das Füllhorn auszukippen, und es funktioniert keine lebendige Gemeinde nach dem Motto: Die oben schütten aus, die unten nehmen‘s an und bleiben passiv. Eltern in Selmsdorf sind aktiv geworden. Sie haben sicher auch anderes in ihrer Freizeit zu tun, als sich um das Wohl der Kinder anderer Leute zu kümmern. Aber sie leiten zehn Arbeitsgemeinschaften, Lehrer leiten zwei. Respekt. Jürgen Lenz

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