Nordwestmecklenburg: Folgen des Lockdowns für Gewerbetreibende hart

Den Kopf in den Sand stecken? Nein, das kommt für Grit Schneider und ihren Lebensgefährten Marc Massa nicht infrage. „Wenn wir ehrlich sind, haben wir mit einer solchen Entscheidung gerechnet“, gibt er zu. Der zweite Lockdown bundesweit sorgt für drastische Einschnitte im öffentlichen Leben. Vor allem Hotels und Restaurants müssen sich erneut auf die Schließung ab Montag, 2. November, vorbereiten. Auch das „Baumhaus“ in Klein Pravtshagen. Mit einem Abholservice nutzen Grit Schneider und Marc Massa nun die Möglichkeit, irgendwie den Betrieb aufrechtzuerhalten. Vor zwei Jahren hat das Duo Hotel und Restaurant übernommen. Das original finnische Vollstammhaus aus geschälten Kiefernstämmen ist eine Besonderheit im Klützer Winkel. Die Gäste kommen gern, Existenzängste hatte das Duo nicht. Dann kam im Frühjahr der erste Lockdown. „Das war schon hart“, gibt Grit Schneider zu. Als die Regelungen gelockert wurden, starteten sie und ihr Lebensgefährte voller Tatendrang in die Saison. „Die lief sehr gut, auch dank unserer großzügigen Außenterrasse“, sagt sie. Kurzarbeit soll vermieden werden: Vorreservierungen für Weihnachtsfeiern gingen ein, Konzepte wurden ausgetüftelt, um noch mehr Gäste anzulocken. Unter anderem sollte es im November einen spanischen und einen französischen Abend geben. Nun sitzt Grit Schneider vor ihrem Laptop und bastelt an der Speisekarte für den Lieferservice. „Wir müssen reagieren, immerhin haben wir eine Verantwortung unseren sieben Angestellten gegenüber. Wir haben sie beim ersten Lockdown nicht in Kurzarbeit geschickt und wollen es jetzt auch nicht“, sagt Marc Massa. Ab Montag wird es einen Abholservice geben. Mit Burgern und Flammkuchen wollen sie dabei ein besonderes Angebot schaffen. Die aktuelle Speisekarte ist weiterhin gültig. Jeden Abend von 16 bis 20 Uhr ist geöffnet. Ab einem Bestellwert von 30 Euro gibt es sogar eine kleine Besonderheit. „Eine Flasche Erfrischungsgetränk oder eine Rolle Toilettenpapier“, erklärt Grit Schneider mit einem Lachen. Das will sie in der verrückten Zeit nicht verlernen – und beide wollen weiterhin positiv in die Zukunft schauen. „Ab dem kommenden Jahr sind wir weiterhin auf der Suche nach Angestellten“, verrät Marc Massa. Den Kopf in den Sand stecken? Nein, das kommt nicht infrage. Grevesmühlen setzt auf Lieferservice: Ähnlich wie im Frühjahr setzen die Grevesmühlener Restaurants auf Lieferdienste. Das „Athen“ in der August-Bebel-Straße hat bereits angekündigt, in den nächsten Wochen den Außer-Haus-Service anzubieten und auszubauen. Ebenso wie Mario Wehr, der im Bahnhof das Café Kaffeebrenner betreibt. Auch dort heißt es ab Montag: online oder telefonisch bestellen. Bis Sonnabend hat das Café zu den gewohnten Zeiten noch geöffnet, auch zur Kulturnacht. Vorgesorgt hat auch Jörg Strohmeyer mit seinem Restaurant am Bleicherberg in Grevesmühlen. Der Unternehmer, der unter anderem mit seinem Mittagstisch seit Jahren eine große Zahl an Stammkunden gewonnen hat, wird ab kommender Woche verstärkt Mahlzeiten ausliefern. „Das haben wir im Frühjahr gemacht, das werden wir auch jetzt wieder tun“, so der 61-Jährige. Glücklicherweise sei das Geschäft über den Sommer gut gelaufen, sodass er dem November zwar nicht gelassen, aber durchaus optimistisch entgegensieht. „Wir schaffen das, solange es wirklich bei einem Monat bleibt.“ Kulturnacht findet statt: Die für Freitag, 30. Oktober, geplante Kulturnacht in Grevesmühlen findet statt. Das gab Bürgermeister Lars Prahler am Donnerstag bekannt. „Die Veranstaltung ist auch weiterhin zulässig, da die in Berlin vereinbarten Maßnahmen voraussichtlich am 2. November starten. Darüber hinaus haben wir Veranstalter dafür Sorge zu tragen, das Infektionsrisiko im Rahmen der Veranstaltung so gering wie möglich zu halten“, so Grevesmühlens Bürgermeister. Letztlich beinhalte die Kulturnacht lediglich verlängerte Öffnungszeiten der beteiligten Einzelhandelsunternehmen bis 20 Uhr sowie Lichtinstallationen im Außenbereich, die so verteilt seien, dass größere Menschengruppen nicht miteinander in Kontakt kommen würden. Lars Prahler weiter: „Die kulturellen Beiträge werden im Rathaussaal aufgezeichnet und über Internet auf Leinwände und Bildschirme sowie auf Smartphones und heimische PCs übertragen. Auch gegen das Stadtfeuerwerk spricht aus hygienischer Sicht nichts.“ Das Stadtoberhaupt appelliert an die Einwohner, dass es so oder so bei allen gesetzlichen Regelungen und Empfehlungen für die Kulturnacht und auch darüber hinaus darauf ankomme, „dass sich jeder Einzelne darauf besinnt, verantwortungsvoll und besonnen zu agieren“. Schließungen im Klützer Winkel: In Boltenhagen haben die ersten Restaurants bereits die vorläufige Schließung angekündigt. Wie Dirk Schiewer vom Bistro „Sommerlaune“ ankündigt, gehe sein Unternehmen ab Montag „in die Pause“. Auch aufgrund der aktuellen Entwicklung des Coronavirus „haben wir uns dazu entschlossen, unser Bistro vorläufig zu schließen“. Die Maßnahme diene dem Schutz der Gäste und Mitarbeiter. Im Dezember soll das beliebte Bistro wieder an den Wochenenden öffnen. Heftige Kritik an den Maßnahmen aus Boltenhagen: „Es trifft immer die Falschen“, meint Wolfgang Seidel, Chef vom Restaurant „Zur Düne“ in Boltenhagen. Nun werden in seinen Augen nämlich die bestraft, die für diese strengen Hygienevorschriften doch am wenigsten könnten. Denn die vielen privaten Partys seien es doch gewesen, nach denen es vor allem Corona-Fälle gab. Aber doch nicht in den Lokalen, die sich an die gesetzlichen Auflagen hielten. „Auch bei uns hat es in dieser Zeit keine Privat-Party gegeben“, so Seidel. Dem Familienbetrieb bleibe nun gar keine andere Wahl, als am Montag komplett zu schließen. Die 15 Angestellten müssen dann erst einmal entlassen werden. Ihnen und Seidel bleibt nur die Hoffnung, dass der Lockdown nicht zu lange dauert und das Restaurant in naher Zukunft wieder öffnen kann. „Das müssen wir jetzt erst einmal aushalten. Klar ist, dass von den kleinen Lokalen nicht alle überleben werden.“ Deichläufer schließt für einen Monat: „Die Politik macht sich das extrem einfach“, meint Thomas Lange, Geschäftsführer vom Restaurant „Deichläufer“ in Boltenhagen. Da werde nach außen von Unterstützung gesprochen, die es in Wahrheit gar nicht gebe. Gerade einmal die Finanzhilfe von 9000 Euro hatte er beim ersten Lockdown bekommen. „Die war in zwei Minuten für alle laufenden Kosten aufgebraucht“, so Lange. Andere Hilfe bekam der 32-Jährige nicht. Denn von den Punkten, die dafür erfüllt sein müssen, war immer einer dabei, den er nicht erfüllen konnte – ganz zu schweigen von den vielfach versprochenen Geldern aus der KFW-Bank. „Von denen kriegt man keinen Cent“, schimpft er. Wie die Mitarbeiter und andere anfallende Kosten bezahlt werden können, das interessiere niemanden. Besonders dreist sei das Verhalten der eigenen Versicherung. „Dort ist mir zuerst gesagt worden, dass ich nicht gegen Corona versichert wäre. Später kam ein Angebot, bei dem 9000 Euro abgezogen wurden“, so Lange. Begründung: Die Summe hätte er schon als Finanzhilfe bekommen. „Ungeheuerlich“, kommentierte er. Ab Montag ist der „Deichläufer“ geschlossen. „Wir bieten keinen Lieferservice oder Essen zum Abholen an. Das würde gar keinen Sinn machen. Denn es käme ohnehin niemand. Nicht die Einheimischen und auch keine Touristen, die ja sowieso nicht kommen dürfen“, so Lange. Vier Wochen wären zu verkraften: Vom Liefer- oder Abholservice nehmen auch Manuela Homuth-Weilepp und ihr Mann Thomas Weilepp Abstand. Sie betreiben die Villa Seebach in Boltenhagen und die Klützer Mühle. „Wir haben einen starken Sommer gehabt“, resümiert Manuela Homuth-Weilepp. Wenn der jetzige Lockdown nur vier Wochen andauern würde, wäre das noch zu verkraften, meint sie. Aber gehe er darüber hinaus, womit sie fast rechnet, werde es schwierig. Dann müsse sie auch wieder Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken – in der Villa Seebach sind derzeit 13 Mitarbeiter beschäftigt, in der Klützer Mühle sieben. Bis Ende November könne die Schließung beider Häuser mit Urlaub und dem Abbau von Überstunden überbrückt werden. Am Donnerstag stand das Telefon nicht mehr still. „Ich habe ganz viele Anfragen für das Wochenende bekommen. Viele wollen es noch ausnutzen, bevor der Lockdown gilt“, erklärt Manuela Homuth-Weilepp. An anderer Stelle mussten Stornierungen erledigt werden, denn ab kommender Woche ist der Urlaub an der Küste durch die Maßnahme der Bundesregierung für Tausende gestrichen. „Die Entscheidung der Regierung ist aber letztlich nachvollziehbar und sinnvoll“, gibt sie zu. Als vernünftig bezeichnet auch das Team der Weiße Wiek in Boltenhagen die Entscheidung, die am Donnerstag in Berlin getroffen worden war. Ohne Groll und Zorn würden die Türen am Montag bis zum 30. November geschlossen, heißt es auf der Internetseite und in den sozialen Medien. Feiern bis ins Frühjahr abgesagt: Von den neuen Bestimmungen ist auch der Jägerhof Ostsee im Dassower Ortsteil Holm betroffen. Inhaberin Stefanie Dutschke sagt: „Das Restaurant ist ab Montag geschlossen.“ Bis ins Frühjahr 2021 sind alle größeren Feiern abgesagt. Das Hotel des Jägerhofs Ostsee bleibt nach Auskunft der Geschäftsführerin für Monteure und Dienstreisende geöffnet. Die Gaststätte Soltow in der Bahnhofstraße in Schönberg bietet jeden Tag von 10 bis 14 Uhr einen Abholservice für Essen an. „Wir bieten auch einen Lieferservice“, ergänzt Inhaberin Karina Herzog. Ausgefahren wird täglich von 10 bis 13 Uhr. Telefonisch ist sie unter der Nummer 038828/24144 zu erreichen. Lesen Sie auch Trotz Lockdown: Kulturnacht in Grevesmühlen findet Freitag statt Dassow: Corona-Fall in Kita: Kinder und Erwachsene in Quarantäne Damshagens Bürgermeisterin wird Standesbeamtin Corona in MV: Inzidenz der Städte und Landkreise am Mittwoch 28.10.2020 Von Jana Franke, Jürgen Lenz, Dirk Hoffmann und Michael Prochnow