Präsenzunterricht in Nordwestmecklenburg ausgesetzt: Eltern empört

Frust bei Eltern und Megastress bei Lehrern und Schulleitern. Am vergangenen Wochenende erreichte viele Eltern in Nordwestmecklenburg die überraschende Nachricht, dass ab Montag, 15. März, der Präsenzunterricht an den Grund- und Regionalschulen von Klasse 1 bis 6 wieder ausgesetzt werde, weil die Inzidenz im Nordwestkreis am Stichtag 10. März über 100 lag. Deshalb wurde der Präsenzunterricht, der seit dem Ende der Winterferien in Nordwestmecklenburg für Grundschüler und Teile der Regionalschüler wieder möglich war, ausgesetzt. Das Problem dabei: Die Meldung aus Schwerin kam kurz vor 17 Uhr am Freitag. Hackerangriff erschwert Homeschooling: Das zweites Problem: Weil ein Hackerangriff auf die Server der öffentlichen Verwaltungen und Behörden in MV nach wie vor erhebliche Auswirkungen hat, verfügen viele Schulen derzeit über keine E-Mail-Postfächer und können auch keine offiziellen Mails versenden. Lesen Sie auch Fast eine halbe Million Corona-Selbsttests an Schulen in MV verteilt MV öffnet ab Montag seine Schulen weiter – Selbsttest sollen helfen Früher als geplant: Viele Schüler in MV dürfen wieder in die Schule Deshalb wurden die meisten Eltern über die Whatsapp-Gruppen in den Klassenchats informiert, doch längst nicht alle Familien hatten am Montagmorgen die Nachricht erhalten. Ratlose Gesichter zum Schulstart am Montag. Und die Frage: Ging das nicht schneller? Und warum kam die Mitteilung erst am Freitagabend? Verordnung wurde erst am Freitag veröffentlicht: Das, so Ministeriumssprecher Henning Lipski, habe mit der Novellierung der Schul-Corona-Verordnung zu tun, die erst am Freitag zur Veröffentlichung gegeben worden sei. Die alte Verordnung war nur bis zum 14. März gültig. „Deshalb musste im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz eine Nachfolgeregelung getroffen werden.“ Das Schweriner Bildungsministerium teilt mit: Wo am 10. März die Inzidenz zwischen 100 und unter 150 lag, betroffen ist davon in MV nur Nordwestmecklenburg, gelten folgende Regeln: Für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 wird eine Betreuung in der Schule angeboten. Die Präsenzpflicht ist aufgehoben. Erziehungsberechtigte werden gebeten, ihre Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. Sollte dies nicht möglich sein, sind die Kinder für den Schulbesuch anzumelden. Es findet kein regulärer Unterricht statt, insbesondere kein planmäßiger Fortschritt in den Sach- und Themengebieten. Es werden Übungen zum Wiederholen und Festigen angeboten, die inhaltlich den Aufgaben entsprechen, die auch die Kinder erhalten, die zu Hause bleiben. In allen anderen Jahrgangsstufen wird Distanzunterricht angeboten. Eine Ausnahme hiervon sind die Abschlussklassen. Diese werden unter Pandemiebedingungen weiterhin beschult. Die Präsenzpflicht wird grundsätzlich aufgehoben, das gilt nicht für prüfungsähnliche Klausuren in Leistungskursfächern der gymnasialen Oberstufe oder die Prüfungen selbst. Sollte ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt zwei Werktage hintereinander eine Inzidenz von 150 oder mehr aufweisen, wird am darauffolgenden Werktag der Schulbesuch grundsätzlich untersagt, für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 wird eine Notfallbetreuung angeboten. Nur die Abschlussklassen werden als Ausnahme weiter in Präsenz beschult. Grundsätzlich gilt, dass den Schulen ein Wechsel der Stufen eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt ausschließlich durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur nach Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden bekanntgegeben wird. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte Anfang der Woche stattgefunden. Anschließend seien umfangreiche Abstimmungen unter den Behörden und Interessenvertretungen notwendig gewesen. Das sei der Grund, weshalb die Verordnung erst so spät veröffentlicht werden konnte. Schulleiter kritisieren Informationspolitik: Wie mehrere Schulleiter auf Anfrage der Redaktion berichteten, habe man kein Verständnis für diesen Aktionismus aus Schwerin. Denn nachdem am späten Freitagnachmittag die Verordnung bei den Schulen ankam, war noch längst nicht klar, wie man damit umzugehen habe. „Allein um zu verstehen, was jetzt Sache ist, dann zu entscheiden, wie wir damit verfahren, das dauert mehrere Stunden“, so ein Lehrer gegenüber der Redaktion. Seinen Namen möchte er lieber nicht nennen. „Denn man muss schon kritisch sagen, wie das Ende vergangener Woche gelaufen ist. Das kann es wirklich nicht sein.“ Denn im Vorfeld habe es keinerlei Hinweise gegeben, dass eine solche Regelung für Nordwestmecklenburg zu erwarten sei. „Wenn man uns wenigstens vorgewarnt hätte, aber da kam nichts.“ Frust bei den Eltern: Unter den Eltern herrscht ebenfalls Frust über die Maßnahmen. Eine Mutter am Redaktionstelefon: „Fest steht, dass Kinder in Nordwestmecklenburg, vor allem die Grundschüler, schlechter beschult werden als in anderen Landkreisen.“ Denn gerade habe der Unterricht wieder halbwegs normale Ausmaße angenommen, da sei schon wieder Schluss. „Machen wir uns doch nichts vor, bis Ostern passiert nichts mehr. Der Anfang des Schuljahres war schon holprig genug, wann sollen die Kinder denn den ganzen Stoff lernen?“ Die Schulen hatten am Wochenende mitgeteilt, dass auch bei der Notbetreuung kein Unterricht stattfinden würde, um jene Kinder, die zu Hause bleiben, nicht zu benachteiligen. Warum mache die Landrätin keinen Druck in Schwerin, um den Schulbetrieb in Nordwestmecklenburg aufrechtzuerhalten? Ab 22. März wieder Präsenzunterricht: Die spannende Frage ist nun übrigens, wie lange der Präsenzunterricht in Nordwestmecklenburg ausgesetzt wird. Denn in der neuen Verordnung heißt es, wenn der Inzidenzwert nach dem 13. März mindestens drei Tage lang unter 100 liegt, dann „[findet] in den Jahrgangsstufen 1 bis 6 und in den Abschlussjahrgängen ein täglicher Präsenzunterricht in Form eines Regelbetriebs unter Pandemiebedingungen unter dem freiwilligen Einsatz von Selbst- und Schnelltests statt“. Bedeutet, ab dem 22. März könnten die Schule wieder Unterricht anbieten, eine Präsenzpflicht ist allerdings noch lange nicht in Sicht. Von Michael Prochnow