Selmsdorf erhöht Steuern und Kitabeiträge

„Wenn ich einmal reich wär . . .“ intonierte das politische Oberhaupt der Kommune, die bislang zu den wohlhabendsten im Land gehörte. Jetzt heißt es nur noch „wenn“, denn Selmsdorf ist tief in die Miesen gerutscht — mit immer mehr Folgen für die Bürger. Die Gemeindevertretung strich und kürzte am Donnerstagabend etliche Privilegien, die die Kommune in den vergangenen Jahren ihren Einwohnern gewährte. Vorbei sind die Zeiten, als Selmsdorf deutlich mehr für die Kinderbetreuung zahlte als fast alle anderen Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern. Nun beschränkt sich auch die Gemeinde im Speckgürtel von Lübeck auf den gesetzlichen Mindestanteil. Die Folge: Eltern müssen mehr zahlen als bisher. Für einen Ganztagsplatz in der Krippe sind jetzt pro Monat 43,04 Euro mehr fällig, für einen Teilzeitplatz 28,33 Euro, für einen Halbtagsplatz 21,13 Euro. Der Elternbeitrag für einen Ganztagsplatz im Kindergarten steigt um 20,78 Euro, der für einen Teilplatzplatz um 15,07 Euro, der für einen Halbtagsplatz um 12,38 Euro. Für einen Ganztagsplatz im Hort zahlen Eltern jetzt 16,11 Euro mehr, für einen Teilzeitplatz 12,07 Euro. Fünf Gemeindevertreter und der Bürgermeister stimmten für die Änderungen, Christian Albeck (SPD) und Karl-Heinz Kniep (CDU) stimmten dagegen. Zu Beginn der Sitzung berichtete Hitzigrat, dass sich Vertreter der Gemeinde mit Landrätin Birgit Hesse (SPD) getroffen haben. Ihre Themen: die prekäre finanzielle Lage von Selmsdorf und die Fehler bei der Auftragsvergabe für einen 2,6 Millionen Euro teuren Solarpark. Wie berichtet, hatten Hitzigrat und sein Stellvertreter Albeck den Kaufvertrag für die Fotovoltaikanlagen am 17. April 2012 unterschrieben — ohne Ausschreibung, ohne gültigen Haushaltsplan, ohne ausdrücklichen Beschluss der Gemeindevertreter, die sich allerdings grundsätzlich für den Kauf ausgesprochen hatten. Hitzigrat sagte am Donnerstagabend: „Wir wurden darauf hingewiesen, so etwas nicht wieder zu machen.“ Er und Albeck hätten zu keinem Zeitpunkt der Gemeinde schaden wollen. Am Donnerstagabend berichtete Hitzigrat von einem Ratschlag, den er in der Kreisverwaltung für den Fall bekommen habe, dass die Gemeindevertreter entgegen den Hinweisen der Kommunalaufsicht nicht bei den freiwilligen Leistungen kürzen: „Es wurde mir heute nahegelegt, dass ich, wenn nötig, in Widerspruch gehe.“ Es gehe auch darum zu zeigen, „dass es bei uns Klick gemacht hat.“ Wenn die Gemeinde eines Tages wieder besser bei Kasse wäre, sei er der letzte, der sich gegen freiwillige Leistungen der Kommune ausspreche. „Ich gehe diesbezüglich in Widerspruch“, kündigte Hitzigrat sofort an, nachdem eine Mehrheit der Gemeindevertretung dafür gestimmt hatte, den Zuschuss der Kommune von 50 Cent pro Mittagessen und Kind nicht zu kürzen. Den Rotstift legten die Kommunalpolitiker dagegen bei anderen sozialen Leistungen an: Begrüßungsgeld für Neugeborene von 250 Euro auf 150, Schultütengeld für Abc-Schützen von 75 Euro auf 50. Trinkmilch gibt die Gemeinde Selmsdorf nach einem einstimmigen Beschluss von Donnerstagabend nicht mehr kostenlos an Kinder aus. Das Budget der Selmsdorfer Schule für kulturelle Betreuung, Klassenfahrten und ähnliche Zwecke schrumpft nun von 39 000 Euro auf 20 000. Die Hundesteuer steigt dagegen: für den ersten Hund von bisher 26 Euro im Jahr auf 40, für den zweiten Hund von 77 Euro auf 80. Für einen „gefährlichen Hund“, steigt die Hundesteuer von 208 Euro auf 500. Bei den neuen Sätzen orientierten sich die Gemeindevertreter an Nachbarkommunen. Steigen wird nach ihrer Entscheidung auch die Steuer für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Die für bebautes Land zu zahlende Grundsteuer bleibt dagegen in der Gemeinde Selmsdorf gleich. Umstrittene Steuer Die Hundesteuer ist nicht dazu bestimmt, die Kosten für die Säuberung von Wegen und Grünanlagen zu decken, die durch Hinterlassenschaften der Tiere verschmutzt werden. Das eingenommene Geld unterliegt keiner Zweckbindung, sondern fließt in den allgemeinen Haushalt der Gemeinde ein. Dieser Umgang mit dem Geld von Hundehaltern hat in Deutschland Tradition. Anfang des 19. Jahrhunderts füllte das Herzogtum Holstein damit die Armenkasse. In Offenbach diente die Hundesteuer dazu, Kriegsschulden zu begleichen. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist die Klage eines Deutschen gegen die Hundesteuer anhängig. Der Anwalt argumentiert, sie sei willkürlich und verstoße gegen das Diskriminierungsverbot. jl Jürgen Lenz

Selmsdorf - Selmsdorf erhöht Steuern und Kitabeiträge