Streit um Buslinien: Wer betreibt den Nahverkehr ab 2016?

Attraktiver, schneller, günstiger — Das soll der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ab 2016 für die Nordwestmecklenburger sein. Die Debatten um den neuen Nahverkehrsplan laufen seit Monaten. Ein abschließendes Ergebnis gibt es bisher nicht. Nun steht der Landkreis vor dem Problem, dass sich gleich zwei Unternehmen auf die Ausschreibung für den ÖPNV beworben haben. Die Busbetriebe Wismar (BBW) und die Grevesmühlener Busbetriebe (GBB) wollen den Nahverkehr im Landkreis ab 2016 eigenwirtschaftlich, also auf eigene Rechnung und ohne öffentliche Zuschüsse, übernehmen. Das gefährdet zum einen den Zeitplan des Kreises, könnte darüber hinaus aber auch bedeuten, dass die Busse ab 2016 nicht wie bisher geplant und vor allem für die Fahrgäste auch teurer als geplant durch den Nordwestkreis rollen. Eigentlich hatte der Landkreis angekündigt, die Durchführung des ÖPNV direkt an einen eigenen, kommunalen Betrieb zu vergeben, nämlich die GBB, die dann Nahbus heißen wird. Und nun verabschiedet sich auch noch Stefan Lösel, Geschäftführer der GBB, der maßgeblich an dem Nahverkehrskonzept beteiligt war, in Richtung Landkreis Ludwigslust/Parchim. Gestern hat er den Arbeitsvertrag als Geschäfstführer der Verkehrsgesellschaft Ludwigslust/Parchim unterschrieben. Am 1. Juli 2015 wird er dort voraussichtlich seinen ersten Arbeitstag haben. Für Landrätin Kerstin Weiss (SPD) kam der Wechsel Lösels offenbar überraschend. „So viel ich weiß, hat Herr Lösel seinen Wohnsitz in den Landkreis Luwigslust/Parchim verlegt. Andere Gründe sind mir nicht bekannt“, so die Verwaltungschefin. Sie habe zudem nicht von Stefan Lösel persönlich, sondern von Rolf Christiansen, Landrat Ludwigslust/Parchim, davon erfahren. Für die Nachfolge Lösels gebe es laut Kerstin Weiss noch keine Vorbereitungen. „Anfang des Jahres werden wir aber die Wiederbesetzung schnellstmöglich ausschreiben.“ Für Stefan Lösel ist der Wechsel in die Verkehrsgesellschaft Ludwigslust/Parchim ein Karrieresprung. „Und ich erhoffe mir bessere Arbeitsbedingungen, ein Büro, ein Unternehmen“, so Lösel auf Anfrage. In Nordwestmecklenburg pendelt er oft zwischen den Stühlen, etwa als Geschäftsführer der GBB, als Leiter des Eigenbetriebs Nahverkehr Nordwestmecklenburg (ENN) und als Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsbetriebes des Kreises, hin und her. Hinter den Kulissen soll es aber auch geknirscht haben. Nach OZ-Informationen soll Lösel eigenmächtig den GBB-Antrag für den ÖPNV ab 2016 gestellt haben, ohne die Landrätin zu informieren. Darüber hinaus gibt es Querelen zwischen den Busbetrieben Wismar und dem Landkreis respektive dem Eigenbetrieb Nahverkehr. Seit 2012 sollen die BBW keine Fördermittel für ihre Leistungen im ÖPNV mehr erhalten haben. Mehrere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht laufen. Es soll um Rückforderungen in sechsstelliger Höhe gehen. Verantwortlich für die Fördermittelverteilung ist der ENN. Der hatte die BBW zudem kritisiert, Linien ungerechtfertigt ausgebaut zu haben, was BBW-Geschäftsführer Dieter Post bestreitet. Beide Unternehmen werfen sich zudem gegenseitig vor, in der Vergangenheit Absprachen zu Fahrscheinentgelten unterlaufen zu haben. Dass sich die GBB auf den eigenwirtschaftlichen Betrieb des ÖPNV im Kreis beworben hat, ist die Reaktion auf die Bewerbung der BBW gewesen. Laut Gesetz haben bei solchen Vergabeverfahren eigenwirtschaftliche Angebote Vorrang vor öffentlichen Aufträgen. Ein Zuschlag an BBW würde den kommunalen Betrieb GBB gefährden. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr entscheidet über die Vergabe. „Unser Antrag ist besser als der von den Busbetrieben Wismar. Ich bin optimistisch, dass GBB sich durchsetzen wird“, sagt Stefan Lösel. Er sagt auch, dass „Busfahren auf lange Sicht teurer werden würde“, sollte der ÖPNV tatsächlich durch ein Unternehmen auf eigene Rechnung bestritten werden. Das wäre mit den BBW der Fall. Sollt der GBB-Antrag befürwortet werden, könnten allerdings trotzdem öffentliche Mittel zugeschossen werden. Rechtlich sei das möglich, weil die GBB ein kommunales Unternehmen sind. Doch noch ist vieles offen, unter anderem auch, wie der Nahverkehr, wenn denn die Planungen des Kreises aufgehen, überhaupt finanziert werden soll. Darüber hinaus könnte im Falle der eigenwirtschaftlichen Vergabe das unterlegenen Unternehmen klagen, was die Zeitschiene gefährden könnte. Ende Januar will sich der Kreistag in einer Sondersitzung des Themas annehmen. Das Konzept für NWM Ab 2016 soll der Busverkehr im Landkreis neu gestaltet werden. Das Fahrplanangebot soll ausgebaut werden, gleichzeitig soll Busfahren für die Menschen deutlich günstiger werden — so das Ziel. Der nach Entfernungen gestaffelte Einzeltarif soll wegfallen. Stattdessen soll eine Einzelfahrt, egal wie weit, immer gleich viel kosten. Geplant sind außerdem Zeitfahrkarten, die für das gesamte Liniennetz gelten und nicht nur für eine Strecke. Bisher gründet das Busnetz hauptsächlich auf dem Schülerverkehr. Der Kreis ist gesetzlich dazu verpflichtet, diesen vorzuhalten. Mit dem neuen Konzept sollen die jährlichen Fahrplankilometer von fünf Millionen auf zehn Millionen verdoppelt werden. Die Fahrgastzahlen außerhalb des Schülerverkehrs sollen sich verdreifachen. Grundlage des Konzeptes ist eine Umstrukturierung des Liniennetzes. Im ländlichen Bereich, also außerhalb der Kreisstadt Wismar, sollen die Busse nur noch auf sieben Hauptverkehrsachsen fahren. Auf diesen Strecken sollen die Busse zu Hauptverkehrszeiten stündlich, ansonsten alle zwei Stunden fahren. Die umliegenden Dörfer sollen mit sogenannten alternativen Bedienformen erreicht werden, also Anrufbusse, Taxis oder ähnliches. Diese bringen die Fahrgäste quasi auf Bestellung zur Hauptlinie. Die sieben Hauptachsen sind: 1. Wismar-Grevesmühlen-Dassow-Lübeck 2. Wismar-Boltenhagen-Dassow-Schönberg-Herrnburg-Lübeck 3. Wismar-Neukloster-Warin-Blankenberg-Schwerin 4. Insel Poel-Wismar-Schwerin 5. Wismar-Gadebusch-Ratzeburg 6. Schwerin-Grevesmühlen-Boltenhagen 7. Schwerin-Gadebusch-Schönberg-Lübeck Robert Niemeyer

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