Tausende neue Ferien-Quartiere in MV geplant: Kurdirektor fordert Betten-Stopp

Überfüllte Strände, Gedränge in den Geschäften, Staus auf den Straßen: Jetzt zum Start der Hochsaison sind viele Urlaubsorte in MV voll, gleichzeitig sind im Land aber noch Tausende neue Gäste-Quartiere geplant. Der erste Kurdirektor im Land fordert deshalb jetzt einen Betten-Stopp. „Wir können nicht einfach immer weiter bauen. Das beschädigt die Akzeptanz der Einheimischen für den Tourismus“, sagt Thomas Heilmann, Kurchef der drei Usedomer Kaiserbäder Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck – eine der größten Urlauber-Adressen im Land. Verhältnis: 1 Einwohner – 2 Gästebetten: Der Touristiker macht sich für eine landes- oder gar bundesweite Betten-Obergrenze stark: „Ich bin für ein Verhältnis von 1:2. Das heißt: Auf einen Einwohner sollen in einem Ort nur zwei touristische Betten kommen dürfen“, sagt Heilmann. Sonst werde es einfach zu voll. Allerdings: In MV haben nahezu alle großen Seebäder diese Marke bereits überschritten. Boltenhagen beispielsweise hat 2500 Einwohner und schon jetzt 10 000 Betten, vier weitere Hotels sind dort geplant. Die drei Kaiserbäder selbst liegen bei 8000 Einheimischen und 24 000 Betten. „Natürlich muss es Bestandsschutz für die Quartiere geben, die bereits am Markt sind, aber wo wir bei über 1:2 liegen, dürfte dann eben nichts Neues mehr entstehen“, sagt Heilmann dazu. „Die Menschen kommen doch wegen der schönen Landschaft“: Großen Beifall bekommt der Kurdirektor von Naturschutzverbänden: Corinna Cwielag, Geschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert seit Langem vehement einen Stopp von neuen Hotels und Feriensiedlungen. Günther Jikeli, SPD-Kreistagsmitglied und Nabu-Aktivist in Vorpommern unterstützt: „Die Menschen kommen wegen der schönen Landschaft zu uns. Wir dürfen nicht weitere Natur zerstören, in dem wir weitere Großprojekte zulassen.“ Amtskollegen Heilmanns und Bürgermeister der Seebäder gehen nicht soweit, dass sie eine Obergrenze fordern. „Wir müssen aber aufpassen, dass nur dort neu gebaut werden darf, wo es absolut sinnvoll ist und wo es die Qualität der Orte steigert“, sagt Boltenhagens Bürgermeister Raphael Wardecki (Grüne). Die Hoheit darüber, was zugelassen werde, solle jedoch bei den Gemeinden und Landkreisen bleiben, sagt er. Wirtschaftsminister gegen zu starke Regulierung: Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) ist ebenfalls gegen eine zu starke Regulierung. MV gehöre zu den führenden Urlaubsregionen Deutschlands. „Diese Position wollen wir halten und ausbauen“, so der Minister. In ausführlichen Genehmigungsverfahren werde bereits geprüft, ob Projekte zu den Orten passen. Das Urlaubsland MV bricht seit Jahren immer wieder Gäste-Rekorde. Mehrfach wurde in einer Saison die Grenze von 30 Millionen Übernachtungen überboten. Im vergangenen Jahr gab es den Rekord mit rund 34 Millionen Übernachtungen. Die Zahl der Betten ist in den vergangenen fünf Jahren um rund 50 000 gestiegen. Es gibt im Land 340 000 gewerbliche Betten und rund 110 000 privat vermarktete (insgesamt 450 000). Grünes Licht für neue Ferien-Unterkünfte geben die jeweiligen Gemeinden und Landkreise in aufwendigen Genehmigungsverfahren, in denen zum Beispiel auch Naturschutzverbände und Umweltämter beteiligt werden. Auch die Raumordnungsämter des Landes geben ihre Stellungnahmen ab, ob beantragte größere Tourismus-Vorhaben noch zur Infrastruktur eines Ortes passen. Tobias Woitendorf, Geschäftsführer des Landestourismusverbandes, fordert in der Landes-Tourismus-Konzeption eine stärkere Konzentration auf Qualität. „Wir brauchen im Kern keinen Zuwachs an Betten, sondern nur dort Neues, wo es etwas Besonderes ist und auch den Trend zum Ganzjahres-Tourismus stärkt“, sagt er. Einwohner sollen sich mit Orten noch identifizieren können: Eine genaue Zahl gibt es nicht, aber für ganz MV sind noch Tausende neue Ferienbetten geplant und teilweise schon genehmigt: Zum Beispiel neue Hotelneubauten in Bansin und Karlshagen auf Usedom oder große Ferienanlagen in der Wohlenberger Wiek (Nordwestmecklenburg) und der Halbinsel Pütnitz am Saaler Bodden. „Ich würde mir jetzt eine politische Debatte zur Obergrenze wünschen“, sagt Heilmann: „Damit die Einheimischen sich mit ihren Orten noch identifizieren und gleichzeitig gute Gastgeber sein können.“ Jetzt neu: Wir bieten Ihnen gebündelt alle News und Tipps rund um den Urlaub in MV in Corona-Zeiten. Der Newsletter kommt jede Woche am Donnerstag gegen 10 Uhr in Ihr E-Mail-Postfach. Ganz einfach hier anmelden! Mehr zu diesem Thema: Neue Hotels und Resorts: Das sind die spannendsten Großprojekte im Tourismus von MV Kommentar: Obergrenze für Gäste-Betten in MV: Gute Idee – aber schwer umsetzbar Leser-Umfrage: Was halten Sie von einer Betten-Obergrenze für Urlauber in MV? Von Alexander Loew