Viele Menschen suchen Schutzraum auf

Viele Jahre arbeitete Wilhelm Reichel im Sperrgebiet. Jetzt fuhr er nach Schlagsdorf, um ein paar Erinnerungen aus der Zeit aufzufrischen — und stieß in Schlagsdorf auf den „Schutzraum Erinnern“. Das von der Mecklenburger Künstlerin Renate Schürmeyer gestaltete Gebäude soll dazu einladen, Erinnerungen, Gedanken und Gefühle zur jüngeren deutschen Geschichte zu erzählen und niederzuschreiben. Viele Menschen nehmen diese Einladung an, seit der „Schutzraum Erinnern“ unweit des „Grenzhus“ genannten Informationszentrums zur deutschen Geschichte am 13. Juni eröffnet hat. Persönliche Erinnerungen, Gedanken und Gefühle stehen dort wertfrei nebeneinander — ein facettenreiches Mosaik auf der Grundlage deutsch-deutscher Geschichte. Renate Schürmeyer berichtet: „Es passiert oft, dass ich zum ,Schutzraum Erinnern‘ komme und Leute sind drin.“ Menschen kämen miteinander ins Gespräch. Sie freue sich, dass das Angebot so aktiv angenommen werde. Renate Schürmeyer sieht sich in einer Einschätzung bestätigt, die sie bei anderen Kunstprojekten gewonnen hat: „Das Bedürfnis, darüber zu sprechen, wie die Zeit der deutschen Teilung und die Nachwendezeit erlebt wurden, ist sehr groß. “ „Ich finde das Projekt sehr gut“, sagt Wilhelm Reichel, der mit seiner Frau Ursula von Güstrow nach Schlagsdorf gefahren ist. Er erzählt: „Ich war zu DDR-Zeiten des Öfteren in diesem Ort.“ Wilhelm Reichel arbeitete von 1970 bis 1981 als Sozialarbeiter der Caritas in einem Gebiet, das von Herrnburg bis Dömitz reichte. Er berichtet: „Ich habe viele Gespräche hier geführt, Verzweiflung kennen gelernt, aber auch Mut und Gottvertrauen.“ Die Aussagen, die er jetzt im „Schutzraum“ lesen könne, seien interessant und wichtig. Freiheit sei ein kostbares Geschenk. Grenzhusleiter Dr. Andreas Wagner sagt: „Ich bin froh, dass wir dieses Kunstprojekt realisieren können. Viele Menschen suchen den ,Schutzraum Erinnern‘ auf.“ Er sei „ein eigenes Element des Lernortes Grenzhus Schlagsdorf“. Dabei geschehe etwas sehr Seltenes: „Das ganze Spektrum, das im Gedächtnis von Menschen ist, wird sichtbar gemacht.“ Das Projekt sei auch fürs Grenzhus eine wichtige Anregung, denn: „Es zeigt uns, dass wir einen Raum schaffen müssen, in dem Besucher ihre Gedanken äußern können." Der „Schutzraum Erinnern" ist nur noch bis 3. Oktober geöffnet. Dann wird er abgebaut. Dr. Wagner verspricht allerdings: „Wir werden das Projekt dokumentieren, Ergebnisse darstellen und auch Fachleute werden zu Wort kommen.“ Eine Podiumsdiskussion gab es bereits. Öffnungszeiten des „Schutzraums Erinnern“: bis 3. Oktober montags bis freitags von 10 bis 16.30 Uhr, sonnabends und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Während dieser Zeiten kann auch das Grenzhus besucht werden. Jürgen Lenz

Schlagsdorf - Viele Menschen suchen Schutzraum auf