Schicksalstag für Schönbergs Bahnhof

Das Empfangsgebäude des Bahnhofs in Schönberg kommt in einer Internetversteigerung unter den Hammer. Der Zuschlag erfolgt morgen per Online-Live-Auktion, die um 11 Uhr beginnt. Davon wurde gestern Schönbergs Bürgermeister Lutz Götze (SPD-Fraktion) überrascht. Er erfuhr vom bevorstehenden Verkauf durch die OZ. Götze sagte, er werde sich mit Stadtvertretern in Verbindung setzen. Schönberg sei in der Vergangenheit nicht dazu in der Lage gewesen, das Empfangsgebäude zu kaufen. Ein künftiger Privatbesitzer müsse sich nicht nur mit der Bahn einigen, sondern auch mit der Stadt. Ihr wurden 2012 der Bahnhofsvorplatz und Zuwegungen, die zum Bahnsteig und zu einem Nebengebäude führen, zugeordnet. Ein Ziel, das die Stadtvertreter damit verfolgten: verhindern, dass der Platz und die Wege in Privathände kommen und dann nur noch eingeschränkt für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Auch die Bahn will ihre Ansprüche sichern. Im Kaufvertrag muss der Höchstbietende der Online-Auktion einen Passus unterschreiben, in dem es heißt: „Dem Ersteher ist bekannt, dass das Objekt von der Deutschen Bahn AG stammt und damit zahlreiche bahnspezifische Verpflichtungen übernommen werden müssen.“ Im Juni dieses Jahres kündigte die Bahn auf Anfrage der OZ an, das denkmalgeschützte Empfangsgebäude über eine Grundstücksauktion zu verwerten. Ein Sprecher des Unternehmens sagte: „Die DB AG stellt die Verkehrssicherungspflicht sicher, es werden jedoch vor dem Verkauf keine weiteren Instandsetzungsmaßnahmen vorgenommen.“ Ein Zaun soll Passanten davor bewahren, von herabfallenden Dach- und Mauerteilen getroffen zu werden. Lutz Götze sagt: „So wie der Bahnhof jetzt aussieht, kann es nicht bleiben.“ Wenn das Empfangsgebäude in private Hände komme und der Eigentümer auch im Interesse der Stadt handele, dann könne er damit rechnen, dass die Kommune ihn unterstütze. Die Nutzfläche des 144 Jahre alten Empfangsgebäudes ist 639 Quadratmeter groß — inklusive Wohnräumen und einer früheren Gaststätte. Zur Immobilie gehört ein Grundstück mit rund 1390 Quadratmetern, das nach Angaben der Deutschen Internet Immobilien Auktionen GmbH aus dem Bahngelände herausgemessen wird. Das seit anderthalb Jahrzehnten leer stehende Empfangsgebäude befinde sich in einem „stark sanierungsbedürftigen Zustand“. Es gebe Wasserschäden und Deckendurchbrüche. Der Bau sei teilweise durchfeuchtet. Auf den Bahnhof bieten, ist bereits möglich. Gestern entsprach das Höchstgebot dem Mindestgebot: 1000 Euro. Häuser und Äcker unter dem Hammer Auch private Immobilien im Schönberger Land sind auf Auktionen zu haben. Aktuelles Beispiel: eine sanierte Hofanlage mit Wohnhaus und ausbaufähiger Scheune im Lüdersdorfer Ortsteil Boitin-Resdorf. „Das Areal mit über zwei Hektar Land eignet sich zum Beispiel für Tierhaltung oder einfach nur für Ruhesuchende“, sagt Matthias Knake vom Auktionshaus „Karhausen AG“. Das Mindestgebot am übernächsten Wochenende in Berlin liegt bei 220000 Euro. Im Amtsgericht in Grevesmühlen kommen ebenfalls Immobilien aus dem Schönberger Land unter den Hammer. In den nächsten Wochen werden dort zahlreiche Äcker im Territorium der Stadt Dassow zwangsversteigert. jl Weichen mit Erfolg gestellt: Bahnhöfe in anderen Städten Schönberg — Während der Bahnhof in Schönberg seit anderthalb Jahrzehnten verkommt und ungewiss ist, wer ihn morgen nach dem Zuschlag in einer Internetauktion bekommt, wurden die Weichen für Bahnimmobilien in Nachbarstädten bereits vor Jahren gestellt — mit Erfolg. In Rehna haben Michael und Matthias Maack den Bahnhof saniert und umgebaut. Sie schufen mit ihrer „Event-Location“ ein architektonisches Schmuckstück — inklusive einem Saal, der bei Feiern und anderen Veranstaltungen bis zu 80 Gästen Platz bietet. In Dassow kaufte die Familie Semrau den alten Bahnhof. Sie hat ihn saniert und zum Wohnhaus umgestaltet. In Grevesmühlen saniert die Stadt den Bahnhof als „Bürger-Bahnhof“. Genutzt werden soll er unter anderem für den Jugendklub, ein Reisebüro, einen Kiosk, ein öffentliches WC, eine Musikschule. Auch einen Veranstaltungssaal soll es künftig im Grevesmühlener Bahnhof geben. Das Bauamt rechnet mit 3,5 Millionen Euro Kosten. Ein Großteil soll durch Zuschüsse finanziert werden. Die Sanierungsarbeiten laufen. In Gadebusch hat Holger Hempel den Bahnhof gekauft und saniert. Im Haus eröffnete das Restaurant „Station Burgsee“. jl Kuckucksei droht Schönberg droht ein riesengroßes Kuckucksei ins Nest gelegt zu werden. Und das mitten in der Stadt. 1000 Euro Mindestgebot für den Bahnhof: Das lässt Spielraum für Leute, die in Schönberg kaum jemand will; Leute, bei denen sich im Politischen, im Privaten und im Finanziellen zweierlei wie ein roter Faden durchzieht: das Querulantenhafte und der Misserfolg. Ein Schnäppchen werden sie sich jedoch leisten können. Die Lage macht den Bahnhof in Schönberg attraktiv. Sie ist eine besondere: am Ende einer Sackgasse und trotzdem verkehrsgünstig. Das Haus ist aus allen Richtungen schnell zu erreichen. Schließlich befindet sich ein Bahnsteig direkt vor der Tür. Der Zustand des Bahnhofs ist nach Jahren der Verwahrlosung durch die Deutsche Bahn miserabel. Einziehen geht aber auch ohne millionenteure Sanierung. Jahrelang haben Kommunalpolitiker in Schönberg zugesehen, wie der Bahnhof verkommen ist. Initiativen, ihn zu übernehmen oder in andere, gute Hände zu bekommen, gab es bei ihnen nicht. Nun fährt der Zug ab. Morgen entscheiden andere in wenigen Augenblicken: an Computern, irgendwo. Die wechselhafte Geschichte der Bahn in Schönberg Am 1. Juli 1870 hielt erstmals ein Zug in Schönberg. Damals galten Eisenbahnen als Zeichen des Fortschritts. Mitte der 1850er Jahre begannen die Großherzogtümer Mecklenburg-Strelitz und Mecklenburg-Schwerin damit, eine Ost-West-Verbindung durch ihre Gebiete zu planen. Bis sie Wirklichkeit wurde, sollte allerdings noch viel Zeit vergehen. Erst 1865 wurde ein Privatunternehmen mit dem Bau beauftragt, das sich „Lübeck-Kleinener Eisenbahngesellschaft“ nannte. Es scheiterte jedoch. Bereits 1868 war die „Lübeck-Kleinener Eisenbahngesellschaft“ pleite. Danach übernahm der Staat den Bau. 1870 stellte er die Friedrich-Franz-Eisenbahn fertig. Die Streckenlänge betrug 61,9 Kilometer. In Lübeck gab es extra für die Friedrich-Franz-Eisenbahn den „Mecklenburgischen Rangierbahnhof“. Nach 1900 planten Ingenieure eine Eisenbahnverbindung von Schönberg nach Dassow. Der erste Zug fuhr am 29. September 1905. Ende der 1930er Jahre verlängerten Arbeiter diese Strecke bis zum Luftwaffenzeugamt bei Pötenitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gleise demontiert. jl Jürgen Lenz

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