Wenn die Krankheit den Urlaubsort bestimmt

Ein breiter Strand, Rundumbetreuung im Hotel oder besondere Ausflugsziele sind normalerweise entscheidende Kriterien für die Buchung eines Urlaubs. Wer aber, wie Uta Mattheis (57) aus Weißenfels, an Nierenversagen leidet, der sucht im gewünschten Feriendomizil zuerst nach einer Dialyse. Weil sie alles dort fand, ist das Ostseebad Boltenhagen seit 2004 jedes Jahr für zwei Wochen Sommerdomizil von Uta Mattheis und ihrem Mann. „Ich war als Kind schon gerne an der Ostsee. In die Berge zieht mich gar nichts“, sagt die Frau aus Sachsen-Anhalt. In Boltenhagen besucht sie alle zwei Tage die Feriendialyse von Dr. Helge Mentzel und Dr. Astrid Ohltmann. Dort trifft sie auf andere Urlauber, denn die spezielle Praxis an der Strandpromenade wird extra während der Saison vom 1. Mai bis 30. September für Urlauber geöffnet. Dann wird dort acht Patienten gleichzeitig das Blut gereinigt. „Sie können von ihrer Familie hergebracht werden, die dann die vier bis fünf Stunden am Strand verbringen kann“, nennt Mentzel einen Standortvorteil. Er hat die Feriendialyse mit Astrid Ohltmann 2004 parallel zur Stammpraxis in Grevesmühlen eröffnet. „Hier war die frühere Touristenstation“, berichtet er aus der Vergangenheit. „Die Gemeinde hat uns sehr unterstützt. Es gab verschiedene baurechtliche Schwierigkeiten“, so Mentzel. „Jetzt ist hier seit zwölf Jahren die Dialyse mit der kleinsten Entfernung zur Ostsee.“ Dabei gebe es inzwischen ein relativ breites Angebot von Dialysen in Urlaubsorten. Auch Ursula Baese aus Lauchhammer in Brandenburg ist begeistert von dem Angebot in Boltenhagen. „Ich habe ein rollstuhlgerechtes Zimmer direkt hier neben der Praxis. Besser kann es nicht gehen“, sagt sie. „Ich war mit meinem Mann erst in Tirol, aber wir wollen nur noch an die Ostsee“, ergänzt sie. Seit vier Jahren kommt sie nach Boltenhagen und hat schon wieder für das nächste Jahr vorgebucht. „Diesmal habe ich zuerst das Zimmer gebucht und dann die Dialyse“, sagt Ursula Baese, aber beides muss zur gleichen Zeit verfügbar sein. „Viele unserer Patienten sind Wiederholungsurlauber und sie wohnen im ganzen Ort verteilt. Manche campen sogar“, sagt Helge Mentzel. Die meisten Patienten würden sogar Unterkünfte buchen, von denen aus sie die Feriendialyse zu Fuß erreichen können. „Das ist gefühlt mehr Urlaub und weniger Krankheit“, vergleicht Kurdirektorin Claudia Hörl den Boltenhagen-Aufenthalt mit dem Alltag daheim. Krankenschwester Kerstin Hey (35) gehört seit 2000 zum Praxisteam und hat die Feriendialyse in Boltenhagen seit 2004 mit aufgebaut. Sie erlebt, wie entspannt die Patienten ihren Urlaub an der Ostsee trotz der Dialyse genießen können. „Es gibt einige, die immer zur gleichen Zeit hier sind, sich treffen und dann hier plaudern. Eine andere Patientin ist schon 86 Jahre alt und verbindet den Aufenthalt immer mit einem regelmäßig stattfindenden Bridge-Turnier“, berichtet Kerstin Hey. Bis zum Ende der Saison werden etwa 100 Patienten die Feriendialyse genutzt haben. Künstliche Blutreinigung Die Dialyse ist ein Blutreinigungsverfahren, das bei Nierenversagen als technischer Ersatz zum Einsatz kommt. Die Dialyse ist neben der Nierentransplantation die wichtigste Therapie bei chronischem Nierenversagen und eine der Behandlungsmöglichkeiten bei akutem Nierenversagen. Während des vier- bis fünfstündigen Vorgangs wird das gesamte Blut des Patienten mehrfach durch das Dialysegerät geleitet. So wird die Konzentration von Giftstoffen im Blut immer weiter herabgesetzt. • Infos unter www.niere.org Malte Behnk

Boltenhagen - Wenn die Krankheit den Urlaubsort bestimmt