Aufstand der Wutbürger: Proteste sollen vernetzt werden

Der Widerstand in Rostock wächst. Ob in der Südstadt, im Elmenhorster Weg, an der Oberwarnow oder in Warnemünde — mit Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften stemmen sich die Rostocker derzeit gegen zahlreiche Bau- und Umgestaltungspläne. Nun soll der Widerstand eine neue Qualität erreichen — mit einer Bürgerwerkstatt, mit der die Belange der Rostocker gebündelt werden. Initiator ist Heiko Schulze. Als Sprecher der Interessengemeinschaft „Alter Fährhafen“, die gegen die Bebauungspläne Mittelmole kämpft, ist er zum Experten in Sachen Bürgerbeteiligung geworden. Die Idee für eine Bürgerwerkstatt sei der Entwicklung in der Hansestadt geschuldet, so Schulze. „Das Echo in der Stadt ist laut, jetzt wollen wir den nächsten Schritt gehen.“ Ziel sei es nicht nur, die Interessen der Rostocker in Bezug auf Bauvorhaben zu bündeln. Auch die Hemmschwelle, Meinungen und Einwände zu äußern, ohne gleich eine Initiative gründen zu müssen, soll sinken. Die Ideen für die Werkstatt sind weit fortgeschritten. Eine Internetplattform über relevante Bauvorhaben soll als Basis dienen. Ortsbeiräte und ein neu einzustellender Bürgerbeauftragter stellen die Verbindung zwischen Verwaltung, Politik und Bürgern dar. So sollen sie Ansprechpartner für Initiativen und Arbeitsgruppen sein und gleichzeitig die Belange der Rostocker an die Verwaltung weitergeben — ein ständiger Austausch. Für Rolf Dubois aus dem Elmenhorster Weg ist die Bürgerwerkstatt eine Art logische Konsequenz. „Die Leute lassen sich einfach nicht mehr alles gefallen“, sagt er. Jahrelang habe man über die Köpfe der Rostocker hinweg entschieden. Dubois und seine Nachbarn selbst kämpfen seit 1992 für eine Elmenhorster Ortsumgehung und den Ausbau der Mecklenburger Allee. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Schon bald wollen die Anwohner mit Straßensperren und Demonstration erneut auf ihre Forderungen aufmerksam machen. Nicht mehr alles zu zersplittern, die Interessen zu bündeln und geschlossen auftreten, sei für Dubois eine gute Idee. „Wir werden uns die Pläne anhören und, wenn es passt, selbstverständlich mitziehen.“ Noch etwas unsicher ist sich hingegen Helmut Laun. Für den Initiator der Bürgerinitiative Südstadt sei die Idee einer Bürgerwerkstatt noch nicht einzuschätzen. Laun und andere Bewohner der Südstadt haben sich im Sommer dieses Jahres zusammengetan, um gegen die Umgestaltungspläne der Stadt zu kämpfen. Ein Gutachten der Stadtplaner sieht vor, alte Wohnhäuser abzureißen und neue Blöcke zu bauen. Ein weiteres Beispiel ist die Interessengemeinschaft Oberwarnow, die sich aktuell gegen die Umgestaltungspläne des östlichen Warnowufers stemmt. Und auch die nächsten Proteste seien absehbar, so Schulze. So gab es nach Bekanntwerden der Pläne für das Werftdreieck bereits die ersten Gegenstimmen. Die Wiro hat das Areal gekauft, will nun 500 bis 600 Wohnungen bauen. Rostocker wollen eine Grünfläche behalten. Am 27. November laden Schulze und die IG „Alter Fährhafen“ zu einem Treffen auf die MS „Warnemünde“ am Alten Strom ein. Bürgertreffen für alle Die Verbesserung der zukünftigen Bürgermitsprache in Rostock — so lautet das Thema des öffentlichen Bürgertreffens am Donnerstag, 27. November, um 19 Uhr an Bord des MS „Warnemünde“ am Alten Strom. Dann wird auch das Prinzip der Bürgerwerkstatt vorgestellt. Auch Vertreter der Bürgerschaft sind zu dem Treffen geladen. Sie sollen ihren Standpunkt zur Bürgerbeteiligung in Rostock bei einer kurzen Podiumsdiskussion darstellen. Politik muss die Bürger ernst nehmen Bürger mischen sich friedlich ein. Etwas Besseres kann einer demokratischen Gesellschaft kaum passieren. Mittelmole in Warnemünde, Stadtplanung in der Südstadt, Verkehrsführung in Lütten Klein — drei von vielen Themen, die in zurückliegenden Monaten für kontroverse Diskussionen in Rostock sorgten. Bürger sind nicht einverstanden mit dem, was Entscheider für sie planen. Sie gründen gemeinsame Initiativen, protestieren, unterbreiten alternative Vorschläge. Jetzt sollen sich diese lokalen Initiativen sogar zu einem Netzwerk in Rostock verbinden. Das ist eine neue Qualität des Bürgerprotestes, die Kommunalpolitik und Verwaltung aufhorchen lassen muss. Sie täten gut daran, Volkes Stimme ernst zu nehmen — nicht nur über Schein-Beteiligung. Behörden sollten sich daran orientieren, was (Bürger)-Mehrheiten wünschen. Die Initiatoren des „Aufstandes“ in Rostock erinnern das Rathaus daran, wofür es da ist. Das mag anstrengender sein — verspricht aber auch breite Akzeptanz. Sophie Pawelke

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