„Güstrow ist in zehn Jahren schuldenfrei“

Güstrow — Der Brand am Marktplatz, die Sanierung der Stadtschulen, die Diskussion um die Zukunft des Stahlhof-Geländes — für Bürgermeister Arne Schuldt (parteilos) sind das die vorläufigen Höhepunkte eines turbulenten Jahres. Die OZ sprach mit ihm. OSTSEE-ZEITUNG: Herr Schuldt, das Jahr neigt sich dem Ende — Ihr Fazit? Arne Schuldt: Wir haben als Stadt eine ganze Menge geschafft in diesem Jahr. Herausstechen die Sanierungen und der Straßenbau. OZ: Ganz konkret: Was war Ihr persönlicher Höhepunkt 2014? Schuldt: Da gibt es mehrere. Herausragend sind die Schulsanierungen. Hier sind wir einen erheblichen Schritt vorangekommen. Dom- und Kerstingschule sind saniert, die Hasenwald-Schüler sind an ihren neuen Standort in der Hafenstraße umgezogen. Und hier entstand auch der Hortneubau durch den DRK-Kreisverband. Außerdem waren die Arbeiten in der Rostocker Chaussee frühzeitig beendet. Auch in der Elisabethstraße war es absehbar, dass sie zügig saniert werden konnte. OZ: Und was war der Tiefpunkt? Schuldt: Durch die Aufnahme von weiteren Asylbewerbern treten auch NPD-Anhänger immer häufiger in Kundgebungen in Erscheinung und versuchen die Situation für sich auszunutzen. In der Öffentlichkeit wird Güstrow somit in ein schlechtes Licht gerückt. Weiterhin hat der Brand am Markt geschockt. Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt. OZ: Wie geht es nach dem Brand in der Altstadt weiter? Gibt es schon Planungen, ob dort ein neues Gebäude errichtet werden kann? Schuldt: Der Eigentümer möchte schon, dass ein neues Haus gebaut wird. Wir müssen aber abwarten, was mit dem benachbarten Gebäude am Markt 30 geschieht. Die Stadt ist mittlerweile Besitzer. Wenn die Gutachten für das Haus vorliegen, wollen wir die Variante umsetzen, dass das Hauptgebäude gesichert und der Rest abgerissen wird. OZ: Mit dem neuen Call-Center in der Südstadt finden 250 Menschen einen neuen Job. Wie sieht es eigentlich mit der Fläche der ehemaligen Zuckerfabrik im Südwesten der Stadt aus? Gibt es Interessenten, die noch mehr Arbeitsplätze schaffen? Schuldt: Bisher gab es zwei Interessenten. Für ein Vorhaben wurde ein Antrag im Rahmen eines Verfahrens nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gestellt. Es gibt aber Visionen, dass im Rahmen des regionalen Entwicklungskonzepts die großen Flächen als Vorrangflächen für eine industrielle Erweiterung im Umfeld des Rostocker Hafens dienen könnten. OZ: Gibt es auch an anderen Orten der Stadt wirtschaftlichen Aufschwung? Schuldt: Die Hallen der früheren Firma Manika sind mittlerweile wieder vermietet und in Betrieb. Außerdem will die Barmer in Güstrow eine Abrechnungsstelle für Norddeutschland mit bis zu 200 Mitarbeitern einrichten. Generell können wir sagen, dass mit den aktuellen 1996 aktiven Gewerbeanmeldungen wirtschaftlich viel Bewegung drin ist. OZ: Also dauert es nicht mehr lange, bis Güstrow wieder eine 30000-Einwohner-Stadt ist? Schuldt: Leider nicht. Laut einer aktuellen Prognose ist die Einwohnerzahl bis 2030 sinkend. Unser Ziel muss aber sein, die Prognose nach oben zu korrigieren. OZ: Die Gebäude auf dem StahlhofGelände verschwinden. Gebaut wird dort aber frühestens in zwei Jahren. Welche Bebauung können Sie sich dort am liebsten vorstellen? Schuldt: Ein Mischgebiet wäre ideal: Im Bereich des Rosengartens könnten Wohnungen und Parkflächen sowie gewerbliche Fläche in der Nähe der Eisenbahnstraße entstehen. Für die Barmer etwa oder den Landkreis Rostock wären diese Flächen ideal geeignet. Einzelhandel in verträglicher Größe mit Ergänzungsfunktion zur Altstadt wäre im Mix mit Wohnen und Büro auch denkbar — Parkplätze sowieso. OZ: Wäre mit den Planungen auf dem Stahlhof-Gelände auch das Problem mit dem Toilettenhäuschen am Bahnhof erledigt oder wird vorher eine Lösung gefunden? Schuldt: Da gibt es definitiv vorher eine Entscheidung. Die Stadt hat einen Vertrag mit der Deutschen Bahn ausgehandelt. Das vorhandene Häuschen soll mindestens für die nächsten fünf Jahre in Gang gebracht werden. OZ: Welche Vorhaben sind nächstes Jahr geplant? Schuldt: Die Sanierung der Thomas-Müntzer-Schule hat absolute Priorität. Mehr als sieben Millionen Euro werden dafür benötigt. Die Planungen sind fast abgeschlossen. Außerdem muss das Umfeld der Inselseeschule in Angriff genommen werden. Die Feuerwehr bekommt einen Mannschaftstransportwagen. Der Bauhof wird mit neuer Technik ausgestattet. Die Sanierung der Altstadt und der Straßen wird fortgesetzt. OZ: Ist dieses Vorhaben angesichts der klammen Kassen auch finanzierbar? Schuldt: Die Stadt kann diese Projekte nicht alleine stemmen. Sie ist angewiesen, Fördermöglichkeiten auszunutzen. Alle Vorhaben sind aber geplant, ohne neue Schulden zu machen. OZ: Vor einem Jahr lag die Pro-Kopf-Verschuldung bei 400 Euro. Wie sieht es heute aus? Schuldt: Wenn das Jahr endet wie geplant, liegt der Betrag bei 387 Euro. 2017, so ist das ehrgeizige Ziel, soll die Verschuldung bei unter 300 Euro liegen. OZ: Vielfalt Inselsee, Umweltpark, Schwimmhalle, Theater, Schloss und Museen: Wie vielfältig ist aber Güstrow für den Touristen? Schuldt: Wir versuchen so vielfältig wie möglich zu sein. Wir sehen das aber immer im Kontext zu Rostock und der Ostsee. Touristen reisen überwiegend in unser Land, um die Küste zu sehen. Die gegenseitige Befruchtung ist entscheidend. Güstrow muss also Dinge anbieten, die es woanders nicht gibt — die Kutterfahrten etwa. Insgesamt kann die Stadt mit dieser Saison zufrieden sein. Allerdings wäre eine längere Verweildauer wünschenswert. OZ: 25 Jahre nach dem Mauerfall hat sich schon viel getan — besonders die Veränderungen in der Innenstadt. Wie wird sich Güstrow im Jahr 35 nach der Wende präsentieren? Schuldt: Der Kernhaushalt wird schuldenfrei sein. Die Stadt wird keine Kredite aufnehmen. Außerdem wird die Oase mit 150000 und der Umweltpark mit 180 000 Gästen stabile Besucherzahlen haben. Der Pfaffenteich ist wieder hergestellt. Die Sanierung der Altstadt ist abgeschlossen. 3500 Einwohner werden dann hier wohnen. Außerdem hat sich die Verwaltung des Landkreises Rostock komplett in der Kreisstadt angesiedelt. OZ: Man sieht Sie oft mit dem Rad zur Arbeit fahren. Sind Sie auch mit dem Fahrrad in der Freizeit unterwegs? Können Sie eine Route empfehlen? Schuldt: Ich persönlich bevorzuge die Strecke entlang des Güstrow-Bützow-Kanals. Güstrow hat jedoch eine hervorragende Lage, so dass sich auch Tagestouren in alle Richtungen lohnen, etwa über Kirch Rosin nach Krakow am See. OZ: Was wünschen Sie sich für das neue Jahr? Schuldt: Zusammen mit der Bevölkerung wollen wir das integrierte Stadtentwicklungskonzept für die nächsten sechs Jahre fortschreiben. Als Stadt mit einer Bevölkerungszahl unter 30.000 Einwohnern können wir dann von Fördermitteln profitieren. Besonders für die Thomas-Müntzer-Schule ist das entscheidend. Laut einer aktuellen Prognose wird die Einwohner- zahl in Güstrow bis 2030 sinken.“Arne Schuldt (55), Bürgermeister Mit den aktuellen 1996 aktiven Gewer- beanmeldungen ist wirtschaftlich viel Bewegung in der Stadt.“ Streit mit Vorbesitzer: Stahlhof-Projekt zieht sich Seit März wird in der Stadtvertretung über die Zukunft des Stahlhofes diskutiert. Schon seit den 1990er Jahren wünscht sich die Stadt dort eine Nutzung mit Wohn- und Gewerbeflächen. Doch ein Rechtsstreit zwischen dem Vorbesitzer und Güstrow vor dem Bundesverwaltungs- und Oberlandesgericht hat das Vorhaben in die Länge gezogen. Der Abriss der alten Gebäude in Bahnhofsnähe hätte bereits beginnen müssen. Gefährliche und krebserregende Stoffe wurden auf der Baustelle entdeckt. Der Abriss der Gebäude soll deshalb erst ab Januar erfolgen. Fünf Planungsbüros werden parallel ihre Vorschläge für die künftige Nutzung erarbeiten. Herausragend sind die Schulsanierun- gen. Da sind wir erheblich vorangekom- men.“ Interview von Mathias Otto

Lokalpolitik - „Güstrow ist in zehn Jahren schuldenfrei“