Pferdesportlerin schlägt Alarm: Rennbahn in Bad Doberan verwahrlost

Kaputte Zäune, umgefallene Bäume, Unkraut auf dem Geläuf: Das Gelände der Rennbahn in Bad Doberan ist in einem verwahrlosten Zustand. Dass die Bahn so verkommt, kritisiert Mandy Kriegsheim, Mitglied im Doberaner Rennverein. Kurios: Der Rennverein ist Pächter des Geländes und für dessen Pflege verantwortlich. Laut Rennverein-Präsident Helmut Rohde verkomme das Gelände nicht. Doch bevor der Verein Geld investiere, brauche es eine langfristige Lösung für die Nutzung des Areals. Mandy Kriegsheim würde lieber heute als morgen Freiwillige zusammentrommeln und loslegen. Der einst weiße Zaun, der die Rennbahn umgibt, ist marode und an mehreren Stellen beschädigt. Der Boden ist löchrig. „Hier kann man keine Pferde laufen lassen. Die brechen sich die Beine“, meint die 37-Jährige. Die 1,59 Meter große, zierliche Frau aus dem Ostseebad Dierhagen, die mehrere Vollblüter besitzt und trainiert, ist eines von gut 50 Mitgliedern des Doberaner Rennvereins. „Im Verein fehlen Leute, die mit Herzblut dabei sind. Jeder schaut nur, dass seine politischen Interessen vertreten werden“, kritisiert sie. Dabei gibt es viel zu tun. Umgestürzte Bäume müssen beseitigt, die Hecken gestutzt und die Löcher im Zaun repariert werden, damit Wildschweine das Gelände im bevorstehenden Herbst nicht noch mehr verwüsten. „Die Bahn muss winterfest gemacht werden“, weiß Mandy Kriegsheim und verweist auf die historische Bedeutung des Geländes: „Das ist die älteste Rennbahn auf dem europäischen Festland.“ 200 Jahre Bahn und Rennverein 2022: Im August 1822 galoppierten erstmals Vollblüter über das Geläuf. Wenige Tage später gründete sich der Doberaner Rennverein. In zwei Jahren stehen große Jubiläen an – 200 Jahre Bahn und Rennverein. Das Ostsee-Meeting ist bei Besitzern, Trainern und Jockeys sehr beliebt, weiß Kriegsheim. „Sie verbinden das mit Urlaub.“ In diesem Jahr fielen die Renntage aus – wegen Covid-19, teilte der Verein mit. „Das ist Käse“, widerspricht Kriegsheim. Schon im Februar sei über eine Absage diskutiert worden. „Und da war von Corona noch nicht die Rede.“ Inzwischen hat der Galopprennsport wieder Fahrt aufgenommen. Am vergangenen Wochenende wurden in München und Düsseldorf die Pferde losgelassen, am Sonnabend steigt in Baden-Baden das Renn- und Wettfieber. Nur in Bad Doberan tut sich nichts. Auch 2021 sind keine Wettbewerbe geplant. Mandy Kriegsheim ist skeptisch, dass die beliebten Rennen im Jubiläumsjahr stattfinden: „Wenn hier nichts passiert, braucht man keine Renntage mehr veranstalten. Dann ist hier alles tot. Bad Doberan braucht ein Gelände, das ganzjährig gelebt und gepflegt wird.“ Vandalismus auf der Rennbahn: Für Rennverein-Präsident Helmut Rohde hat die Rennbahn nur eine Zukunft, wenn es eine langfristige Lösung gibt. Sie einmal im Jahr für Rennen herzurichten, mache keinen Sinn mehr. Ebenso wenig jetzt „Flickarbeiten“ vorzunehmen. „Wir haben auch keine finanziellen Mittel.“ Die Zäune hätten Menschen kaputtgemacht, ständig werde das Tor aufgebrochen. „Da kommen wir nicht gegen an.“ Eigentlich müsse man da einen Wachschutz hinstellen, „aber wer soll das bezahlen“. Im Hintergrund werde an einer langfristigen Lösung für die Bahn gearbeitet. Es brauche Infrastruktur wie feste Bauten. Ein neuer Zaun ums Gelände koste 60 000 Euro. „Woher soll das Geld jetzt kommen“, fragt Rohde. Das könne nur alles zusammen und mit Fördermitteln geleistet werden. „Wir brauchen eine langfristige Lösung, die trägt, damit der Verein nicht nach jedem Rennen kurz vor der Pleite steht“, so Rohde. Lesen Sie auch: Doberaner Rennverein steht vor Insolvenz und Insolvenz abgewendet Immer wieder hat der Verein nach den Rennen Probleme, Rechnungen zu begleichen. Dennoch hält Helmut Rohde an der Rennbahn und den Rennen fest. „Die Stadt hat nicht die Möglichkeit, Rennen zu entwickeln. Für mich ist es wichtig, dass die da stattfinden.“ Bürgermeister: Verein kommt Verantwortung nicht nach: „Wir könnten den Pachtvertrag jederzeit kündigen, weil die Rennbahn nicht gepflegt wird“, sagt Bürgermeister Jochen Arenz. Der Verein habe die Verantwortung und komme dieser nicht nach. Daher stehe die Stadt mit ihm im Kontakt, wie man eine „allgemeinverbindliche Lösung findet“. Das Problem: „Es gibt niemanden, der dort Rennen veranstalten würde. Wir als Stadt können das nicht. Das ist hoch defizitär. Da fallen Verluste im sechsstelligen Bereich an. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt.“ Die Stadt habe zudem auch keine Kontakte in die Rennszene. Rennbahn als Veranstaltungsgelände der Stadt: „Die Rennbahn hat viel Potenzial, aber wir dürfen sie nicht auf die Rennen reduzieren“, so Arenz. „Es soll das Veranstaltungsgelände der Stadt werden.“ Die Pflege der Rennbahn sei unheimlich aufwendig für einmal Rennen im Jahr. „Vielleicht ist die Zeit für die Rennen und Nutzung, wie sie bisher war, auch vorbei.“ Der Pachtvertrag läuft bis zum 31. Dezember 2021. „Es wird dieses Jahr noch zusammen mit dem Rennverein und der Stadtvertretung eine Entscheidung geben.“ Derzeit wird der Bebauungsplan (B-Plan) „Pferderennbahn, Baumwipfelpfad“ erarbeitet, der als Grundlage für die Entwicklung des Areals dient. Im Wald gegenüber der Dammchaussee soll ein Baumwipfelpfad gebaut werden. Der Eingangsbereich sowie Parkplätze befinden sich jedoch an der Rennbahn. Eine Brücke über Molli-Gleis und Straße soll zum Baumwipfelpfad führen. Gelöst werden muss noch das Problem der Bushaltestelle. Derzeit ist diese an der Dammchaussee, eine Landesstraße. Der Planer wies im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt jedoch daraufhin, dass mit den zunehmenden Besucherströmen diese dort nicht sehr geeignet liege. Im B-Plan inbegriffen ist dann auch eine feste Infrastruktur für die Rennbahn. Ein Hotel, wie schon mal diskutiert, sei an dem Standort nicht vorgesehen. Jedoch solle es eine Möglichkeit der Übernachtung für beispielsweise Jockeys geben. Ob Veranstaltungen mit Shetland-Ponys, Haflingern oder Kaltblütern, eine Trainingsbahn im Innenbereich, ein Parcours für Springreiter oder Trainingstage für Hobbyreiter – alles sei möglich und würde Geld in die Vereinskasse spülen, meint die Pferdebesitzerin Mandy Kriegsheim. Sie habe in sozialen Netzwerken Umfragen unter Reitern aus Mecklenburg-Vorpommern gemacht. Das Ergebnis: „Die Begeisterung ist da – und hier ist der Platz.“ Mandy Kriegsheim ist überzeugt: „Wenn hier Leben ist, finden sich auch Unterstützer. Aber wer soll sich in diesem Zustand dafür begeistern.“ Ihr Blick schweift über das weitläufige Gelände. „Man hat hier so viele Chancen und Möglichkeiten – wenn man es nur möchte.“ Lesen Sie auch 6000 Pferdesportfans strömten zum Ostsee-Meeting Volle Parkplätze in Heiligendamm: Shuttlebus für den Weg zum Strand? Zappanale wird zum Online-Festival Von Stefan Ehlers und Anja Levien