Was sind eigentlich Fraktionen? Was passiert, bevor die Bürgerschaft eine Entscheidung trifft? Und was genau macht eigentlich ein Bauamt? Exakt einen Monat vor den Bürgerschafts- und Oberbürgermeisterwahlen in Rostock gewährte die Hansestadt am Sonnabend exklusive Einblicke hinter die Kulissen von Stadtpolitik und -verwaltung. Mehr als 7000 Gäste kamen zum Demokratiefest und dem ersten Tag der offenen Tür im Rathaus – und sie erfuhren, dass im Rathaus längst nicht nur Formulare und Akten gestempelt werden.
Mehr als nur „verwalten“
Denn eines stand beim Tag der offenen Tür im Vordergrund: Die Ämter wollten zeigen, dass sie nicht nur verwalten – sondern, dass die Stadt in nahezu jedem Bereich des Lebens für die Bürger engagiert ist. Das Grünamt informierte über die Pflege von Friedhöfen und Spielplätzen, das Gesundheitsamt beriet zum Thema Impfen, das Konservatorium ließ seine Schüler Musik für jeden spielen. Ein weiteres Beispiel: Auf dem Neuen Markt zeigten die Stadt-Töchter, was sie so alles machen – die Straßenbahn AG organisiert den Nahverkehr, Nordwasser liefert das kühle, lebenswichtige Nass und die Stadtwerke tragen Sorge, dass niemand in Rostock im Kalten und im Dunkeln sitzen muss. Drinnen im Festsaal ließ die Rostocker Wohnungsgesellschaft Wiro die Zwillinge Sophia und Elisa (6) das machen, was sonst der große Vermieter macht: Bauen! Aus Holzbau- und Plastiksteinen errichteten die beiden Kleinen neuen Wohnraum für die Stadt.
„Wir waren einfach neugierig, was das Rathaus so zu bieten hat – und wie das so läuft in der Stadtverwaltung“, sagt Mama Maria Prepernau. Und sie sei nicht enttäuscht: „Im Ortsamt sind wir auf einem riesigen Luftbild durch ganz Rostock gelaufen – und haben auch unser Haus gefunden.“ Der Höhepunkt für Elisa und Sophia: ein gemeinsames Foto mit Oberbürgermeister Roland Methling. „Wir haben sogar das Büro vom großen Chef gesehen!“, berichtet Elisa stolz.
Probesitzen auf dem OB-Sessel
In das Amtszimmer des Rathaus-Chefs zu kommen – das ist sonst nicht ganz leicht. Am Tag der offenen Tür durfte aber jeder Mal zu Roland Methling ins Zimmer. Und sogar auf seinem Stuhl Platz nehmen. Offiziell wird er den erst im Juli räumen, wenn ein Nachfolger gewählt ist. Für Laura (11) macht der OB aber schon mal eine Ausnahme. „Total spannend!“, urteilte die Schülerin der Jenaplan-Schule. Aber nein: Oberbürgermeisterin wolle sie dann doch nicht werden. „Ich habe noch keine Idee, was ich werden will.“ Tänzerin vielleicht. Denn Tanzen ist ihr liebstes Hobby. Nicht nur mit Laura, sondern mit Hunderten Rostockern durfte Methling an seinem Platz posieren: „Ein bisschen sieht das ja aus wie Fotos mit dem Weihnachtsmann“, ulkte Ehefrau Annegret.
Im sogenannten Protokollzimmer, dem Raum für besondere Empfänge hoher Gäste, öffnete die Stadt ihre Schätze auf Papier: die Gästebücher, in denen sich Könige, Präsidenten und viele weitere Prominente bereits verewigt haben. Und: Die Rostocker durften sich auch selbst in das Gästebuch ihrer Hansestadt eintragen. Katrin Wirtz nutzte die Gelegenheit prompt: „Ich bin zum ersten Mal im Rathaus – jedenfalls hier, in der Zentrale.“ Sie interessiere sich sehr für die Geschichte der Stadt und auch dafür, wie die Verwaltung funktioniert. „Ich unterrichte Sachkunde und Geschichte als Lehrerin.“ Im vergangenen Jahr haben sich Wirtz und ihre Schüler intensiv mit der Stadtgeschichte befasst. Zum 800. Rostock-Geburtstag. „Jetzt darf ich mal hinter die Kulissen schauen.“ Dorthin, wo so viel Wichtiges entschieden wird – aber selten Besucher hin dürfen.
Andreas Meyer