Bürgermeister-Aufschrei im Kreis Rostock: Kita-Regeln nicht umsetzbar

Seit Wochenbeginn dürfen die Kleinen wieder in die Kindertagesstätten. Für mindestens sechs Stunden und unter besonderen Hygienebedingungen. Die Mädchen und Jungen sollen in festen Gruppen von nur einer Bezugsperson betreut werden, Eltern die Kitas möglichst nicht betreten. „Die Regeln und Vorgaben des Landes können nicht erfüllt werden“, zieht der Landkreis Rostock zusammen mit seinen Bürgermeistern eine ernüchternde Bilanz der sogenannten Übergangswoche der eingeschränkten Kita-Betreuung. Der volle Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung könne nicht abgesichert werden. Eingeschränkte Öffnungszeiten, Personal- und Raumnot sowie Elternfrust sind die Folgen in den ersten Tagen. „Das Land hat Erwartungen geweckt, die die Träger der örtlichen und der freien Jugendhilfe nur schwer oder gar nicht erfüllen können“, betont Landrat Sebastian Constien. Bei gesteigerten Hygieneanforderungen, reduziertem Personal und parallel zu organisierenden Betreuungsansprüchen sei eine Umsetzung des vom Land geforderten eingeschränkten Regelbetriebs kaum möglich. „Bei den Eltern entsteht daraus Unverständnis und Frust. Ich sage: Zu Recht“, so Constien. Landrat und Bürgermeister fordern nun „einen geordneten Regelbetrieb unter verschärften Hygienebedingungen, wie er bereits in anderen Branchen gelebt wird“. In Elternbriefen informieren die Träger darüber, dass Einrichtungen nur zeitlich begrenzt geöffnet sind. Von 7 bis 15.30 Uhr beispielsweise empfängt die DRK-Kita „Schlumpfenland“ in Sanitz. „Eine Betreung außerhalb dieser Zeiten ist nicht möglich!“, heißt es weiter. In der ASB-Kita „Sonnenblume“ in Dummerstorf wird den Eltern im Juni eine Betreuung der Kinder bis 12.30 Uhr angeboten, vom 22. bis 26. Juni sei „keine Betreuung möglich“. „Das geht gar nicht“, empört sich Axel Wiechmann, Bürgermeister der Gemeinde Dummerstorf, kritisiert damit jedoch nicht den Träger und die Kita-Leitung. „Es fehlen einfach Planungssicherheit und Personal, um diesen eingeschränkten Regelbetrieb plus Notbetreuung von Kindern aus Elternhäusern mit systemrelevanten Berufen unter Einhaltung aller Hygieneanforderungen umzusetzen“, erklärt Wiechmann. Wiechmann: „Kindeswohlgefährdung per Gesetz“: Schwierigkeiten sehe er schon in der Auswahl der Kita-Knirpse. „Welche Kinder werden betreut, welche müssen abgewiesen werden? Betreuungszeiten hängen von Personal und dem Personalschlüssel ab“, verdeutlicht Wiechmann. Er verweist auf ungeklärte Haftungsfragen bei Verstößen gegen die auferlegten Richtlinien. „Welchen Rechtsanspruch haben die Eltern und inwieweit machen sich Erzieher, Kita-Leitung, Träger haftbar?“ Wiechmann nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht von „Kindeswohlgefährdung per Gesetz“. Wenn nur eine Bezugsperson eine feste Gruppe mindestens sechs Stunden, gegebenenfalls mehr, betreuen soll, müssten Arbeitszeiten überzogen werden, abgesehen davon dass ohnehin Personal fehle. „Wer übernimmt die Verantwortung“, fragt der Bürgermeister. Auch in Bützow und Umgebung sieht Christian Grüschow, Bürgermeister der Stadt Bützow und Leitender Verwaltungsbeamter des Amtes Bützow-Land, keine Möglichkeit, jedem Kind ab 2. Juni eine dauerhafte Betreuung zukommen zu lassen. „Das können wir in unseren Einrichtungen unter den verfügten Vorgaben des Landes nicht ansatzweise erfüllen“, stellt Grüschow klar. Insbesondere die Forderung konstanter Gruppen mit festem Personal ließe sich bei der Personal- und Flächenausstattung der Kitas nur dann abbilden, wenn Öffnungszeiten reduziert und ein Teil der Kinder von der Betreuung ausgeschlossen würden. „Der Anspruch, jedem Kind, im Interesse des Kindes und der berufstätigen Eltern, eine Betreuung zukommen zu lassen, wäre in unserem Fall nur durch einen Verstoß gegen die geltenden Infektionsschutzbestimmungen des Landes M-V möglich“, erklärt Grüschow. Landesverordnung ist realitätsfremd: Als „realitätsfremd“ bezeichnet Satows Bürgermeister Matthias Drese die geltende „Corona-Kindertagsförderungsverordnung“. Die Kinder könnten nicht in verschiedenen Gruppen (Notfallbetreuung, Vorschulkinder und eingeschränkter Regelbetrieb) eingeteilt und dann noch einem festen Bezugserzieher zugeordnet werden. „Dies übersteigt schon mathematisch die vorhandenen personellen Kapazitäten“, bemerkt Drese. Erzieher aus Risikogruppen könnten auch weiterhin nicht am Kind arbeiten. Welcher Träger ohne medizinische Vorbildung könne, wie vom Land vorgegeben, eine so schwerwiegende Entscheidung über den Einsatz eines älteren oder chronisch kranken Erziehers treffen? Betriebsärztliche Gefährdungsbeurteilungen scheiterten schon am Termin. „Dadurch ist der Einsatz von sogenannten Springern oder Horterziehern zur Absicherung der für die Eltern so wichtigen Randzeiten nicht möglich“, sagt Drese. Auch die Absicherung der Betreuung in Urlaubszeiten oder im Krankheitsfall des Bezugserziehers sei ungeklärt. Satows Bürgermeister hälte eine umfassende Änderung der Corona-KiföVM M-V für „dringend erforderlich“. Kitas können Ansprüchen nicht gerecht werden: „Die Vorgaben des Landes sind nicht erfüllbar“, sind sich auch die Bürgermeister von Kröpelin und Teterow einig. „So werden wir niemandem gerecht. Der Druck auf Eltern wächst, weil sie wieder arbeiten gehen müssen. Die Kitas können aber weder die Ansprüche der Eltern noch des Landes erfüllen. Wir haben keine Spielräume“, ärgert sich Kröpelins Stadtoberhaupt Thomas Gutteck. In Teterow seien die Einrichtungen schon im eingeschränkten Betrieb knapp an der Kapazitätsgrenze. „Wir mussten die Öffnungszeiten begrenzen, weil wir weder den Platz noch die Mitarbeiter haben, um allen Regeln gerecht zu werden“, sagt Stadtchef Andreas Lange. Der Aufschrei der Kommunalpolitiker aus dem Landkreis sei auch ein Hilfeschrei von Eltern, Erziehern, Trägern, die ihre Sorgen und Bedenken in den letzten Tagen weitergereicht haben. „Wir fordern eine Rückkehr zur Normalität auch in den Kitas“, fasst es Dummerstorfs Bürgermeister Wiechmann zusammen, „natürlich mit besonderen Hygienevorgaben.“ Corona-Regeln in Kitas Lesermeinungen zu den Regeln Fast drei Viertel der Kinder in Einrichtungen Von Doris Deutsch