Die verschollene Legende

Peter Becker steht im Bad Doberaner Rathaus und betrachtet das riesige, sechs mal zwei Meter große Gemälde im ersten Obergeschoss. Darauf zu sehen: Die Legende von der Gründung des Klosters Bad Doberan — gemalt vom Doberaner Künstler Ludwig Friedrich Karl Bang (24. Januar 1857 bis 9. März 1944). In seinen Händen hält Peter Becker einen Ordner — darin enthalten: seine Recherche-Ergebnisse. Seit Jahren versucht der 67-Jährige, ein Rätsel zu lösen: Wo ist Bangs Öl-Bild „Die Legende der Gründung vom Heiligen Damm“ geblieben. „Die Leute fragen mir Löcher in den Bauch, wo denn dieses Bild ist. Es reizt mich, dies herauszufinden.“ Die OSTSEE-ZEITUNG begab sich ebenfalls auf Spurensuche. Fakt ist: Ludwig Friedrich Karl Bang wollte einst vier Legenden-Bilder zeichnen und der Stadt Bad Doberan verkaufen — diese lehnte jedoch ab. Belegt ist bisher nur, dass Bang zwischen 1926 bis 1928 drei Sagen-Bilder fertigte: Neben der Münster- und Heiligendamm-Legende zeichnete er das Mysterium der Heiligenblutreliquie. Das rund vier Meter lange und 1,70 Meter hohe Kunstwerk steht seit über 25 Jahren im Bad Doberaner Gymnasium — unter einer Treppe im ersten Obergeschoss. Direkt neben Kartenmaterial für den Unterricht. „Ob es ein viertes Sagen-Bild gibt, wissen wir nicht. Wir können leider auch nicht sagen, welche vierte Sage er zeichnen wollte“, sagt Silvana Rieck, die Leiterin des Stadt- und Bädermuseums in Bad Doberan. In ihrem Büro im Möckelhaus hat sie zwei Bang-Bilder hängen. Auf denen sind Landschaften zu sehen. Interessant zudem: Im Museum hängt ein weiterer Bang — wie im Rathaus ist darauf die Münster-Legende abgebildet. Einziger Unterschied: Das Bild im Museum ist deutlich kleiner. Ist das eventuell das vierte Legenden-Bild? Hat Bang ein Motiv doppelt gezeichnet? Silvana Rieck schaut verträumt auf das Gemälde — auch sie hat versucht, das Bild der Heiligendamm-Legende zu finden. „Unsere Spur endet in den 1980er Jahren. Damals soll es im Sanatorium in Heiligendamm gehangen haben, wurde uns erzählt.“ Im jetzigen Grand Hotel ist es jedenfalls nicht, sagt Pressesprecherin Dorit Wehmeyer. Peter Becker und auch Silvana Rieck können sich durchaus vorstellen, dass das rund zwei Meter breite und 1,50 Meter hohe Heiligendamm-Bild in Privatbesitz ist. Beweise dafür haben beide nicht. Ein Name drängt sich sofort auf: Alexander Schalck-Golodkowski. Der DDR-Wirtschaftsfunktionär war Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel — unter anderem zuständig für den Verkauf von Kunstgegenständen in den Westen. Wurde Bangs Heiligendamm-Legende verkauft? In den zugänglichen Akten und den Untersuchungsberichten des Bundestages findet sich kein Hinweis darauf. „Es ist schwer zu sagen, was ein Bang-Bild heute wert ist“, erklärt Silvana Rieck. „Fest steht jedoch, dass er einer der bedeutendsten Künstler unserer Stadt war.“ Hinweise zum Verbleib des Bildes bitte per Email an lokalredaktion. bad-doberan@ostsee-zeitung.de. Vier Legenden-Bilder Ludwig Friedrich Karl Bang wurde am 24. Januar 1857 in Doberan in der alten Torfscheune geboren. Sein Vater war Forstgärtner. Er besuchte das Gymnasium Katharineum in Lübeck, danach ging er an die Akademie der Künste nach München. 1914 kehrte Bang zurück und wollte der Stadt vier Bilder verkaufen. Karsten Lehmann

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