Ein Dorf muss auf Fußball verzichten

Es hatte sich abgezeichnet, jetzt ist es für die Dorfbewohner traurige Gewissheit: Die Fußballabteilung des LSV 75 Wahrstorf löst sich auf. Am 20. Juni bestreiten die Spieler um 15 Uhr nicht nur die letzte Partie der Saison, sondern auch das letzte Spiel mit dem Schriftzug ihres Clubs auf dem Rücken. Die 40-jährige Geschichte dieser Sparte endet an diesem Sonnabend um 16.45 Uhr. Der vorzeitige Klassenerhalt scheint nebensächlich zu sein. Die Enttäuschung bei Verantwortlichen und Fans ist deutlich spürbar. Als der Hauptsponsor seinen Rückzug bekanntgab (die OZ berichtete), hatte der Verein noch knapp zwei Monate Zeit, Ersatz zu finden. Stichtag war die Mitgliederversammlung am 29. Mai. „Wir konnten aus finanzieller Sicht in dieser Zeit leider wenig erreichen. Uns blieb deshalb nichts anderes übrig, als bekanntzugeben, dass sich die Fußballabteilung des Vereins auflöst. Wir ziehen uns damit vom Spielbetrieb zurück“, erklärt Vorstandsmitglied Heiko Steben. Die Mannschaft habe mit allen Konsequenzen den Wechsel zu einem anderen Verein erklärt. „In den letzten Wochen gab es vor allem Gespräche mit Verantwortlichen der SG Warnow Papendorf. Bei unseren Nachbarn könnte sie aufgefangen werden“, sagt er. Der Papendorfer Clubchef Bernd Risch bereitet sich nach den Gesprächen auf einen Mitgliederzuwachs vor. „Die Wahrstorfer Fußballspieler haben angekündigt, zu unserem Verein zu wechseln. Sollte dies so sein, werden wir eine zweite Männermannschaft für die kommende Saison anmelden“, gibt er bekannt. Der Verein LSV 75 Wahrstorf bricht nicht komplett auseinander, sondern bleibt weiterhin unter diesem Namen bestehen. Dies gilt allerdings nur noch für die Frauensportgruppe sowie Line-Dancer. Deshalb musste auf der Versammlung ein Vorstand bestätigt werden, damit der Verein aus rechtlicher Sicht weiter existieren kann. Der alte Vorstand hat seine Arbeit bereits niedergelegt. Der bisherige Sportwart Heiko Steben wurde jetzt zum Vereinsvorsitzenden gewählt. Als Schatzmeisterin unterstützt Bürgermeisterin Irmgard Rautenberg den angeschlagenen Verein. Hinzu kommen zwei Vertreter der aktuellen Sportgruppen. „Dieser Vorstand ist eine Interimslösung und existiert in dieser Form so lange, bis wir uns als Verein neu aufgestellt haben“, ergänzt Heiko Steben. Ob der Rückzug einer Sparte, einer Abteilung oder sogar eines Vereins ein Einzelfall im Land ist, kann Torsten Haverland, Geschäftsführer des Landessportbundes (LSB), nicht bestätigen: „Wir führen keine Statistik über Neugründungen und Auflösungen.“ Aber: Tendenzen zufolge, stehe vielen Vereinen das Wasser bis zum Hals. „Es ist nicht neu, dass Klubs in diesem Land aus finanzieller Sicht Vereinen in anderen Bundesländern hinterherhinken.“ Über einen gesonderten Topf für außergewöhnliche Ausgaben, der für angeschlagene Vereine zur Verfüge stehe, verfüge der LSB nicht. „Bei knapp 2000 Vereinen im Land wäre dies kaum möglich“, stellt Haverland klar. Die Fans des Wahrstorfer Vereins sind enttäuscht, dass Fußball in ihrem Ort keine Rolle mehr spielt. „Wir bedauern das total. Alle Bemühungen der letzten Wochen sind im Sande verlaufen. Einen Sponsor konnten der Verein und wir nicht finden“, äußert sich Sandra Rokita. „Aber egal, wo und für welchen Verein unsere Spieler demnächst auf dem Platz stehen werden, anfeuern werden wir sie auch weiterhin“, sagt sie. Da der Verein sich nicht komplett aufgelöst hat, soll das 40-jährige Vereinsjubiläum in diesem Jahr dennoch gefeiert werden. Heiko Steben: „Der alte Vorstand organisiert derzeit ein Turnier, das eine Woche nach dem letzten Spieltag stattfinden soll.“ Neuer Name seit 1990 1975 hat sich der Verein unter dem Namen BSG Traktor Groß Stove gegründet. 1990 ließ er sich in LSV 75 Wahrstorf umbenennen. Grund für die aktuelle Misere ist der Wegfall des Hauptsponsors aus privaten Gründen. Mathias Otto

WAHRSTORF - Ein Dorf muss auf Fußball verzichten