Eine Vision aus einer sehr fernen Zeit

Unbemannt fahren Schiffe über den Ozean, bringen ihre Fracht von Kontinent zu Kontinent. Seeleute an Bord gibt es nicht mehr, technische Systeme haben ihre Arbeit übernommen. Noch ist das Zukunftsmusik aus einer sehr fernen Zeit. Trotzdem: Im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes „Munin“ (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks) tüfteln Wissenschaftler aus acht Ländern an dieser Vision. Die Professoren, Mitarbeiter und Studenten der Warnemünder Seefahrtsschule mischen kräftig mit — und bereiten die Abschluss-Simulation des Munin-Projektes für das kommende Frühjahr vor. „In erster Linie bilden wir Seeleute aus. Deshalb haben wir uns nicht gerade um ein Projekt zur unbemannten Schifffahrt gerissen“, sagt Dr. Michael Baldauf vom Warnemünder Bereich Seefahrt der Hochschule Wismar. Aus wissenschaftlicher Sicht sei das Projekt aber sehr interessant. Baldauf: „Und wenn es eines Tages zu so einer Entwicklung kommen sollte, dann wollen wir auch unsere Kompetenzen mit einbringen.“ Und davon haben die Warnemünder offenbar eine Menge: Die hier entwickelten Simulationssysteme für den Schiffsbetrieb, die auch bei der Ausbildung der Seeleute eine wichtige Rolle spielen, ermöglichen beispielsweise auch, die Bahn und das Verhalten eines Schiffes auf See vorauszuberechnen. „Wir wissen, wo das Schiff in 15 Minuten sein wird, wenn wir jetzt das Ruder umlegen“, versucht Dr. Michael Gluch das Prinzip zu erläutern. Die Besonderheit des Warnemünder Schiffsbetriebs-Simulators wurden schon oft hervorgehoben: Hier können nicht nur Nautiker ihre Manöver üben, sondern zugleich auch die Maschinisten. Durch das Zusammenspiel der beiden Systeme können die Seefahrtsstudenten den komplexen Schiffsbetrieb realitätsnah üben; mit Befehlen: „Brücke an Maschine“ — und umgekehrt. Das Know-how der Warnemünder ermöglicht sogar die Vorhersage, wann ein Maschinenteil kaputtgehen könnte, wann man es am besten ersetzt. Um genau diesen komplexen Schiffsbetrieb und solche Vorhersagen geht es auch in dem Forschungsprojekt der Europäischen Union: Viele Sensoren an Bord eines Schiffes — auf der Brücke wie im Maschinenraum — geben ihre Daten per Satellitenfunk an eine Landstation weiter — von dort aus wird das Schiff gesteuert. Und notfalls eingegriffen: in die Schiffssteuerung, in das Reparaturmanagement und natürlich auch, wenn Gefahr in Verzug ist. „Rein wissenschaftlich und technisch wäre so ein Schiffsbetrieb mit heutigen technischen Systemen machbar“, sagt Baldauf. Ob er sinnvoll und ökonomisch wäre, werde von anderen Gruppen des europäischen Munin-Projektes untersucht. Allein bei der Übertragung der Daten per Satellit entstünden immense Kosten. „Auch rechtliche Fragen spielen eine wichtige Rolle“, sagt Baldauf. „Derzeit schreibt die Weltschifffahrtsorganisation IMO je nach Schiffsgröße Mindestbesatzungsstärken vor.“ Änderungen dieser Rechtsvorschriften mit allen Mitgliedern der Weltorganisation dauerten immer viele Jahre. Und dann müssten auch noch Industrie und Reeder mitspielen: Fraglich sei, ob die Firma Volvo jemals ein Schiff mit 30000 neuen Pkw unbemannt über den Ozean schicken wolle. 3,8 Millionen Euro für Forschungsprojekt „Munin“ (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks) ist ein von der Europäischen Union mit 3,8 Millionen Euro gefördertes Projekt, das derzeit an einem Konzept für den unbemannten Schiffsbetrieb arbeitet und dessen Realisierbarkeit untersucht. Dabei könnte der laufende Betrieb auf hoher See autonomen Navigations-, Ortungs-, und Antriebssystemen überlassen werden, mit deren Hilfe das Schiff seinen Kurs selbst erstellen und auch Ausweichmanöver fahren kann. Diese Systeme werden von Land aus überwacht. In kritischen Situationen oder bei komplexen Aufgaben übernimmt eine Crew per Fernsteuerung die Kontrolle über das Schiff. Rechtlich ist die unbemannte Schifffahrt derzeit nicht möglich. Die Weltschifffahrtsorganisation IMO schreibt Mindestbesatzungsstärken für Seeschiffe je nach ihrer Größe vor. • Internet: www.unmanned-ship.org Klaus Walter

Warnemünde - Eine Vision aus einer sehr fernen Zeit