Händler in Warnemünde: „Die Hälfte von uns wird das nicht schaffen“

Die Mühlenstraße in Warnemünde ist menschenleer. Nur wenige Passanten gehen draußen spazieren oder kaufen in den vielen kleinen Geschäften ein. Das Ostseebad leidet unter dem Wegfall der Touristen. Eigentlich würden sich nun zahlreiche Urlauber in Warnemünde eine Auszeit vor dem Weihnachtsstress nehmen. „September, Oktober, November und Dezember sind sonst unsere fettesten Monate. Da habe ich hier täglich mehr als 50 Kunden“, sagt Adelin Aretz, Inhaberin vom „Arthus Adelin“, einem Geschäft für skandinavisches Wohndesign. Nun seien es täglich etwa zehn. „Wir haben unsere Öffnungszeiten schon angepasst. Andere Geschäftsinhaber hier und am Alten Strom haben Montag, Dienstag und Mittwoch geschlossen. Es lohnt sich nicht. Allein im November fehlen mir 15 000 Euro.“ 20 000 Euro Verlust aus dem Frühjahr: Die Unternehmerin sagt, sie habe allein im Frühjahr einen Verlust von mehr als 20 000 Euro verzeichnet. Die ganze Ware, die zuvor eingekauft wurde, seien die Händler alle nicht losgeworden. „Dafür mussten wir ja auch in Vorleistung gehen“, sagt sie. Der Sommer sei verhältnismäßig gut gewesen. „Viele haben Urlaub in Deutschland gemacht. Aber die Verluste aus dem Frühjahr konnten wir nicht wieder aufholen. Und da ich im Juli und August ganz gut verdient habe, konnte ich in diesen Monaten keine Hilfen beantragen“ Kein Polster für den Januar: Ob sie für die Wintermonate Hilfen vom Staat bekommt, weiß die Händlerin noch nicht. „Da werde ich wahrscheinlich rausfallen – ich habe ja geöffnet“, sagt sie. „Ich habe gar keine Chance, mir ein Polster für Januar und Februar aufzubauen. Anfang des Jahres ist so schon immer wenig los.“ Aretz bezeichnet sich als Kämpferin. „Ans Aufgaben denke ich nicht. Ich muss da irgendwie mit einem blauen Auge durchkommen.“ Pessimistischer ist Volker Schnabel, der gegenüber vom „Arthus Adelin“ ein Antiquitätengeschäft betreibt. „Wir sind hier alle kurz vor dem Ende“, sagt er verzweifelt. Seit zehn Jahren betreibt er seinen Laden in Warnemünde. „Wenn das so weitergeht, wie es jetzt aussieht, dann können wir uns hier warm anziehen. Das wird die Hälfte nicht schaffen.“ Auch wenn er geöffnet hat – Kunden kommen kaum. „Normalerweise wäre jetzt die Zeit, in der Touristen ohne Kinder und mit viel Geld kommen.“ Kritik an der Regierung: Nun kommen nicht einmal mehr die Rostocker. „Samstag geht es noch, aber sonst ist nichts los. Es wird ja auch jeden Tag aufgefordert, zu Hause zu bleiben“, sagt Schnabel. Der Warnemünder kritisiert die Bundesregierung scharf. „Sie tut so, als würde sie uns Einzelhändlern etwas gutes tun, wenn sie öffentlichkeitswirksam sagt, dass wir geöffnet bleiben dürfen. Das tut sie aber nur, um nicht zahlen zu müssen. Das ist doch Augenwischerei.“ Traurig macht den Selbstständig auch das Verhalten einiger Menschen. „Im März dachte jemand fälschlicherweise, ich hätte geöffnet. Und sofort wurde die Polizei gerufen.“ Schnabel ist pessimistisch. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“ Förderungen unklar: Was die Händler zudem kritisieren: Bei allen Anträgen, Hilfen, Formularen und Bestimmung blicke niemand mehr durch. „Ich weiß gar nicht, was ich beantragen kann“, sagt Schnabel. „Im Sommer hatte ich 34 Prozent meines normalen Umsatzes. Da hieß es, das seien vier Prozent zu viel, um die Unterstützung zu bekommen.“ Jeden Monat müssen rund viertausend Euro für Fixkosten bezahlt werden. „Man kann alles schieben und drücken, aber irgendwann muss es bezahlt werden“, sagt Schnabel. Ähnlich sieht das Adelin Aretz. „Wir sind jetzt schon dabei, Fürbitte zu leisten bei unseren Vermietern“, sagt sie. „Corona ist eine ernstzunehmende Pandemie und ich habe Verständnis für die Maßnahmen. Aber die Politik hätte sich über den Sommer hinweg ein Konzept für die Wirtschaft überlegen können.“ Die Händlerin fühlt sich alleingelassen. „Wir brauche Hilfen, die schneller greifen und bei denen klar ist, wer was beantragen kann.“ Von Katharina Ahlers