Hatte mein Kind schon Corona? So läuft die Rostocker Corona-Studie für Mütter

Es ist die bisher am schnellsten realisierte Studie der Rostocker Infektiologen. Nur fünf Tage lagen zwischen der Ankündigung zum Corona-Test für Mütter und den ersten Abstrichen – ein Wochenende inklusive. Die Telefone klingelten heiß, unzählige Frauen wollten einen der 400 Teilnehmerplätze. Ich habe einen ergattert und stehe deshalb an diesem sonnigen Mittwochmittag vor der Abteilung für Inneres der Universitätsmedizin Rostock. Die Tests für die Mütter finden nicht im normalen Abstrichzentrum, sondern separat in der Ambulanz der Inneren statt. Die Zulassungskriterien zur Studie sind überschaubar: Mitmachen kann, wer einen Wohnsitz in Rostock und Kinder im Alter zwischen einem und zehn Jahren hat, die normalerweise in einer Kindertagesstätte der Hansestadt betreut werden. Einlass nur mit Mundschutz: Vor dem Gebäude in der Schillingallee sind an diesem Tag deshalb vor allem Frauen zu sehen. Um 13 Uhr wird mit den Tests begonnen. Schon am Eingang steht eine Schwester, die Handdesinfektion und Mundschutz verteilt. Erst dann öffnet sich die Tür. Dagmar Michel-Lübs überreicht die Fragebögen und Informationszettel zum Studienzweck. Die neueste Corona-Studie der Universitätsmedizin Rostock richtet sich an Mütter aus der Hansestadt. Wer ein Kind im Alter zwischen 1 und 10 Jahren hat, das normalerweise in der Kita oder von einer Tagesmutter betreut wird, der kann kostenlos teilnehmen. Angeboten werden ein Rachenabstrich, mit dem eine akute Corona-Erkrankung nachgewiesen werden kann sowie ein Antikörpertest per Blutentnahme. Interessenten können sich unter der Telefonnummer 0381-494 73 37 anmelden, sollten aber Geduld mitbringen, falls länger besetzt ist. Am Telefon werden bereits einige Daten abgefragt, sodass die Gespräche einige Minuten dauern. Der Anblick auf den Klinikfluren ist einer, an den wir uns offenbar gewöhnen müssen: Alle tragen Mundschutz. Ihre gute Laune, die trotz des Stresses spürbar ist, übertragen die Mitarbeiterinnen nur mit ihren leuchtenden Augen und den freundlichen Worten. Fragebogen, Abstrich, Blutentnahme: Das Ausfüllen der Zettel nimmt fast die meiste Zeit des Testprozesses in Anspruch. Name, Adresse, Angaben zum Kind sowie zur bisherigen Betreuungssituation nach Schließung der Kitas und Schulen. Für die Studie ist es egal, ob der Nachwuchs zuhause oder in der Notbetreuung versorgt wurde. Ob die Mädchen und Jungen dabei Kontakt zu Spielkameraden hatten, ist kein Thema. Niemand muss an dieser Stelle fürchten, mit der individuellen Betreuungslösung und einem möglichen Regelbruch aufzufallen. Beantwortet werden muss aber noch, ob man selbst seit Februar Symptome hatte, verreist war oder Kontakt zu einem Infizierten hatte beziehungsweise vermutet. Ist der Fragebogen fertig, geht es direkt in eines der vier Arztzimmer. Dr. Hilte Geerdes-Fenge überfliegt meine Angaben und lässt sich kurz die mitgebrachte Geburtsurkunde des Kindes zeigen. Dann kann Emily Acksel bei mir mit dem Abstrich loslegen. Vor dieser Stäbchenprobe hatte ich den meisten Respekt. Schließlich wird oft berichtet, wie unangenehm das sein soll. „Kein guter Abstrich ohne Würgereiz“, hatte mir kürzlich noch ein Mediziner erzählt. Abläufe sind professionell organisiert: Und das stimmt in meinem Fall, auch wenn sich die Studentin Emily Acksel die größte Mühe gibt, die Prozedur gründlich, aber schnell zu erledigen. Auf dem Flur sitzt bereits die nächste Mama parat. Wirklich ins Gespräch kommen die Studienteilnehmerinnen nicht – was zum einen am Abstand im Wartebereich liegt, aber auch daran, dass der Ablauf höchst professionell organisiert ist und kaum Wartezeit entsteht. Zwei Zimmer weiter folgt noch die Blutentnahme: Krankenschwester Lena Peters hat es mit meinen Venen nicht leicht. Lob gebührt ihr deshalb nicht nur für den Umgang mit der Nadel. Auch mein Kompliment über ihre hübschen weißen Schuhe, die mit schicken Schleifen verziert sind, freut die junge Frau. Wenn das halbe Gesicht durch den Mundschutz verdeckt ist, bleibt der Blick eben an anderen Details hängen. Hauptmotivation sind die Kinder: Nach gut einer Viertelstunde ist alles vorbei. Juliane Peters stehen die Tests noch bevor. Sie wollte unbedingt bei der Studie mitmachen, erzählt die Rostockerin. „Hauptmotivation sind natürlich die Kinder“, sagt die Mama eines zweijährigen Sohnes. Nicht nur, weil die Betreuung zu Hause für zwei voll berufstätige Eltern schwierig sei, hofft sie, dass bald wieder ein bisschen Normalität einkehren kann. Auch für ihren Sohn und viele andere Kinder sei der fehlende Sozialkontakt schwer auszuhalten, berichtet die junge Mutter, bevor sie im Arztzimmer verschwindet. Ergebnisse in etwa drei bis vier Wochen: Prof. Emil Reisinger will mit der aktuellen Studie herausfinden, wie viele Kinder vielleicht schon eine Sars-CoV-2-Erkrankung durchgemacht haben, ohne es zu bemerken. Schließlich verläuft Corona bei Jüngeren oft symptomfrei. „Weil relativ sicher ist, dass erkrankte Kinder auch ihre Eltern anstecken, testen wir erst einmal die Mütter, die eine Art Sentinel-, also Wächterfunktion in den Familien haben“, erklärt der Chef-Infektiologe der Rostocker Universitätsmedizin. Sollte ein Corona-Test positiv ausfallen, würden die Betroffenen unverzüglich informiert. Ansonsten heißt es warten, bis ein Brief oder eine E-Mail von der Universitätsmedizin eintrifft. „Klar ist, dass kein anderer Corona-Verdachtsfall wegen dieser Studie länger auf ein Ergebnis warten muss – wir haben ausreichend Laborkapazitäten“, so Reisinger. Die Rostocker Untersuchung sei eine der ersten bundesweit, die Kinder in den Mittelpunkt rückt. Durch den Fokus auf die Hansestadt hätten die Ergebnisse aber vor allem lokale Relevanz, sagt der Infektiologe. Neben der Ermittlung der Zahlen, wie viele Kinder bereits unbemerkt an Corona erkrankt waren, hätte die Studie noch einen weiteren Zweck: „Sie dient der Evaluierung der Antikörpertests“, so Reisinger. Jede Blutprobe würde mit verschiedenen, derzeit auf dem Markt erhältlichen Antikörpertests untersucht. „So können wir herausfinden, welcher derzeit der Verlässlichste ist“, erklärt der Studienleiter, der in etwa vier Wochen mit ersten Ergebnissen rechnet. Lesen Sie mehr: Vom Test bis zum Ergebnis: So arbeitet das Rostocker Corona-Labor Wettlauf gegen die Zeit: So arbeiten die Corona-Detektive im Gesundheitsamt Notbetreuung in Kitas: Wie der Alltag in der Corona-Krise aussehen könnte Von Claudia Labude-Gericke